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RdF 2016, 89
Bechtold 

Diskussion um Kapitalmarktunion und Verbriefung oder: Kafka lebt und wohnt in Brüssel

Ohne erhebliche Nachbesserungen des Entwurfs wird es weder zur Revitalisierung des Verbriefungsmarkts noch zu einem gelungenen Einstieg in die Kapitalmarktunion kommen.

Abbildung 1

Die europäische Verbriefungsdiskussion nach 2007 hat viel von einem Kafka-Roman. Denn obgleich europäische Asset-Backed-Securities-Transaktionen immer solide waren und völlig schadlos durch die Finanzkrise gekommen sind, wurde der europäische Verbriefungsmarkt ob seiner entfernten Namensähnlichkeit mit US-Subprime-Verbriefungen in Haftung genommen. In unendlichen Anhörungen und Gesprächen mussten seine Vertreter in den letzten neun Jahren gebetsmühlenartig wieder und wieder darauf hinweisen, dass man nicht das Geringste mit der Subprimekrise zu tun hatte.

Umso erfreuter waren alle Marktteilnehmer, als die Europäische Kommission Anfang 2015 die Revitalisierung des europäischen Verbriefungsmarkts im Rahmen des neuen Projekts EU-Kapitalmarktunion proklamierte. Konsequent zu Ende gedacht dürfte die Schaffung einer europäischen Kapitalmarktunion das wohl anspruchsvollste Projekt Europas der letzten zehn Jahre werden, denn für einen Kapitalmarkt, wie er in den USA besteht, fehlt in Europa viel. Ein solcher Markt lebt von Anbietern und Nachfragern, die sich nach einheitlichen, durch Zivil-, Steuer-, Insolvenz- und Aufsichtsrecht gesetzten Regeln bewegen. Davon ist Europa noch weit entfernt. Es fehlen die großen Pensionsfonds und Stiftungen; die Privatanleger Europas sind eher risikoscheu, bevorzugen Banken und Versicherungen für ihre Geldanlage, statt in Aktien und Anleihen zu investieren. Und die potentiellen Nachfrager sind kleinere, kaum kapitalmarktfähige Unternehmen, und selbst große europäische Familienunternehmen meiden oft die Öffentlichkeit einer Börsennotierung. Auch die für eine Kapitalmarktunion notwendigen einheitlichen rechtlichen Rahmenbedingungen fehlen. Europa ist im Gegensatz zu den USA ein Flickenteppich von Staaten mit achtundzwanzig eigenen, über die Jahrhunderte gewachsenen Rechtssystemen. Jenseits des jungen Rechtsgebiets des Aufsichtsrechts lassen sich diese nur schwer harmonisieren. Im Kern erkennt die EU-Kommission diese Schwierigkeiten an. Wie anders könnte sie sonst auf die Idee kommen, zunächst auf “early wins” in Form der Erleichterung des Risikotransfers von Banken untereinander und zu den Kapitalsammelstellen zu setzen und dazu Verbriefungen, Kreditfonds, Privatplatzierungen aufsichtsrechtlich zu erleichtern. Man kann den Planungen der EU-Kommission von daher nur zustimmen. Die Förderung des Kredittransfers von Banken zu Kapitalsammelstellen scheint der richtige Weg, um in Europa schnelle, sichtbare Erfolge beim Einstieg in eine Kapitalmarktunion zu erzielen.

Doch was die EU-Kommission inzwischen zur Neuregelung des Verbriefungsmarkts vorlegte, verstörte den Markt zutiefst. Denn unter der Maßgabe der Revitalisierung des Verbriefungsmarkts plant die EU-Kommission einen rechtlichen Rahmen für einfache, transparente und standardisierte Verbriefungen, der solche Produkte in Europa erheblich schlechter stellen und das Level Playing Field tiefgreifend zum Schaden von Verbriefungen zu anderen Kapitalanlagen verschieben würde. Synthetische Verbriefungen werden dabei von dem vorgeschlagenen Rahmen sogar völlig ausgeschlossen, obgleich sie im weiten Feld der Verbriefungen von Unternehmensfinanzierungen effizienter und zielgerichteter zum Einsatz kommen können als True-Sale-Verbriefungen. Die in dem Verordnungsentwurf verwendeten Begrifflichkeiten, Zuordnungen und die jeweiligen Verantwortlichkeiten von Aufsichtsbehörden sowie die Definitionen von Prozessen, Verstößen und Strafen sind extrem unklar und wenig eindeutig geregelt. Verbindliche Auskünfte von Aufsichtsbehörden sind nicht vorgesehen. Investoren in Verbriefungen werden zudem im Entwurf erheblich schlechter gestellt als bisher – und dies sowohl bei den Eigenkapitalanforderungen, die sogar nach oben klettern, als auch bei den Prüfpflichten und Sanktionsmechanismen. Jede der über fünfzig beteiligten europäischen Aufsichtsbehörden hätte das Recht, nach Auflage einer Transaktion Verstöße zu reklamieren. Und am Ende eines komplexen Prozesses unter Einschluss aller europäischen Aufsichtsbehörden könnten für die Bank oder das Industrieunternehmen, das eine Verbriefung auflegt, drastische zivil- und strafrechtliche Konsequenzen stehen. Es liest sich, als hätte Kafkas Roman über den Prozess um den Bankangestellten Josef K. hier inspirierend gewirkt.

Daher sind erhebliche Nachbesserungen notwendig, sonst wird es weder zur Revitalisierung des Verbriefungsmarkts noch zu einem gelungenen Einstieg in die Kapitalmarktunion kommen. Stattdessen würde sich im Markt wahrscheinlich die Erkenntnis durchsetzen: Kafka lebt und wohnt in Brüssel.

Dr. Hartmut Bechtold ist Geschäftsführer der True Sale International GmbH

 
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