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RIW 1998, 649
LANDRY, Klaus und HARINGS, Lothar 
LANDRY, Klaus und HARINGS, Lothar
Anmerkung

Kommentar zu OLG Nürnberg vom 22.05.1996 - 4 U 733/95
RIW 1998, 649 (Heft 8)
I. SachverhaltDas OLG Nürnberg hat mit der vorliegenden Entscheidung die Bundesrepublik Deutschland wegen Amtspflichtverletzung zur Leistung von Schadensersatz verurteilt. Der Bundesgerichtshof hat diese Verurteilung bestätigt. In seinem Beschluß vom 26. Februar 1998 (III ZR 187/96) nimmt er die dagegen gerichteten Revisionen nicht zur Entscheidung an, da die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung habe und die Revisionen im Ergebnis ohne Aussicht auf Erfolg seien.Ausgelöst wurde die Haftung der Bundesrepublik Deutschland dadurch, daß ein Zollbeamter die Lagerfrist für die Aufbewahrung eines für den Export bestimmten landwirtschaftlichen Produktes, deren Einhaltung Voraussetzung für die Gewährung einer Ausfuhrerstattung war, auf dem entsprechenden Lagerschein falsch eingetragen hatte. Die Lagerfrist beträgt grundsätzlich gemäß Art. 11 Abs. 2 der Verordnung (EWG) Nr. 798/80 sechs Monate, beginnend mit dem Tag, an dem die Zahlungserklärung (vgl. Art. 25 der Verordnung (EWG) Nr. 3665/87) angenommen wurde. Abweichend von dieser Vorschrift endet die Frist nach der in diesem Fall anwendbaren Verordnung (EWG) Nr. 1214/80 jedoch, wenn für die Ausfuhr eine Lizenz erforderlich ist oder eine Vorausfestsetzungsbescheinigung vorgelegt wird, mit Ablauf der Gültigkeit dieser Lizenz oder Bescheinigung (dazu Schrömbges, ZfZ 1998, 110 f.). Dies hatte der zuständige Zollbeamte bei Eintragung der Lagerfrist nicht berücksichtigt und auf Anfrage des ausführenden Unternehmen diesem die fälschlich eingetragene Frist weitergegeben. Das Unternehmen vertraute auf diese Eintragung und schöpfte die eingetragene Lagerfrist voll aus. Es erhielt die beantragte Ausfuhrerstattung von ca. DM 1,5 Mio. zunächst ausgezahlt, wurde jedoch bald darauf zur Rückzahlung wegen Überschreitens der Lagerfrist aufgefordert. Der gegen den Rückzahlungsbescheid erhobene Einspruch und die sich anschließende Klage vor dem Finanzgericht blieben ohne Erfolg. Der Bundesfinanzhof entschied in letzter Instanz, daß eine durch europäisches Recht vorgegebene Frist nicht zur Disposition der nationalen Behörden stehe, mithin sich die Lagerfrist allein nach den einschlägigen Vorschriften berechne und sich durch eine falsche Eintragung auf dem Lagerschein nicht verlängere; im übrigen verlange der Europäische Gerichtshof von Marktteilnehmern, daß sie die für ihr Verhalten maßgeblichen Rechtsvorschriften des Europäischen Rechts kennen müßten. Im Ergebnis bestätigte der BFH somit die Rechtmäßigkeit der Rückforderung der vorfinanzierten Ausfuhrerstattung. Mit dieser Niederlage im finanzgerichtlichen Verfahren gab sich die Klägerin des Ausgangsverfahrens jedoch nicht zufrieden, sondern verklagte nunmehr - dem Grunde nach erfolgreich - den Bund wegen schuldhafter Amtspflichtverletzung seiner Zollbeamten zu Schadensersatz.II. Bisherige RechtsprechungEntgegen der Auffassung des BGH, der die grundsätzliche Bedeutung dieses Urteils lakonisch in Abrede stellt, markiert die Entscheidung wenn nicht einen Wandel in der Rechtsprechung, so doch eine begrüßenswerte und überfällige Klarstellung, daß drittschützende Normen auch im Zollrecht vorliegen können. Das Vorliegen einer einem Dritten gegenüber obliegenden Amtspflicht wurde bislang häufig mit der Begründung abgelehnt, daß die Beamten allein im öffentlichen Interesse tätig würden; die Erhebung von Zöllen und Abgaben diene allein den Interessen der Allgemeinheit. Ausgangspunkt dieser Auffassung ist die unzutreffende Deutung eines Urteils des BGH aus dem Jahre 1975 (NJW 1976, 103), mit dem sich das OLG Nürnberg ebenfalls auseinandersetzt. Der BGH hatte darin - was vielfach übersehen wurde - eine drittgerichtete Amtspflicht der Zollbeamten gegenüber dem Einführer, die eingeführte Ware richtig zu tarifieren, grundsätzlich anerkannt. Er beschränkte jedoch den Schutzzweck der Amtspflicht in sachlicher Hinsicht auf die konkret eingeführte Ware und nahm zukünftige Lieferungen davon aus. Angesichts der Möglichkeit eines Marktbeteiligten, verbindliche Zolltarifauskünfte in einem eigens dafür vorgesehenen Verfahren einzuholen (vgl. nunmehr Art. 12 ZK), bestehe auch kein schutzwürdiges Bedürfnis der Einführer für einen weitergehenden Vertrauensschutz.Drittgerichtete Amtspflichten erkennt der BGH auch für das Sammelzollverfahren in einer neueren Entscheidung aus dem Jahre 1995 (NVwZ 1996, 512) an. Er sieht eine Amtspflichtverletzung der zuständigen Zollbeamten darin, daß sie einen Importeur nicht auf die Nichtzahlung seiner eigenen Steuerschuld durch die damit beauftragte Spedition hinwiesen, obwohl im konkreten Fall erkennbar gewichtige Verdachtsmomente dafür vorlagen, daß die Spedition die ihr im voraus entrichtete Einfuhrumsatzsteuer nicht weitergeleitet habe. In Unkenntnis der Zahlungsschwierigkeiten der Spedition hatte der Importeur dieser einen weiteren Scheck zur Begleichung seiner Steuerschuld zugesandt, der von ihr zweckwidrig verwendet wurde. Den dadurch entstandenen Schaden mußte die Zollbehörde ersetzen.III. Beurteilung der aktuellen RechtsprechungIn die Reihe dieser Urteile fügt sich das Urteil des OLG Nürnberg ein. Es spricht den Vermerken der Zollbeamten Außenwirkung zu: »Die Eintragung der Frist diente auch der Information des Antragstellers und damit der Klägerin. Angesichts der - wie der vorliegende Fall zeigt - entscheidenden, für die Erlangung von Millionenbeträgen maßgeblichen Bedeutung, die die Einhaltung der Lagerfrist für den Antragsteller hat, muß davon ausgegangen werden, daß es zum Inhalt der dem insoweit zuständigen Beamten gegenüber dem jeweiligen Antragsteller obliegenden Amtspflicht gehört, die Lagerfrist richtig, das heißt entsprechend den für den konkreten Fall anwendbaren Bestimmungen einzutragen.« Damit nähert sich die Rechtsprechung zur Staatshaftung in Zollsachen den allgemeinen Grundsätzen des Staatshaftungsrechtes hinsichtlich Auskünften an, die das OLG in seinem Urteil ausdrücklich wiederholt: »Erteilt ein Beamter auf Anfrage eine Auskunft, so muß diese dem Stand seiner Erkenntnismöglichkeit entsprechend vollständig, richtig und unmißverständlich sein, so daß der Empfänger der Auskunft entsprechend disponieren kann.« Die grundsätzlich bestehende Haftung des Bundes für das Fehlverhalten seiner Zollbeamten wird lediglich unter dem Gesichtspunkt des Mitverschuldens der Klägerin einge-schränkt. Ausgehend von dem anerkannten Grundsatz, daß ein Bürger im allgemeinen auf Erklärungen eines Beamten vertrauen darf und von ihm keine größere Sachkunde als von dem mit der Sache betrauten Beamten verlangt werden kann, führt das OLG aus, daß der Klägerin als im Exportgeschäft tätiges Unternehmen bei Anwendung der gebotenen Sorgfalt zwar Zweifel an der falsch berechneten Lagerfrist hätten kommen müssen. Zu Recht lehnt das Gericht es jedoch ab, dem Unternehmen das alleinige Risiko einer falschen Fristberechnung aufzubürden: »Zwar sind auch nach Auffassung des Senats an den Marktteilnehmer insoweit hinsichtlich der Kenntnis der nach dem Gemeinschaftsrecht zu beachtenden Voraussetzungen höhere Anforderungen zu stellen, als etwa bei einem normalen Bürger hinsichtlich des Baurechts. Diese Steigerung der Sorgfaltspflicht geht jedoch nicht soweit, daß daraus grundsätzlich eine alleinige, überwiegende oder auch nur zwingend gleichwertige Verantwortlichkeit des Marktteilnehmers auch bei unrichtigen Angaben der zuständigen Behörden zu den einzuhaltenden Voraussetzungen hergeleitet werden könnte.« Die Hauptverantwortlichkeit für unrichtige Auskünfte und deren Folgen treffe, auch wenn es um Fragen des Gemeinschaftsrechts gehe, aufgrund des durch die Erteilung einer Auskunft in Anspruch genommenen Vertrauens den jeweils auskunftserteilenden Beamten. Diese - nunmehr höchstrichterlich bestätigte Rechtsprechung - führt zu einer gerechteren Risikoverteilung im Zoll- und Ausfuhrerstattungsrecht, das für die in diesem Bereich tätigen Unternehmen ohnehin mit vielerlei - nicht in ihrer Hand liegenden - Risiken und Unwägbarkeiten verbunden ist. Es bewirkt darüber hinaus eine kohärentere Rechtsprechung im bereichsspezifisch gefächerten Amtshaftungsrecht. Zudem wird der restriktiven Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes und - diesem folgend - der Finanzgerichte entgegengetreten, die im finanzgerichtlichen Verfahren den Unternehmen keinen Vertrauensschutz gewähren.

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