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K&R 2017, III
Pautke/Oest 

“Super-Konsortium” gefährdet Publikationsvielfalt in der Wissenschaft

Abbildung 1

RAin Dr. Stephanie Pautke, LL.M., Frankfurt a. M.

Abbildung 2

RAin Isabel Oest, LL.M., Frankfurt a. M.

Im August vergangenen Jahres gab die Allianz der Deutschen Wissenschaftsorganisationen – vertreten durch die Hochschulrektorenkonferenz – den Start der Verhandlungen zu einer bundesweiten Lizenzierung der Angebote drei großer Wissenschaftsverlage, dem sog. Projekt DEAL, bekannt. Seitdem wird in den Fachmedien und in der Tagespresse intensiv über den Sinn und Zweck sowie die möglichen Folgen von Projekt DEAL diskutiert. Dies insbesondere seitdem die Allianz im Dezember 2016 über das vorläufige Scheitern der Verhandlungen mit einem der Wissenschaftsverlage informierte. Interessanterweise findet die damit einhergehende kartellrechtliche Diskussion einseitig unter dem Stichwort “Missbrauch von Marktmacht” seitens der Verlage statt. Kaum beachtet wurde dagegen, dass der Börsenverein des Deutschen Buchhandels e. V. Beschwerde beim Bundeskartellamt gegen die Allianz eingelegt hat. Begründet wird die Beschwerde mit der Auffassung, dass die Allianz ein rechtswidriges Kartell zur Bündelung eines Großteils der Nachfrage nach wissenschaftlichen Zeitschriften gebildet hat, was seine marktbeherrschende Stellung durch einen im Ergebnis abschottenden und diskriminierenden Beschaffungsprozess für elektronische Wissenschaftszeitschriften missbraucht.

Was also sind die kartellrechtlichen Bedenken, die mit Blick auf die Nachfrageseite bezüglich Projekt DEAL bestehen? Mit dem Projekt beabsichtigen über 700 Forschungseinrichtungen in Deutschland, ihren bisherigen Bezug von elektronischen Wissenschaftszeitschriften aufzugeben, um unter der Führung der Allianz mit den drei weltweit größten Wissenschaftsverlagen bundesweite Konsortial-Lizenzverträge zu verhandeln. Diese sollen neben der Einlizenzierung des gesamten elektronischen Zeitschriftenportfolios der ausgewählten Verlage eine Open-Access-Komponente enthalten, wonach die Kosten für Open-Access-Veröffentlichungen durch Wissenschaftler der jeweiligen Forschungseinrichtungen in den eingebundenen Zeitschriften abgegolten werden. Das Ziel der Allianz ist es, die Kosten für den Zugang zu Wissenschaftsliteratur zu senken und einen wesentlichen Schritt in Richtung Open-Access-Veröffentlichungen zu machen. Dazu wählt die Allianz allerdings einen Weg, durch den im Falle seines Erfolges der Wettbewerb bei der Herausgabe und dem Vertrieb wissenschaftlicher Zeitschriften in Deutschland nahezu zum Erliegen gebracht wird.

Die DEAL-Verhandlungen finden allein mit drei Verlagen statt. Hunderte deutsche Wissenschaftsverlage sowie der gesamte Fachhandel werden von den Verhandlungen ausgeschlossen. Es fehlt dabei an jedem Einblick in Auswahlkriterien oder Lizenzbedingungen für den von der Allianz angestoßenen Bezugsprozess. Dabei ist zu erwarten, dass ein erfolgreicher Abschluss von Projekt DEAL de facto zu Exklusivvereinbarungen für elektronische Zeitschriftenportfolios mit den drei Verhandlungspartnern führt. Dies zum einen, weil die Bibliotheksetats in einer Weise gebunden wären, die keinen Raum für alternative Bezugsquellen lässt, zum anderen, weil die Open-Access-Komponente für das Gesamtportfolio der einlizenzierten Zeitschriften mit großer Sogwirkung einhergeht. Projekt DEAL zielt damit auf eine Zwei-Klassen-Gesellschaft von Wissenschaftsverlagen ab. Auf der einen Seite stehen drei Großverlage, mit denen das DEAL-Konsortium über eine bundesweite Gesamtlizenz zum Bezug sämtlicher elektronischer Zeitschriften nebst Open-Access-Komponente verhandelt. Auf der anderen Seite verbleiben alle anderen Wissenschaftsverlage, die sich um überregionale Lizenzen nebst Transformationsverträgen für ihre elektronischen Zeitschriften bei Wissenschaftsbibliotheken selbst bemühen und hoffen müssen, dass sie die hohen Voraussetzungen für einen förderungsfähigen Vertrag erfüllen.

Es ist schwer vorstellbar, dass die mittels des “Super-Konsortiums” angestrebten Lizenzstrukturen zu den erhofften Kostensenkungen und der größeren Unabhängigkeit der Wissenschaftsorganisationen von den Konditionen der Verlage führen werden. Die Folge des zerstörten Wettbewerbs um den Absatz elektronischer Wissenschaftszeitschriften wäre jedoch die drastische Reduktion wissenschaftlicher Publikationsvielfalt. Derzeit scheinen die Verhandlungen zwischen der Allianz und den Verlagen ins Stocken geraten zu sein. Es bleibt abzuwarten, ob die Parteien nur eine Atempause einlegen oder ob erneute Verhandlungen unter veränderten Bedingungen stattfinden werden, in denen Effizienzen im Beschaffungsprozess auch ohne Beeinträchtigung von Wettbewerb realisiert werden können.

RAin Dr. Stephanie Pautke, LL.M., Frankfurt a. M. und RAin Isabel Oest, LL.M., Frankfurt a. M.

 
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