Urheberrecht und Informationsfreiheit

Das Urheberrecht wird jüngst zunehmend als Instrument genutzt, um Informationen und Tatsachen vor der Öffentlichkeit geheim zu halten und zu schützen. Beispiel: Ein Ministerium versucht, zu verhindern, dass Sachverhalte öffentlich bekannt und skandalisiert werden, indem sich das Ministerium auf den Urheberrechtsschutz der entsprechenden Vermerke beruft. Ein Abdruck von Dokumenten, die beispielsweise auf der Grundlage des Informationsfreiheitsgesetzes von der Behörde herausgegeben werden mussten, etwa in einer Zeitung oder auf einer Internetplattform, soll als Urheberrechtsverletzung verhindert werden. Diese Entwicklung gibt Anlass, genauer hinzusehen und manche Verletzungsbehauptung kritisch zu hinterfragen.
Zu den nach § 2 Abs. 2, Abs. 1 Nr. 1 UrhG geschützten Sprachwerken können durchaus Sachtexte zählen, also auch Tatsachenschilderungen, dienstliche Vermerke, Gutachten und Berichte fürs Archiv. Das Urheberrecht schützt nämlich nicht nur Werke, die wie Romane oder Gedichte mit künstlerischer Intention verfasst worden sind.
Das Urheberrecht schützt aber keinesfalls jeden Text. Entscheidend ist, ob der Autor bei der sprachlichen Gestaltung des Textes die im Urheberrecht verankerte Schwelle zur persönlichen geistigen Schöpfung überschritten hat. Ob dies auf einen konkreten Text zutrifft, hat im Streitfall das angerufene Gericht als Rechtsfrage zu beurteilen. So lässt sich eben nicht generell sagen, dass ein 30-seitiger Bericht über ein Ereignis schon allein wegen seiner Länge stets urheberrechtlich geschützt ist. Es kommt vielmehr darauf an, ob der Autor den Text individuell und schöpferisch aufgebaut und formuliert hat. Der Text muss über eine rein sachliche alltägliche Formulierung für ein Ereignis hinausgehen.
Schon aus den Anforderungen an den Werkbegriff wird deutlich, dass das Urheberrecht die künstlerisch ästhetische Leistung des Autors im Auge hat und keinesfalls den Schutz von Tatsachen vor ihrem öffentlichen Bekanntwerden. Im Gegenteil - das Urheberrecht schützt Tatsachen gerade nicht vor ihrer öffentlichen Wiedergabe. Geschehnisse, die sich tatsächlich zugetragen haben, wissenschaftliche Erkenntnisse und Lehren sowie naturwissenschaftliche Kenntnisse sind niemals urheberrechtlich geschützt.
In diese Linie ordnet sich auch ein Urteil des BVerfG (NJW 2000, 2416, 2417) ein, das bei Anwaltsschriftsätzen eine "individuelle Eigenprägung" verlangt. Aus den urheberrechtlichen Grundsätzen ergibt sich damit, dass etwa Ministeriumsunterlagen durchaus abgedruckt und im Internet öffentlich wiedergegeben werden können, wenn es der Verfasser nicht geschafft hat, die Texte in einer Weise zu formulieren, dass sie urheberrechtlich geschützt sind. Die hier angestellte Betrachtung bezieht sich rein auf das Urheberrecht und lässt andere Gesichtspunkte wie öffentlich-rechtliche Geheimhaltungsvorschriften oder Persönlichkeitsrechte außen vor.
Ist ein Text urheberrechtlich geschützt, darf er jedenfalls nicht als Ganzes einfach so abgedruckt oder wiedergegeben werden. Es bedürfte dazu grundsätzlich einer Genehmigung des Inhabers des Urheberrechts.
Erlaubt aus urheberrechtlicher Sicht ist aber in jedem Fall die Wiedergabe des Sachverhalts des geschützten Textes mit eigenen Worten. Bei der Wiedergabe von Textteilen aus Dokumenten kommt es darauf an, ob der entnommene Teil für sich genommen den urheberrechtlichen Schutz erreicht oder nicht. Gibt etwa eine Zeitung einen für sich genommenen nicht urheberrechtlich geschützten Teil aus einem Dokument wieder, das als Ganzes aber urheberrechtlich geschützt ist, so liegt keine Urheberrechtsverletzung vor.
Ist der entnommene Textteil urheberrechtlich geschützt, kommt es für die Zulässigkeit der Wiedergabe auf das urheberrechtliche Zitatrecht an. Teile eines fremden Textes dürfen durchaus ohne Genehmigung und auch gegen den Willen des Autors wiedergegeben werden, wenn dies durch das urheberrechtliche Zitatrecht gedeckt wird. Das Zitat ist zulässig, wenn es von seinem Umfang her angemessen ist, der aufnehmende Text das Zitat tragen kann und die Quellenangabe nicht vergessen wird. Entscheidend für die Zulässigkeit des Zitates ist, dass der aufnehmende Text sich inhaltlich mit dem Zitat auseinandersetzt und dieses als Beleg anführt. Ein kritischer Pressebeitrag über einen Sachverhalt darf zum Beleg auch einen urheberrechtlich geschützten Ausschnitt aus dem fremden Dokument als Zitat wiedergeben. Dabei ist nicht nur der Autor des Originaltextes zu benennen, sondern sind darüber hinausgehende Informationen zur Herkunft des Textes zu geben. Der Leser soll so die Möglichkeit haben, das Zitat anhand der Originalquelle zu überprüfen. Bei geheim gehaltenen Dokumenten ist das natürlich schwierig.
Fazit: Ob das Argument des Urheberechtsschutzes als Einwand gegen die Verbreitung bestimmter behördeninterner Papiere durchgreift, hängt von der konkreten Formulierung des Papiers ab. Selbst wenn das Papier urheberrechtlich geschützt sein sollte, so verhindert das Urheberrecht nicht die Verbreitung der in dem Papier enthaltenen Informationen. Zulässig kann daneben die Verbreitung von Auszügen sein, sofern diese vom Zitatrecht gedeckt sind.