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K&R 2014, 1
Albers, Stephan und Kind, Benedikt 

Nationale und europäische TK-Regulierung: Investitionssicherheit schafft dynamischen Wettbewerb

Immer wieder wird in Umfragen die Verfügbarkeit leistungsfähiger Breitbandanschlüsse als wichtigster Standortfaktor hervorgehoben. Daraus folgt die politische Zielsetzung einer flächendeckenden Versorgung mit Breitbandanschlüssen mit mindestens 50 MBit/s bis zum Jahr 2018. Dieses anspruchsvolle Ziel ist erreichbar, bedarf aber der Bündelung aller Technologien und Kräfte im Wettbewerb. Der Ausbau einer hochleistungsfähigen Breitbandinfrastruktur wird in Deutschland nicht nur von einigen wenigen großen Unternehmen geleistet, sondern vor allem dezentral von den vielen lokal und regional tätigen Anbietern vorangetrieben. Die im Bundesverband Breitbandkommunikation (BREKO) zusammengeschlossenen mehr als 100 Netzbetreiber haben anlässlich der durch die Bundesregierung initiierten "Netzallianz Digitales Deutschland" ihr Investitionsversprechen in Höhe von 9,1 Mrd. Euro bis 2018 erneuert. Grundlage dafür sind entsprechende ordnungspolitische Rahmenbedingungen. Doch wie sehen diese Rahmenbedingungen aus?

Wichtig ist zunächst, dass etablierte und erfolgreiche Geschäftsmodelle nicht durch radikale Änderungen des rechtlichen Rahmens in Frage gestellt werden. Unter diesem Aspekt ist der aktuell in der Diskussion befindliche Verordnungsentwurf der Europäischen Kommission über einen "europäischen Binnenmarkt der elektronischen Kommunikation" ("Single-Market-Verordnung", COM 2013/627) zum Teil kontraproduktiv und investitionsgefährdend.

Der ursprüngliche Verordnungsentwurf sah eine Substitution des physisch entbündelten Zugangs zur Teilnehmeranschlussleitung (TAL) durch ein europaweit vereinheitlichtes "virtuelles Zugangsprodukt" vor. Gerade in Deutschland, wo 9,5 Mio. Kunden über die entbündelte "letzte Meile" durch Wettbewerber der Telekom versorgt werden, wäre eine solche Regelung für die Wettbewerbsentwicklung hochgefährlich. Die bisher bekannten "virtuellen Zugangsprodukte" stellen entweder funktional oder ökonomisch kein akzeptables Äquivalent zum physisch entbündelten Zugang dar, d. h. sie erlauben entweder keine der physischen Entbündelung vergleichbare Produktgestaltung (keine "funktionale Äquivalenz") oder erhöhen die Vorleistungskosten dergestalt, dass dem Vorleistungsnachfrager auf dieser Basis ein konkurrenzfähiges Endkundenangebot nicht mehr möglich ist (keine "ökonomische Äquivalenz").

Auch wenn das Europäische Parlament die Regelungen zu einem einheitlichen virtuellen Zugangsprodukt und dessen mögliche Substitutionswirkung zunächst gekippt hat, so wird diese Thematik spätestens im Rahmen der 2015/2016 anstehenden Neuordnung des EU-Richtlinienrahmens wieder eine Rolle spielen. Sie ist auch Gegenstand der zurzeit in der Überarbeitung befindlichen Kommissionsempfehlung zu den für eine Regulierung vorgesehenen Produkt- und Dienstemärkten. Es ist zu befürchten, dass eine dauerhafte Diskussion um das Entbündelungsmodell zu einer fortgesetzten Investitionsverunsicherung führen könnte. Diese Diskussion sollte schnell mit einem klaren Bekenntnis zum Zugang zur physischen Entbündelung beendet werden.

Der Herstellung der notwendigen Investitionssicherheit dienen zudem die schnelle Umsetzung der von der Bundesnetzagentur gesetzten Regeln zur marktkonformen Nutzung von VDSL-Vectoring sowie ein Verzicht auf die Einführung einer regional differenzierten Regulierung, die angesichts der homogenen Wettbewerbsbedingungen in Deutschland nicht erforderlich ist und lediglich die Verlässlichkeit des rechtlichen Rahmens unterminiert.

Neben der erforderlichen langfristigen Planungssicherheit ist die wettbewerbsfördernde Regulierung der Vorleistungsentgelte eine wesentliche Komponente eines investitionsfreundlichen Regulierungsumfeldes. Hierzu muss die Bundesnetzagentur eine Korrektur ihrer bisherigen Spruchpraxis vollziehen und bei der Regulierung der Vorleistungsentgelte die tatsächlichen Investitionskosten des Marktbeherrschers berücksichtigen. Gegenwärtig hält der deutsche Regulierer an einem reinen "Wiederbeschaffungsgrundsatz" fest, d. h. bei der für die Entgelthöhe entscheidenden Bestimmung der Investitionswerte des regulierten Unternehmens wird stets eine Neuerrichtung des Netzes zu heutigen Wiederbeschaffungswerten fingiert. Die auf diese Weise ermittelten hypothetischen Investitionskosten liegen aber deutlich über den tatsächlichen Kosten des regulierten Unternehmens, weil wesentliche Netzkomponenten - insbesondere der kostenintensive Tiefbau - weitgehend abgeschrieben sein dürften. Auf diese Weise ergeben sich systemimmanent überhöhte Vorleistungsentgelte, wodurch den Nachfragern der regulierten Vorleistung wesentliche Mittel für eigene Infrastrukturinvestitionen entzogen werden. Diese den Wettbewerbern entzogenen Mittel fließen aber nicht spiegelbildlich in entsprechende Investitionen des durch diese Form der Entgeltregulierung privilegierten Marktbeherrschers - insbesondere dann nicht, wenn dieser auch die Dividendenerwartungen seiner Aktionäre erfüllen muss.

Zusammenfassend ist festzuhalten, dass der durch das TKG-2012 gesetzte Rahmen grundsätzlich ein investitionsfreundliches Umfeld geschaffen hat, so dass gesetzgeberische Korrekturen zurzeit nicht angezeigt sind. Um das im deutschen Markt befindliche Investitionspotenzial auszuschöpfen, müssen die aus den verschiedenen Initiativen auf europäischer Ebene folgenden Verunsicherungen schnell abgestellt und das dahinterstehende Leitbild der Kommission eines künftigen europäischen Kommunikationsmarkts kritisch hinterfragt werden. Auf nationaler Ebene können durch die Bundesnetzagentur weitere Investitionsanreize gesetzt werden. Dies gilt für den grundsätzlichen Ansatz bei der Regulierung der Vorleistungsentgelte ebenso wie für die Sicherstellung einer guten Vorleistungsqualität in den regulierten Vertragswerken des Marktbeherrschers.

Dr. Stephan Albers, Bonn Benedikt Kind, Bonn
 
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