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NUR 2006, 45
Bardenhewer 

Die Verwaltungsgerichte vor den Herausforderungen des TKG

von Dr. Franz Bardenhewer*

Bekanntlich ist nichts beständiger als der Wandel. Diese sprichwörtliche Erkenntnis wird durch die stürmische Entwicklung des Telekommunikationssektors seit der Eröffnung der Märkte durch das TKG 1996 mit Nachdruck bestätigt. Dabei war das Gesetz nicht nur Motor der Entwicklung; es hat auch umgekehrt die veränderten Tatsachen in Form von Rechtsänderungen in sich aufgenommen, die ihrerseits wiederum reale Folgen für die Märkte haben. Es handelt sich also um einen Prozess wechselseitiger Beschleunigung. Die Spannung wird durch hart aufeinander prallende Interessen weiter verstärkt.

Wegen des damals noch dreistufigen Rechtswegs setzt die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zum Telekommunikationsrecht erst im Jahre 2001 ein. Eine der frühen Entscheidungen betraf die Lizenzgebühren, die auf der Grundlage der Kosten einer dreißigjährigen Tätigkeit der Regulierungsbehörde nach Maßgabe der damaligen Vorschriften kalkuliert waren. Das überzeugte das Bundesverwaltungsgericht nicht. Ein halbes Jahr nach dieser Entscheidung wurde der neue europäische Rechtsrahmen verabschiedet, der sodann zum Erlass des vollständig überarbeiteten TKG 2004 führte.

Das Bundesverwaltungsgericht hatte in den wenigen Jahren nach 2001 keine Gelegenheit, zum TKG 1996 eine durchgängige Rechtsprechung zu entwickeln. Immerhin sind einige grundlegende Entscheidungen ergangen, so z.B. zum entbündelten Zugang zur Teilnehmeranschlussleitung, zum Weiterverkauf von Leistungen (Resale) und zur Rückwirkung von Entgeltgenehmigungen. Auch diese Entscheidungen sind freilich schon Geschichte, denn die zugrunde liegenden Probleme sind heute speziell im Gesetz geregelt.

Die Verkürzung des Rechtswegs auf zwei Instanzen im TKG 2004 hat die Aussichten verbessert, zügig zu einer abschließenden Klärung der Rechtslage zu gelangen. Beim Bundesverwaltungsgericht ist bereits eine Reihe von Revisionsverfahren anhängig, in denen um die Anwendung des neuen Rechts gestritten wird. In zwei Verfahren geht es um Entgelte für den Zugang zu Mobilfunknetzen; ein Verfahren betrifft den Widerruf einer Zugangsverpflichtung aufgrund erster Ergebnisse des neuen Marktanalyseverfahrens. In einem weiteren Verfahren steht eine Entscheidung zur Problematik des Übergangsrechts bevor. In allen diesen Verfahren ist allerdings die Notwendigkeit der Einschaltung des Europäischen Gerichtshofs nicht auszuschließen.

Je länger der Zeitraum bis zu einer rechtskräftigen Entscheidung in der Hauptsache ist, desto wichtiger ist ein effektiver vorläufiger Rechtsschutz. Diese Aufgabe ist nach neuem Recht allein dem VG Köln übertragen, das sich inzwischen auf eine langjährige Erfahrung stützen kann.

Würde, wie vom Bundestag und vom Bundesrat im Jahr 2004 für das laufende Jahr ins Auge gefasst, die Zuständigkeit für das Telekommunikationsrecht den Kartellgerichten zugewiesen, so müssten diese Gerichte die anderwärts angesammelte richterliche Expertise neu erwerben. Darum und im Hinblick auf die allmähliche Herausbildung eines sektorübergreifenden und vom Kartellrecht deutlich abgehobenen „Regulierungsverwaltungsrechts“, zu dessen systematischer Durchdringung die Verwaltungsgerichte eher berufen erscheinen als die Zivilgerichte, sollte die Änderungsabsicht noch einmal überdacht werden.

Abbildung 1

*

Vorsitzender Richter des u.a. für das Telekommunikationsrecht zuständigen 6. Revisionssenates des Bundesverwaltungsgerichts.

 
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