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RdZ 2023, 73
Omlor 

MiCAR: PSD III für Kryptozahlungen?

Ein in sich geschlossenes Zahlungsdiensterecht vergleichbar zur PSD II enthält die MiCAR nicht.

Abbildung 1

Am 20.4.2023 hat das Europäische Parlament der finalen Fassung der Verordnung über Märkte für Kryptowerte (Regulation on Markets in Crypto-assets – MiCAR, abrufbar unter https://www.europarl.europa.eu/doceo/document/TA-9-2023-0117_
EN.pdf, Abruf: 12.5.2023; s. dazu auch den Beitrag von Hanten/Stedler, RdZ 2023, 76 ff., in diesem Heft) zugestimmt. Die MiCAR will einen harmonisierten Binnenmarkt für Kryptowerte und darauf bezogene Dienstleistungen erschaffen. Ihr in Art. 1 MiCAR niedergelegter Regelungsgegenstand klingt zunächst nach einer kapitalmarktrechtlichen Ergänzung zur Markets in Financial Instruments Directive (MiFID) II (ABlEU vom 12.6.2014, L 173, 349). Die Komplementärfunktion zu MiFID II wird auch dadurch bestätigt, dass Finanzinstrumente i. S. d. MiFID II ausdrücklich vom Anwendungsbereich der MiCAR ausgenommen sind (Art. 2 Abs. 4 Buchst. a MiCAR). Das Zahlungsverkehrsrecht scheint weit entfernt, wenn sogar solche Kryptowerte nicht erfasst sind, die Geldbeträge – mit Ausnahme von E-Geld-Token – darstellen.

Damit liegt aber allenfalls die halbe Wahrheit auf dem Tisch. Die MiCAR geht in ihrer Entstehungsgeschichte auch auf die inzwischen gescheiterte Initiative von Meta Platforms (früher: Facebook) zurück, ein privates Blockchain-Zahlungssystem zu etablieren, dessen Stablecoins zunächst “Libra” und später “Diem” genannt werden sollten. MiCAR versteht sich auch als gesetzgeberische Antwort auf diese privatwirtschaftlichen Bestrebungen, die ansonsten einen weitgehend unregulierten Bereich vorgefunden hätten. Dieser Hintergrund klingt in ErwG 5 MiCAR unverkennbar an. Zu dieser entstehungsgeschichtlichen Kausalkette treten zahlreiche Verbindungslinien zum Zahlungsverkehr in den Erwägungsgründen hinzu (insbesondere ErwG 2, 5 f., 12, 15, 18, 45, 62, 90, 93 MiCAR).

Die eigentliche Revolution für die Kryptowelt taucht aber erst im anschließenden Verordnungstext auf. Aus Sicht des Zahlungsverkehrsrechts stehen dabei zwei Unterkategorien der Kryptowerte im Fokus: die vermögenswertreferenzierten Token und die E-Geld-Token. Während E-Geld-Token stets als Zahlungstoken und Geld einzuordnen sind, kommt es bei vermögenswertreferenzierten Token jeweils auf ihre konkrete Zwecksetzung an. Diese Unterscheidung folgt insbesondere aus der Einordnung von E-Geld-Token als E-Geld i. S. d. Zweiten E-Geld-Richtlinie (E-Money Directive – EMD II, ABlEU vom 10.10.2009, L 267, 7) und damit zugleich als Geldbetrag i. S. d. PSD II. Damit liegt zudem Geld im Rechtssinne vor. Zum anderen folgt namentlich aus Art. 23 MiCAR, dass vermögenswertreferenzierte Token “gemeinhin als Tauschmittel verwendet werden” können, aber nicht müssen.

Der bankvertragsrechtliche Rechtsrahmen wird überdies für beide Formen von Kryptowerten unterschiedlich intensiv harmonisiert. Für E-Geld-Token folgt aus dem Verweis auf die EMD II und die Einordnung als E-Geld eine Anwendbarkeit der PSD II: E-Geld-Token sind E-Geld, E-Geld ist Geld i. S. d. PSD II. Damit findet das gesamte EU-Zahlungsdiensterecht genauso auf E-Geld-Token wie auf E-Geld Anwendung. Kryptowerte in Form von E-Geld-Token verabschieden sich daher vom im Bitcoin-Whitepaper noch omnipräsenten Gedanken der Disintermediation. Vielmehr werden sie verbucht und übertragen in einem geschäftsbesorgungsrechtlichen System, dessen Akteure durch ein strukturiertes Netz von bilateralen Verträgen verbunden sind. Geradezu spektakulär mutet an, dass solche Blockchain-Token infolge eines Zahlungsauftrags transferiert werden, für welchen es regelmäßig einer starken Kundenauthentifizierung bedürfen wird. Demgegenüber unterliegen vermögenswertreferenzierte Token nicht der PSD II, sondern über das Kollisionsrecht der Rom I-VO (ABlEU vom 4.7.2008, L 177, 6) den mitgliedstaatlichen Privatrechtsordnungen.

Damit zeigt sich, dass die MiCAR letztlich keine PSD III für Kryptowerte darstellt, weil sie für E-Geld-Token auf die PSD II verweist und für vermögenswertreferenzierte Token auf die mitgliedstaatlichen Rechtsordnungen. Ein in sich geschlossenes Zahlungsdiensterecht vergleichbar zur PSD II enthält die MiCAR – unabhängig von der formalen Bezeichnung – nicht. Aber sie stellt dennoch erstmals ein EU-Zahlungsverkehrsrecht für Kryptowerte auf. Auch wenn es noch fragmentarisch ist, hat es zweifelsfrei das Potential, weit über Europa hinaus einen neuen Marktstandard für die Kryptoregulierung und Kryptozahlungen zu setzen.

Prof. Dr. Sebastian Omlor ist Direktor des Instituts für das Recht der Digitalisierung an der Universität Marburg und Leiter des BMJ-Forschungsprojekts “Blockchain und Recht”.

 
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