RdF 2015, Heft 01, Umschlagteil S. 1 (1) Finanzmarktregulierung braucht Augenmaß
Je kleiner ein Haus ist, desto größer ist prozentual die kostenmäßige Belastung durch neue gesetzliche Regelungen
Der Jahresbericht des Nationalen Normenkontrollrats (NKR) 2014 steht unter der Überschrift “Folgekosten ernst nehmen – Chancen nutzen”. Gilt dies auch für Kreditinstitute, insbes. für kleine und mittlere Institute?
Die meisten der kleinen und mittleren Kreditinstitute glauben dies nicht. Für sie scheint der im Koalitionsvertrag angestrebte “Abbau der Bürokratie (…) insbes. kleiner und mittlerer Unternehmen” nicht zu gelten. Ganz im Gegenteil: Sie werden vor immer größere bürokratische Belastungen gestellt. Die immer weiter ausufernden bürokratischen Belastungen der Finanzinstitute nehmen kein Ende. Einige Beispiele:
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Die immer weiter steigende Fülle von Meldeanforderungen belasten insbes. kleine und mittlere Institute über alle Säulen der Kreditwirtschaft hinweg. Ein Beispiel ist das AnaCredit-Projekt (Analytical Credit Dataset) der Europäischen Zentralbank (EZB) für statistische und makroprudenzielle Zwecke, das eine sehr granulare Meldung von kreditnehmer- und kreditbezogenen Informationen auf Einzelkreditbasis und unter Verwendung sehr geringer Meldeschwellen vorsieht. Zusätzlich beabsichtigt die EZB, Meldungen von Finanzinformationen aller Institute im Euro-Raum einzuführen (FINREP). Zu diesen europäischen Meldepflichten bestehen derzeit parallel nationale Meldeanforderungen. Auf redundante Meldungen sollte unbedingt verzichtet werden.
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Zum Kapitalertrag- bzw. Kirchensteuerabzug verpflichtete Stellen (Kreditinstitute) müssen nach § 51 a Abs. 2 c Nr. 3 S. 5 EStG den Kunden rechtzeitig vor der Regel- oder Anlassabfrage (d. h. jedes Jahr) über die Datenabfrage beim Bundeszentralamt für Steuern und das bestehende Widerspruchsrecht schriftlich oder in anderer geeigneter Form hinweisen. Vor der Einführung des automatisierten Kirchensteuerabzuges seit dem Jahr 2015 wurden alle betroffenen Kunden u. a. durch die Kreditinstitute flächendeckend und umfassend über die bevorstehende Datenabfrage und das damit verbundene Widerspruchsrecht informiert. Es besteht insoweit kein Bedarf für eine im Jahresturnus wiederkehrende Hinweispflicht, soweit keine Änderungen eingetreten sind.
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Der Berater eines Kreditinstituts darf derzeit nur dann eine Kaufempfehlung für Aktien und einfache Anleihen aussprechen, wenn er ein auf die jeweilige Aktie oder Anleihe individuell abgestimmtes Produktinformationsblatt (PIB) zur Verfügung stellt. Dieses PIB liegt in der Praxis jedoch nur in sehr wenigen Fällen vor (ein beratendes Institut kann nicht für eine Vielzahl von Aktien und Anleihen PIB erstellen). Negative Folge ist eine rückläufige Beratung für Privatanleger in Aktien (vgl. dazu Deutsches Aktieninstitut, www.dai.de). Der europäische Gesetzgeber verlangt auch künftig nur für “verpackte” (m.a.W. komplexe) Produkte ein Informationsblatt (PRIIPs-VO).
Derartige Belastungen sind in den Ergebnissen sichtbar. Früher galt: Die Größe eines Hauses sagte nichts über seine Profitabilität aus. Es gab in jeder Größenklasse sehr erfolgreiche und weniger erfolgreiche Institute. Dies ändert sich durch die zunehmende Regulierung: Je kleiner ein Haus ist, desto größer ist prozentual die kostenmäßige Belastung durch neue gesetzliche Regelungen. Dies erschwert kleinen Häusern die Arbeit. Dabei waren es vor allem die kleinen und mittleren Institute, die in der Finanzkrise Stabilität gaben. Sollte die Regulierungsflut weiter anhalten, könnte dies einen Trend hin zu immer größeren Instituten auslösen. Ist dies wirklich gewollt? Ist das die Lehre, die wir aus der Finanzmarktkrise ziehen wollen?
Ich bin der Meinung, dass für die Institute Vereinfachungen sowie Folgenabschätzungen neuer Regulierungsmaßnahmen und anderer rechtlicher Vorgaben dringend notwendig sind, um bestehende Regulierungen verständlicher und handhabbarer zu machen. Wenngleich jede einzelne (Regulierungs-)Maßnahme ihre Berechtigung haben mag, führen alle Maßnahmen in der Summe zu einer Komplexität, deren Auswirkungen von niemandem erfasst werden können. Dies muss sich ändern. Ein richtiger Schritt könnte die vom NKR in seinem jüngsten Jahresbericht geforderte Einbeziehung der (Kredit-)Wirtschaft in die Ermittlung des Erfüllungsaufwands sein. So könnten abweichende Meinungen in den Abstimmungsprozess einbezogen und bestenfalls berücksichtigt werden.
Georg Fahrenschon, Präsident des Deutschen Sparkassen- und Giroverbandes (DSGV)