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K&R 2013, 1
Ufer, Frederic 

Totgesagte leben länger - das Revival der Kupferdoppelader

Seit einigen Jahren beflügelt das Thema Glasfaser die Fantasien von der Gigabit Gesellschaft. Die Erfolgsmeldungen in Sachen superschnellem Breitband aus Japan, Südkorea und Skandinavien haben auch in der hiesigen Politik Begehrlichkeiten geweckt. In nahezu jedem Industrieland ist die Breitbandstrategie Chefsache. Doch bei aller Euphorie haben viele die Realitäten nicht wahrnehmen wollen: Kosten, Nutzen sowie Nachfrage und Zahlbereitschaft des Kunden. Dabei war der bescheidene Vermarktungserfolg von VDSL seit dem Jahr 2006 ein glasklares Indiz für den gern unterschätzten Faktor Kunde. Auch die Dominanz der Breitbandkabelnetzbetreiber bei der Neukundengewinnung (50 %) erklärt sich keineswegs mit den angebotenen hohen Bandbreiten, sondern liegt vielmehr an den günstigen Tarifen, die den Kunden überzeugen. Der Traum von der Gigabit-Gesellschaft ist damit keinesfalls vom Tisch. Er wird aber noch eine ganze Weile länger geträumt werden müssen als bislang erhofft.

In der Zwischenzeit wendet sich die Aufmerksamkeit der TK-Branche wieder einer alten Bekannten zu, die nicht nur von der Telekom buchhalterisch, sondern auch von den Propheten des Glasfaser-Zeitalters als Basis für die Digitalisierung des Landes bereits abgeschrieben wurde. Gemeint ist die "Mutter aller Vorleistungen", die Teilnehmeranschlussleitung im Kupfernetz der Telekom, die im Wesentlichen steuerfinanziert aus den Zeiten der Bundespost stammt und deren Ursprünge stellenweise noch bis zum 2. Weltkrieg zurückreichen. Aktuell muss die Bundesnetzagentur wieder die Mietpreise festsetzen, gleichzeitig verlangt die Telekom von der Behörde, dass die Zugangsgewährung für Wettbewerber zu den grauen Kästen am Straßenrand, den sog. Kabelverzweigern (KVz), wieder abgeschafft wird. Sie begründet dies als Notwendigkeit im Hinblick auf die geplante Einführung der Vectoring-Technologie, die mit geringem Aufwand eine signifikante Leistungssteigerung der alten Kupferdrähte bewirkt. Damit steht die Branche vor wichtigen Weichenstellungen, auch im Hinblick auf den eingangs geschilderten Traum von der Glasfaser-Republik Deutschland. Der Sprung zur Gigabit-Gesellschaft kann schlichtweg mangels Bedarf noch nicht vollzogen werden. Die intelligente Nutzung der Kupferinfrastruktur ist damit für die nächsten Jahre(zehnte) ein durchaus sinnvoller Zwischenschritt, der die Glasfaser näher an die Haushalte bringt und für dessen Gelingen mit den kommenden Entscheidungen der Regulierungsbehörde die Voraussetzungen geschaffen werden.

Dafür muss man sich von einer Prämisse verabschieden, die in der Vergangenheit mit der Hauptgrund für die im internationalen Vergleich zu hohen Mietentgelte in Deutschland gewesen sein dürfte: Eine hohe TAL-Miete fördert oder besser erzwingt Investitionen in alternative Infrastrukturen, also den Glasfaserausbau bis zum Kunden (FTTB/FTTH). Diese Annahme hat sich trotz heftiger Warnungen der Wettbewerbsunternehmen nie bestätigt. Der erhoffte Befreiungsschlag vom Netz der Telekom blieb aus, denn auch bei diesem Kalkül wurde der Faktor Kunde außer Acht gelassen. Die enormen Kosten für den alternativen Glasfaserausbau können über den Markt nicht refinanziert werden. Der Wert eines Breitbandanschlusses ist durch Flatrates und den durch die Breitbandkabelnetzbetreiber angeführten Preiskampf unter die Räder gekommen. Die Telekom selbst wiederum hat kaum Anreiz zu investieren, da sie weiterhin rund 1 Milliarde Euro pro Jahr TAL-Miete von den Wettbewerbern für ein abgeschriebenes Netz einnehmen kann. Ankündi-gungen in der Vergangenheit, bis zum Jahr 2012 10 % der Haushalte mit FTTB/H zu erschließen, wurden vom Konzern schnell wieder revidiert. Auch wenn sich EU-Kommissarin Neelie Kroes im letzten Jahr für eine Stabilisierung der TAL-Mieten in Europa ausgesprochen hat, bedeutet dies keinen Freischein zur Fortführung dieses Irrtums. Der europäische Durchschnitt liegt aktuell mit 8,29 Euro noch deutlich unter Deutschland.

Außerdem korrekturbedürftig: Bei der Ermittlung des TAL-Preises werden die Kosten eines kompletten Neubaus angesetzt, das Netz hingegen ist abgeschrieben. Auch hier gilt: der vom BVerwG der Bundesnetzagentur zugestandene, weite Beurteilungsspielraum berechtigt nicht zur Fortführung irrtümlicher Annahmen. Selbst die EU-Kommission empfiehlt einen Mischansatz, der abgeschriebene Netzelemente entsprechend berücksichtigt. Ökonomisch und rechtlich ist die politisch gewollte Begünstigung der Telekom nicht mehr vertretbar. Durch den künstlich hohen TAL-Preis wird aktiv in die Wettbewerbsfähigkeit der TK-Wettbewerber gegenüber den Kabelnetzbetreibern eingegriffen, die hiervon unabhängig am Markt agieren können. Der Mietpreis für die TAL muss endlich sinken, insbesondere im Bereich der letzten Meile, vom Kabelverzweiger bis zum Kunden (sog. KVz-TAL). Nun ist es Zeit für die richtigen Impulse, um den Breitbandausbau im Wettbewerb voran zu bringen.

Dr. Frederic Ufer, Köln
 
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