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K&R 2024, I
Sorber/Felisiak 

Plattformarbeit: Vom Nebenjob zum regulierten Wirtschaftszweig

Abbildung 1

RA Dr. Dominik Sorber

Abbildung 2

RAin Dr. Michaela Felisiak

Haben Sie schon mal von der Richtlinie zur Verbesserung der Arbeitsbedingungen in der Plattformarbeit – kurz Plattform-RL – gehört? Die RL ist eine Antwort der EU auf die rasanten Veränderungen in der digitalen Arbeitswelt. Plattformarbeit ist längst aus dem Schatten der Nebentätigkeit herausgetreten und fester Bestandteil der Wirtschaft. Rund 35 Millionen Menschen in Europa bieten über digitale Plattformen ihre Dienste an. Das können Liefer-, Transport- oder Reinigungsarbeiten sein. Aber auch in anderen Branchen, wie z. B. im IT-Bereich ist die Plattformarbeit auf dem Vormarsch. Was als flexible Beschäftigungsform galt, wird jetzt reguliert. Die RL soll nach den Worten der Berichterstatterin den Zugang zu fairen Arbeitsbedingungen regeln, Scheinselbstständigkeit korrigieren, echte Selbstständigkeit schützen und bahnbrechende Regeln für das algorithmische Management aufstellen.

Herzstück der RL ist die widerlegbare Vermutung der Arbeitnehmereigenschaft. Plattformbeschäftigte gelten u. a. bei Kontrolle und Steuerung durch die Plattform als deren Arbeitnehmer. Zwar kann die Plattform das Gegenteil, also eine Selbstständigkeit, nachweisen. Kenner sehen aber sofort, dass Plattformen das Risiko und den Aufwand von Abgrenzungsstreitigkeiten wohl kaum in Kauf nehmen werden.

Hinsichtlich der rechtlichen Abgrenzungsfrage macht die EU keine Vorgaben, sondern schiebt den Ball den Mitgliedstaaten zu. Das führt – man kennt es – zu einem Flickenteppich innerhalb der EU. Insbesondere bei grenzüberschreitender Plattformarbeit ein Traum.

Was sollte der deutsche Gesetzgeber nun tun? Er sollte beachten, dass nicht jede Plattformarbeit prekär ist und es oftmals nicht im Interesse des „Selbstständigen“ ist, wenn dieser nun automatisch den Stempel einer abhängigen Beschäftigung erhält. Anders vermutlich die Sicht der DRV Bund, die der allgemeinen Vermutungswirkung aufgeschlossen gegenüberstehen dürfte.

Aus arbeitsrechtlicher Sicht sind die Folgen der Fiktionswirkung sehr spannend, denn handelt es sich dann bei der Plattform um einen Betrieb (im betriebsverfassungsrechtlichen Sinn)? Kann ein Betriebsrat für „die“ Plattform (rein digital) gewählt werden? Das BetrVG hat hierauf keine Antworten, was die optimale Gelegenheit wäre, dem BetrVG ein Update hin zu einer digitalen und agilen Arbeitswelt zu verhelfen.

Auch in puncto Beschäftigtendatenschutz verspricht die EU, bahnbrechende Regeln für das algorithmische Management aufstellen zu wollen. Regelungsinhalt ist, dass Plattformarbeiter nicht nur von Algorithmen gesteuert werden dürfen, sondern es menschlicher Ansprechpartner bedarf. Die RL sieht außerdem spezifische Regeln für den nachvollziehbaren Einsatz automatisierter Entscheidungssysteme vor. „Garniert“ wird das Ganze mit ein paar weiteren Besonderheiten: So können Einwilligungen nicht als Erlaubnisgrundlage herangezogen werden. Digitale Arbeitsplattformen dürfen keine Daten zu emotionalen oder psychischen Zuständen, privaten Gesprächen oder sensiblen Informationen wie ethnische Herkunft, politische Meinungen oder sexuelle Orientierung verarbeiten. Auch biometrische Daten dürfen nur zur Authentifizierung verarbeitet werden. Sämtliche Regelungen sind wiederum in den Mitgliedstaaten umzusetzen.

Das könnte ein Grund sein, warum der Entwurf des Beschäftigtendatenschutzgesetzes nicht wie geplant in Q4 2023 vorgestellt wurde. Die Herausforderung: Es gibt keine Kollisionsregelungen zwischen der DSGVO und der RL. Dies, obwohl die RL speziellere Normen zur DSGVO setzen will. Das dürfte also eine besondere Fallgruppe des Art. 88 DSGVO sein. Klarere Vorgaben wären an dieser Stelle – auch zur Verhinderung unterschiedlicher Datenschutz-Standards in der EU – wünschenswert gewesen. Ob das ambitionierte Ziel, einen globalen Maßstab zu setzen, erreicht wird, ist vor dem Hintergrund, dass hier die bekannten DSGVO-Vorgaben teilweise etwas konkreter gefasst wurden, kritisch zu sehen.

All dies macht eine Umsetzung mit Augenmaß erforderlich. Es muss eine Balance zwischen dem notwendigen Schutz der Plattformarbeiter und der Flexibilität geben.

Für die Zwischenzeit gilt: Unternehmen sollten bereits jetzt hinschauen: Die Gefahr der Scheinselbständigkeit bleibt ein (Dauer)Thema, und mit der neuen Richtlinie nimmt das Risiko nicht ab. Wird die Richtlinie das Arbeitsleben tatsächlich verbessern oder die echte Selbstständigkeit weiter zurückdrängen? Berlin hat es in der Hand, richtige Akzente zwischen Schutz und Freiheit zu setzen.

RA Dr. Dominik Sorber* und RAin Dr. Michaela Felisiak**

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Dr. Dominik Sorber, als Fachanwalt für Arbeitsrecht ist der Schwerpunkt seiner Tätigkeit die strategische Beratung auf dem Gebiet des Betriebsverfassungsrechts sowie der Betriebsrat-Compliance. Besondere Expertise verfügt er im Beschäftigtendatenschutz und führt bundesweit gerichtliche sowie außergerichtliche Verhandlungen.

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Dr. Michaela Felisiak, als Fachanwältin für Arbeitsrecht ist der Schwerpunkt ihrer Tätigkeit die Beratung bei grenzüberschreitenden Sachverhalten u. a. mobiles Arbeiten, Workation, Entsendung/Versetzung ins Ausland und nach Deutschland, Rekrutierung von Fachkräften aus dem Ausland, arbeitsbezogene Migration.

 
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