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RdF 2011, 369
Schaffelhuber 

MiFID II/MiFIR – Regulierungs-Tsunami im Wertpapierhandelsrecht

MiFID II/MiFIR führen zu massiven Einschnitten bei Anlageberatung, Finanzportfolioverwaltung, Produktinnovationen und Handel

Abbildung 1

Die am 20.10.2011 veröffentlichten Entwürfe einer neuen Finanzmarktrichtlinie (MiFID II) und einer Finanzmarktverordnung (MiFIR) werden – wenn sie denn ohne wesentliche Änderungen Gesetz werden sollten – den europäischen Rechtsrahmen für die Erbringung von Finanzdienstleistungen und den Betrieb von regulierten Märkten und Handelsplattformen massiv verändern. Anlageberater und Finanzportfolioverwalter werden vor dem Hintergrund der Erweiterung des Verbots von Zuwendungen ihre Geschäftsmodelle grundlegend überdenken müssen. Banken werden überlegen, Zertifikate künftig nur noch aus nicht regulierten Tochtergesellschaften heraus zu emittieren, um derzeit noch unabsehbare Folgepflichten zu vermeiden. Die Ausweitung der Regelungen zur Vor- und Nachhandelstransparenz auf bisher nicht erfasste Handelsplattformen (durch erstmalige Regulierung von “organisierten Handelsplattformen”) und Finanzinstrumente wird erhebliche Auswirkungen auf die Liquidität der neu erfassten Finanzinstrumente haben. Ähnliches gilt im Hinblick auf die massiven Beschränkungen des OTC-Derivatehandels. Die an unbestimmte Rechtsbegriffe (“Anlass zu erheblichen Bedenken im Hinblick auf den Anlegerschutz”) anknüpfende Möglichkeit eines Verbots des (aktiven) Vertriebs und (passiven) Verkaufs bestimmter Finanzinstrumente und Geschäftsmodelle durch die Aufsicht wird die Planungssicherheit der Unternehmen beeinträchtigen. Sie wird sich daher bereits durch ihre bloße Existenz – ohne dass derartige, am Maßstab der Gewerbefreiheit ohnehin nur sehr schwer zu rechtfertigende Verbote tatsächlich ausgesprochen werden müssten – nachteilig auf Produktinnovationen auswirken.

Die – voraussichtlich bis 2014 erfolgende – Anpassung der Geschäftsprozesse wird für den Finanzsektor (und damit letztlich auch für den Verbraucher) mit erheblichen Kosten verbunden sein, die nicht durchgehend mit entsprechenden Vorteilen für die Verbraucher korrespondieren. So wird etwa die Umsetzung der Verpflichtung zur Aufzeichnung sämtlicher Telefongespräche mit Kunden (d. h., auch mit Privatkunden) allein in Deutschland jährlich Mehrkosten i. H. v. mehreren hundert Millionen Euro verursachen. In Verbindung mit der Revision der Marktmissbrauchsrichtlinie, der Marktinfrastrukturverordnung (EMIR) und der PRIPS-Initiative schwappt hier ein regelrechter Regulierungs-Tsunami über die Märkte hinweg; das daraus resultierende aufsichtsrechtlich getriebene Wachstum des Fixkostenblocks wird den Konzentrationsdruck in der Finanzbranche erheblich verstärken – eine vor dem Hintergrund der “too big to fail”-Problematik politisch wohl einigermaßen unerwünschte Konsequenz.

Die massive Kostenbelastung der (EU-) einheimischen Institute wird durch die erstmals europäisch vorgeschriebene Marktabschottung gegen Drittstaateninstitute nur unzureichend kompensiert – ganz zu schweigen davon, dass diese Marktabschottung massiv in die Wahlfreiheit der Verbraucher eingreift und ihre Vereinbarkeit mit dem GATS erst noch zu prüfen ist. Danach dürfen Drittstaateninstitute Wertpapierdienstleistungen und Wertpapiernebendienstleistungen an Privatkunden künftig nur mehr durch eine EU-Niederlassung – und nicht mehr im Wege grenzüberschreitender Korrespondenzdienstleistungen – erbringen. Die EU-Niederlassung hat im Aufnahmemitgliedstaat ein Erlaubnisverfahren zu durchlaufen und unterliegt im Wesentlichen den Bestimmungen des im Aufnahmemitgliedstaat geltenden Aufsichtsrechts. Allerdings kann eine in einem Mitgliedstaat zugelassene EU-Niederlassung eines Drittstaateninstituts in allen anderen EU-Mitgliedstaaten im Wege des Passporting grenzüberschreitend Dienstleistungen erbringen. Die Regelungen des – noch nicht ratifizierten – deutsch-schweizerischen Steuerabkommens zur Erleichterung des Marktzugangs schweizerischer Banken in Deutschland sind dann (bis zu einer künftigen Parallelregelung in der Bankenrichtlinie) nur noch für die eigentlichen Bankgeschäfte, und nicht mehr für Wertpapierdienstleistungen und Wertpapiernebendienstleistungen von Bedeutung.

Kai A. Schaffelhuber, RA, ist Partner bei Allen & Overy LLP, Frankfurt

 
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