OLG Köln
Anwendbarkeit des Einheitlichen Kaufgesetzes
OLG Köln, Entscheidung vom 16. Oktober 1992 - 19 U 118/92;
OLG Köln
vom 16.10.1992
- 19 U 118/92
RIW
1993, 143
(Heft 2)
Sachverhalt:Die Beklagte, eine Aktiengesellschaft französischen Rechts, stand seit 1986 in Geschäftsbeziehungen zur Fa. L., von der sie in regelmäßigen Abständen Hard- und Software bezog. Am 3. 6. 1988 änderte die L. ihren Firmennamen in I. GmbH, seit dem 15. 7. 1988 befindet sie sich in Liquidation. Zu dieser Zeit standen der Beklagten, wie später in einem Rechtsstreit vor dem Landgericht Köln festgestellt wurde (90 O 57/90), aus früheren Warenlieferungen der L. Minderungsansprüche zu, über die das Landgericht in Höhe von 7809 DM zugunsten der Beklagten rechtskräftig entschieden hat. Die Klägerin, eine Schwesterfirma der L./I., die bis zu deren Liquidation die Geschäftsräume, das Telefon und den Telexanschluß der L./I. mitbenutzte, macht mit der vorliegenden Klage den Kaufpreis für insgesamt acht Warenlieferungen geltend. Die Lieferscheine und Rechnungen enthielten jeweils den Namen der Klägerin.Die Klägerin, die der Auffassung ist, daß sich die Rechtsbeziehungen der Parteien nach dem Einheitlichen Gesetz über den internationalen Kauf beweglicher Sachen (EKG) vom 17. 7. 1973 richten, hat behauptet, sämtliche Bestellungen der Beklagten seien an sie gerichtet gewesen. Die Beklagte hat vorgetragen, sie habe in Unkenntnis von deren Liquidation ihre Bestellungen ausschließlich an die L./I. gerichtet; entsprechend hat sie mit ihren Minderungsansprüchen die Aufrechnung gegenüber der Kaufpreisforderung aus den Warenlieferungen erklärt. Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Es hat seiner Entscheidung die Regeln des EKG und des EAG (Einheitliches Gesetz über den Abschluß von internationalen Kaufverträgen vom 17. 7. 1973) zugrunde gelegt. Die Berufung der Klägerin hatte Erfolg.Aus den Gründen (zu Leitsatz 1):»I. Das angefochtene Urteil war abzuändern und der Klage stattzugeben. Denn die Klägerin hat gegenüber der Beklagten einen der Höhe nach unstreitigen Anspruch auf Zahlung der gelieferten Ware, wobei nach dem insoweit anwendbaren deutschen materiellen Recht der Anspruch jedenfalls aus § 812 BGB folgt.II. Entgegen der Ansicht der Klägerin und den Ausführungen in der landgerichtlichen Entscheidung beurteilt sich die Rechtslage nicht nach dem 'Einheitlichen Gesetz über den internationalen Kauf beweglicher Sachen' vom 17. 7. 1973 (EKG) und dem 'Einheitlichen Gesetz über den Abschluß von internationalen Kaufverträgen' vom 17. 7. 1973 (EAG), sondern nach deutschem Recht.Der Anwendbarkeit steht allerdings nicht entgegen, daß das EKG mittlerweile mit Wirkung vom 1. 1. 1991 durch das UNCITRAL-Abkommen abgelöst worden ist. Denn nach Art. 5 Abs. 2 des Gesetzes zur Ratifizierung des UNCITRAL-Abkommens (5. 7. 1989) ist das EKG auf solche Verträge weiterhin anzuwenden, die vor dem 1. 1. 1991 - dem Tag, an dem das UNCITRAL-Abkommen für die Bundesrepublik Deutschland in Kraft getreten ist - geschlossen worden sind.Art. 5 Abs. 2 des Gesetzes zur Ratifizierung des UNCITRAL-Abkommens ist jedoch im Zusammenhang zu lesen mit Art. III des Einführungsübereinkommens zum EKG vom 1. 7. 1964. Nach dieser Vorschrift konnte jeder Vertragsstaat die Anwendbarkeit des EKG auf solche Fälle beschränken, in denen jede Vertragspartei einem Mitgliedstaat angehört, und von diesem Vorbehalt hat die Bundesrepublik Deutschland bei Ratifizierung des EKG Gebrauch gemacht. Diese Einschränkung kommt hier zum Tragen, denn im Gegensatz zu Deutschland war Frankreich, wo die Beklagte ihre Niederlassung hat, zu keiner Zeit Vertragsstaat des EKG.Soweit die Klägerin der Ansicht ist, daß die herrschende Lehre in Deutschland das EKG und das EAG auch dann anwendet, wenn nur eine Vertragspartei einem Mitgliedstaat angehört, sofern nach den Regeln des allgemeinen Kollisionsrechts das nationale Recht jenes Mitgliedstaates berufen wird, ist dies unzutreffend. Entsprechende Ausführungen finden sich zwar bei Kegel, Internationales Privatrecht, 6. Aufl., 1987, S. 445. Die von ihm zitierte Rechtsprechung (BGH NJW 1981, 1156, 11571BGH, RIW/AWD 1981 S. 337.; OLG Hamm NJW 1984, 13072OLG Hamm, RIW 1983 S. 952.; BGHZ 96 - nicht 94 -, 313, 322 f.3BGH, RIW 1986 S. 214.) betrifft jedoch Fälle, in denen zwar das EKG als nationales Recht behandelt und damit angewendet wurde, in denen jedoch auch die jeweils andere Seite aus einem Vertragsstaat kam; in BGH NJW 1981, 1156, 11571BGH, RIW/AWD 1981 S. 337. und BGHZ 96, 313, 316 f.3BGH, RIW 1986 S. 214. wird sogar ausdrücklich das Erfordernis betont, daß beide Parteien einem Vertragsstaat angehören müssen. (Auch Dölle, Kommentar zum Einheitlichen Kaufrecht, 1976, Rdn. 8 zu Art. 2, betont im Gegensatz zur Ansicht der Klägerin ausdrücklich, daß dann, wenn der Vertragspartner keinem Vertragsstaat angehört und das somit maßgebende allgemeine Kollisionsrecht auf deutsches Recht verweist, dessen unvereinheitlich-tes Recht - also BGB und HGB - und nicht etwa das EKG anzuwenden ist; vgl. ferner Reithmann/Martiny, Internationales Kaufrecht, 4. Aufl., S. 374 f. und Soergel-Lüderitz, Einl. zum EKG, Rdn. 5 sowie Art. 1 EKG, Rdn. 6, die ebenfalls für die Anwendung von EKG und EAG ohne Einschränkung verlangen, daß beide Vertragspartner Angehörige von Vertragsstaaten sein - bzw. als juristische Personen dort ihre Niederlassung haben - müssen.)Der Senat schließt sich dieser herrschenden Meinung an, zumal die Rechtsauffassung der Klägerin auch zu Ungereimtheiten führen würde. Denn es ist nicht einzusehen, daß dann, wenn internationale Abkommen nach ihrem Wortlaut unter Berücksichtigung des vorgesehenen Vorbehalts eines Mitgliedstaates nicht anwendbar sind, sie doch auf dem Umweg über das nationale IPR anwendbar sein sollen; denn üblicherweise haben internationale Abkommen gerade Vorrang vor den nationalstaatlichen Kollisionsnormen, also auch in der Frage ihrer Anwendbarkeit bzw. Nichtanwendbarkeit. Die Wirkung des Vorbehalts wäre zudem erheblich eingeschränkt, nämlich auf solche Fälle, in denen das nach allgemeinen IPR-Regeln anwendbare Recht das Recht eines Nichtmitgliedstaates ist.Ist hiernach festzuhalten, daß das EKG und somit auch das EAG keine Anwendung finden, weil zwar die deutsche Klägerin, nicht aber die französische Beklagte ihre Niederlassung in einem Vertragsstaat hat, und bestimmt sich das anwendbare Recht somit nach den allgemeinen Vorschriften, so führen diese zur Maßgeblichkeit deutschen Rechts. Denn der hypothetische Parteiwille beruft deutsches Recht als das Recht des Vertragsstaates, in dem die Verkäuferin - die Klägerin - als diejenige Partei, welche die vertragstypische Leistung erbringt, ihre Niederlassung hat.Es kommt hier auf den hypothetischen Parteiwillen (Art. 28 EGBGB) an. Denn die Grundregel des deutschen Kollisionsrechts (Art. 27 EGBGB), wonach das Statut für schuldrechtliche Verträge sich in erster Linie nach dem 'realen' (ausdrücklichen oder stillschweigenden) Parteiwillen richtet, greift hier nicht ein, da eine entsprechende Parteivereinbarung nicht vorliegt. Zwar hat die Klägerin in der Klageschrift vorgetragen, daß die Parteien schon seit Anfang Oktober 1986 Vertragsbeziehungen unterhalten und damals für alle Verträge die Anwendbarkeit deutschen Rechts vereinbart hätten. Diese langjährige Geschäftsbeziehung ist jedoch von der Beklagten substantiiert bestritten und von der Klägerin nicht mehr aufgegriffen worden. Im übrigen lag bei Abfassung der Klageschrift beim Klägervertreter offenbar eine Verwechslung der Klägerin mit der L./I. vor, so daß davon auszugehen ist, daß die langjährige Geschäftsbeziehung und damit auch die behauptete Vereinbarung des anwendbaren Rechts nur hinsichtlich der L./I., nicht aber hinsichtlich der Klägerin vorgelegen hat.Sind mithin mangels ausdrücklichen Parteiwillens die Regeln über den hypothetischen Parteiwillen maßgebend, so führt dies zur Anwendbarkeit deutschen Vertragsrechts. Denn nach Art. 28 Abs. 1 Satz 1 EGBGB ist bei Schuldverträgen dasjenige Recht anzuwenden, zu dem die engsten Verbindungen bestehen, und dies ist nach Art. 28 Abs. 2 Satz 2 EGBGB im Zweifel das Recht am Sitz der Hauptniederlassung derjenigen Partei, welche die vertragstypische Leistung erbringt, beim Kaufvertrag also das Recht der Verkäuferseite; denn 'vertragstypisch' ist nicht die Zahlungsverpflichtung, da sie zu jedem entgeltlichen Vertragstypus gehört.Diese Regeln müssen auch hier eingreifen. Denn es handelte sich um eine normale Lieferung von Waren aus Deutschland nach Frankreich, und irgendwelche besonderen Umstände, die ausnahmsweise eine engere Beziehung zu Frankreich beinhalten könnten (Art. 28 Abs. 5 EGBGB), sind nicht ersichtlich.«
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