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RIW 2003, 98
Leube, Peter Hans 
Leube, Peter Hans
Corporate Governance the American way?

RIW 2003, 98 (Heft 2)
I. EinleitungCorporate Governance hat Hochkonjunktur1Claussen/Bröcker, AG 2000, 481. Bereits im Juli 2002 trat der Sorbanes-Oxley-Act in Kraft, durch den für Unternehmen, deren Aktien an einer US-amerikanischen Börse zugelassen sind, u. a. gesetzliche Mindestanforderungen an die Arbeit und den Aufgabenzuschnitt des Prüfungsausschusses des Board of Directors und an die persönlichen und fachlichen Voraussetzungen für dessen Mitglieder eingeführt wurden (vgl. dazu unten Fn. 11, 17 und 49)., besonders in Zeiten, in denen es in den Kapitalmärkten krieselt. Die New York Stock Exchange (NYSE) hat nun auf die anhaltende Börsenschwäche reagiert: Anfang August 2002 sind Vorschläge für verschärfte Zulassungsbestimmungen (Listed Company Manual) für die dort gelisteten Unternehmen verabschiedet und an die US-amerikanische Wertpapieraufsichtsbehörde Securities and Exchange Commission (SEC) zur Billigung weitergeleitet worden2Die Neufassung der Zulassungsbestimmungen soll als Abschnitt 303A des Listed Company Manual eingefügt werden. Text der Neufassung der Zulassungsbestimmungen (Stand 16. 8. 2002) sowie Kommentierung der Neufassung: http://www.nyse.com/abouthome.html?query=/about/report.html.. Die Änderungen der Zulassungsbestimmungen zielen insbesondere3Daneben werden Emittenten durch die Neufassung der Zulassungsbestimmungen künftig zur Aufstellung und Veröffentlichung interner Corporate-Governance-Richtlinien sowie Wohlverhaltensrichtlinien (Code of Business Conduct and Ethics) für Management und Mitarbeiter verpflichtet. Ohne Relevanz für deutsche Emittenten ist auf Grund der bereits bestehenden Zuständigkeit der Hauptversammlung für Aktienoptionspläne im Wege einer bedingten Kapitalerhöhung gemäß § 192 Abs. 2 Nr. 3 AktG, dass die NYSE nunmehr für die Aufstellung und für Änderungen der meisten Aktienoptionspläne eine Beschlussfassung der Hauptversammlung verlangt. Dagegen wird die am 7. 10. 2002 von der SEC gebilligte Einschränkung der Stimmabgabe für depotverwahrte Aktien durch die verwahrende Bank nicht ohne Auswirkungen auch auf Deutschland bleiben: Eine Stimmvollmacht in Bezug auf Aktienoptionspläne ohne eindeutige Anweisung zur Stimmabgabe durch den Aktionär ist zukünftig unzulässig. auf eine Verschärfung der Corporate-Governance-Standards4Zur Definition von Corporate Governance siehe Schneider, DB 2000, 2413. für börsennotierte Unternehmen. Durch strikte Anforderungen an eine transparente und unabhängige, dem shareholder value verpflichtete unternehmensinterne Kontrolle durch das Board of Directors will die NYSE ihr Image als seriöser Finanzplatz stärken und schwindendes Investorenvertrauen zurückgewinnen. Die Änderungen im Reglement der wichtigsten New Yorker Börse stellen auch eine Reaktion auf die gehäuften Bilanzierungsskandale US-amerikanischer Emittenten dar, die in vielen Fällen dem Nichtfunktionieren der Kontrolle durch das Board of Directors angelastet werden5Loomis, New Stock Exchange Rules Aim To Ensure Independence, New York Law Journal vom 8. 8. 2002, Vol. 228, No. 26..Wegen ihrer erheblichen Einwirkungen auf die Funktionsmechanismen innerhalb der Unternehmensführung6Loomis, New York Law Journal vom 8. 8. 2002, Vol. 228, No. 26: »[T]he rules could force the most dramatic changes to corporate governance in decades.« I.E. wird durch die - auch zahlenmäßig erhebliche - Stärkung der Position der unabhängigen Mitglieder des Board of Directors grundsätzlich eine Trennung innerhalb des Board of Directors erreicht, die den unabhängigen Directors eine deutlich gesteigerte Zuständigkeit für die Unternehmenskontrolle zuweist (siehe unten II.1.) und damit eine Situation an der Unternehmensspitze erzeugt, die dem zweigliedrigen System deutscher Aktiengesellschaften - Unternehmensleitung durch den Vorstand einerseits, Unternehmenskontrolle duch den Aufsichsrat andererseits - nicht unähnlich ist; vgl. Lück, DB 1999, 441, der diese dualistische Board-Struktur bereits wegen der ausschließlichen Besetzung des Audit Committee mit unabhängigen Directors verwirklicht sieht. zwingen die Änderungen der Zulassungsbestimmungen nicht nur börsennotierte Unternehmen in den USA zu tief greifenden Umstellungen an der Unternehmensspitze. Auch deutsche Emittenten, deren Aktien an der NYSE notiert und gehandelt werden, sehen sich mit der Frage konfrontiert, in welchem Maße die geänderten Zulassungsbestimmungen der New Yorker Börse Auswirkungen auf die personelle Zusammensetzung und die Arbeitsweise des Kontrollorgans Aufsichtsrat haben werden. Zwar ist das Board of Directors nur bedingt mit dem Aufsichtsrat deutscher Aktiengesellschaften vergleichbar; denn anders als beim Aufsichtsrat beschränkt sich die dem Board of Directors zugewiesene Funktion nicht auf die Kontrolle und Überwachung der Unternehmensführung. Vielmehr handelt es sich bei dem Board of Directors um das zentrale Management- und Verwaltungsorgan, das die Kompetenzen von Vorstand und Aufsichtsrat, also Geschäftsführung und Überwachung, in sich vereint7Die tatsächliche Leitung des Unternehmens, insbesondere so weit sie das Tagesgeschäft anbetrifft, erfolgt jedoch maßgeblich durch den Chief Executive Officer (CEO), vgl. von Hein, RIW 2002, 501, 502.. Auf Grund dieser nur zum Teil bestehenden Vergleichbarkeit zwischen dem Aufsichtsrat einer deutschen Aktiengesellschaft und dem Board of Directors sind deutsche Emittenten wie bislang von der Umsetzung der neuen Corporate-Governance-Regeln der NYSE befreit, so weit nach deutschemRecht diesbezüglich weniger strenge Anforderungen oder abweichende gesetzliche Vorschriften gelten. Jede Nichterfüllung der Vorgaben muss jedoch im Jahresabschluss oder auf der Internet-Seite des Unternehmens veröffentlicht werden. Diese Veröffentlichungspflicht ist grundsätzlich vergleichbar mit der durch das Transparenz- und Publizitätsgesetz eingeführten Verplichtung des § 161 AktG zu veröffentlichen, in welchem Umfang den Empfehlungen des Deutschen Corporate Governance Kodex (DCGK) entsprochen wird8Wie auch bei der entsprechenden Verpflichtungen der Zulassungsbestimmungen der NYSE besteht im Zusammenhang mit der Entsprechenserklärung keine Pflicht, etwaige Abweichungen von den Empfehlungen des DCGK zu begründen, Seibert,BB 2002, 581, 583. Hinsichtlich der nach § 161 AktG erforderlichen Entsprechenserklärung siehe Seibt,AG 2002, 249, 251 ff., sowie Schüppen, ZIP 2002, 1269, 1271 ff. Ergänzend zu der Verpflichtung des § 161 AktG ist gemäß §§ 285 Nr. 16, 314 Abs. 1 Nr. 8 HGB die Abgabe der Entsprechenserklärung im Anhang zum Jahres- bzw. Konzemabschluss zu bestätigen; gemäß § 325 Abs. 1 S. 1 HGB ist zudem die Entsprechenserklärung zum Handelsregister einzureichen.. Da US-Investoren durch die Bilanzierungsskandale der letzten Monate für transparente Unternehmensführung und -überwachung sensibilisiert sind und besonders institutionelle Anleger wie Pension Funds auf das Vorhandensein hoher Corporate-Governance-Standards bei ihren Investments achten9Siehe dazu die Studien von California Public Employees Retirement System CalPERS und McKinsey, erläutert bei Schneider, DB 2000, 2413, 2415., werden auch deutsche Emittenten, die auf ein verstärktes Investment von Anlegern aus den USA hoffen, sich daher zu einer möglichst weitgehenden Umsetzung der Richtlinien der NYSE gezwungen sehen10Vgl. Wolf, ZRP 2002, 59, 60, mit Bezug auf den faktischen Zwang zur Umsetzung der Vorgaben des DCGK auf Grund der Informationspflicht gemäß § 161 AktG. Ebenso Seibert, BB 2002, 581, 584..Nach einer kurzen Darstellung der wesentlichen Elemente der geänderten Zulassungsbestimmungen der NYSE soll nachfolgend geklärt werden, inwieweit das deutsche Aktienrecht eine Umsetzung der beschriebenen Elemente der Zulassungsbestimmungen zulässt bzw. die damit verfolgte Zielsetzung sich durch bestehende Instrumentarien des Aktienrechts und des DCGK verwirklichen lassen. Daran anschließend soll eine kurze Bewertung der vorgeschlagenen Änderungen im Corporate-Governance-Reglement erfolgen.II. Die Neufassung der Zulassungsbestimmungen der NYSE im EinzelnenDie New Yorker Börse beabsichtigt, mit der Neufassung der Corporate-Governance-Vorschriften innerhalb der Zulassungsbestimmungen Interessenkonflikte bei Mitgliedern des Board präventiv zu verhindern und damit die Kontrolleffizienz des Gremiums zu erhöhen. Dementsprechend enthält die Neufassung zwei zentrale Elemente:- Die unabhängigen Directors sollen eine stärkere Position innerhalb des Board of Directors und seiner zentralen Ausschüsse erhalten, um dadurch sensible Managementbereiche besser überwachen zu können.- Gleichzeitig werden die Anforderungen an die Unabhängigkeit der Mitglieder des Board of Directors verschärft.1. Stärkung der Position der unabhängigen DirectorsWährend bislang die Zulassungsbestimmungen der New Yorker Börse nur für jene der drei Directors eines Emittenten eine ausreichende Unabhängigkeit vorschrieben, die auch im Prüfungs- und Bilanzausschuss (Audit Committee) des Board vertreten waren11Auf Grund der durch den Sorbanes-Oxley Act eingeführten Änderungen werden zukünftig Emittenten, deren Aktien an einer US-amerikanischen Börse zum Handel zugelassen sind, zur Bildung eines Audit Committee, in dem ausschließlich unabhängige Mitglieder vertreten sind, gesetzlich verpflichtet. Ausführungsbestimmungen dazu durch die SEC werden bis zum 26. 4. 2003 erwartet., darf zukünftig die Mehrzahl der Mitglieder des Gremiums keine wesentlichen Verbindungen zum Emittenten besitzen, die eine unabhängige Kontrolle beeinträchtigen könnten12Sofern die Ausübung der Stimmrechte aus den Aktien eines Emittenten zu mehr als 50% von einer Person oder Gruppe kontrolliert wird, ist ein Emittent von dieser Verpflichtung allerdings befreit, vgl. die Erläuterungen zu Listed Company Manual 303A - 1. Gleiches gilt für die das Compensation Committee und das Nomination Committee betreffenden Besetzungsvorschriften.. Die Fähigkeit des Board zur effektiven Kontrolle der Unternehmensleitung soll zudem dadurch gestärkt werden, dass regelmäßig Board-Sitzungen unter Ausschluss solcher Directors, die nicht als unabhängig gelten, insbesondere weil sie Mitarbeiter des Unternehmens sind, stattzufinden haben (sog. non-management meetings).Gleichzeitig wird die alleinige Entscheidungs- und Kontrollzuständigkeit in Bezug auf sensible Bereiche der Unternehmensführung und -kontrolle dem Gesamtgremium entzogen und stattdessen Ausschüssen übertragen, in die ebenfalls nur unabhängige Directors entsandt werden dürfen. Wesentliche Entscheidungen, die die Nominierung von Mitgliedern des Board sowie die Aufstellung von Corporate-Governance-Grundsätzen betreffen, sollen künftig letztverbindlich im Nomination Committee13Freigestellt bleibt jedoch, ob durch das Nomination Committee lediglich Vorschläge für die Nominierung zukünftiger Mitglieder des Board unterbreitet werden sollen oder die Auswahl selbst vorgenommen werden soll. Bislang enthielten die Zulassungsbestimmungen keine Verpflichtung zur Einrichtung eines Nomination Committee., Entscheidungen für die Erstellung von Richtlinien für die Entlohnung des Unternehmensmanagement im Compensation Committee getroffen werden. Die Änderungsvorschläge sehen zudem eine Stärkung der Zuständigkeit des Audit Committee vor, dem künftig die Mandatierung und Überwachung der Abschlussprüfer sowie die Aufgaben übertragen werden, das Board of Directors bei der Prüfung der Finanzangaben sowie bei der Überwachung der internen Revision und des internen Risk Assessment & Management zu unterstützen. Eine Einflussnahme von Direktoren, deren uneingeschränkte Objektivität auf Grund bestehender direkter oder indirekter Verbindungen zum Emittenten zweifelhaft erscheinen mag, ist damit hinsichtlich der von diesen Ausschüssen übernommenen Aufgaben der Board-Funktion und auch mit Hinblick auf die Kontrolltätigkeit des Gesamtorgans ausgeschlossen.2. Verschärfung der Anforderungen an die Unabhängigkeit eines DirectorBislang enthielten die Zulassungsbestimmungen der NYSE grundsätzlich nur generalklauselartige Umschreibungen, wann ein Director nicht mehr als unabhängig einzustufen ist14Bislang war die Einstufung eines Director als unabhängig für den Fall ausgeschlossen, dass eine objektive Wahrnehmung der Aufgaben als Boardmitglied wegen bestehender Verbindungen zum Emittenten nicht mehr gewährleistet schien.. Die Änderungen definieren dagegen erstmalig Ausschlusstatbestände, bei deren Erfüllung eine Einstufung des jeweiligen Mitglieds des Managementorgans per se als unabhängig ausgeschlossen ist: Nicht als unabhängig gilt demnach, wer innerhalb der letzten fünf Jahre vor Beginn der Tätigkeit im Board für den Emittenten oder für dessen aktuellen oder früheren Abschlussprüfer (oder den eines verbun-denen Unternehmens) tätig war oder während dieser Zeit für ein anderes Unternehmen gearbeitet hat, in dessen Compensation Committee ein Mitglied der Führungsebene des Emittenten mitwirkt15Nach dem bislang geltenden Reglement galt ein Director nicht als unabhängig, sofern er innerhalb der letzten drei Jahre vor Beginn der Tätigkeit im Audit Committee für den Emittenten oder für ein verbundenes Unternehmen des Emittenten tätig war; das Board of Directors konnte jedoch durch Beschluss Abweichungen für den jeweiligen Einzelfall zulassen.. Sofern Familienangehörige diese Voraussetzungen erfüllen, ist eine Einstufung als unabhängig gleichfalls ausgeschlossen.Um jede Verflechtung von Emittent und Director, wie z. B. das Halten größerer Beteiligungen am Emittenten16Grundsätzlich scheint die NYSE eine Beteiligung eines Directors am Emittenten nicht als einen Umstand anzusehen, der die Unabhängigkeit eines Director beeinträchtigt, solange auf Grund der Beteiligung keine Möglichkeit für den Director besteht, auf die Unternehmensführung kontrollierend einzuwirken, vgl. die Erläuterungen zu Listed Company Manual 303A - 2.(a) sowie S. 8 der Veröffentlichung des New York Stock Exchange Corporate Accountability and Listing Standards Committee vom 6. 6. 2002. Eine Entsendung von Aufsichtsratsmitgliedern der Anteilseigner auf Grund satzungsgemäß eingeräumter Besetzungsrechte gemäß § 101 Abs. 2 AktG dürfte daher nicht automatisch dazu führen, dass diese Mitglieder des Aufsichtsrats nicht als unabhängig gelten., und deren mögliche Auswirkung auf die objektive Wahrnehmung der Kontrollaufgabe bewerten zu können, soll zukünftig die Unabhängigkeit eines jeden Director durch ein Board-Votum explizit festgestellt werden. Weiterhin werden die geltenden Kriterien für die Unabhängigkeit der Mitglieder des Audit Committee verschärft, so dass unabhängige Directors, die im Audit Committee vertreten sind, zukünftig keine Bezahlung zusätzlich zu den Bezügen als Mitglied des Board erhalten können. Für den Fall einer direkten oder indirekten Beteiligung am Emittenten von 20% oder mehr sind Directors, selbst wenn ihre Unabhängigkeit durch ein Board-Votum zuvor festgestellt wurde, vom Vorsitz im Audit Committee und dem Stimmrecht in diesem Ausschuss ausgeschlossen17Gleichzeitig soll in Zukunft ausreichender bilanzrechtlicher Sachverstand innerhalb des Audit Committe dadurch gewährleistet werden, dass der bzw. die Vorsitzende des Ausschusses auf entsprechende berufliche Erfahrung verweisen kann. Auch durch den Sorbanes-Oxley Act wird der Druck auf Emittenten erhöht, die Effizienz der Überwachungs- und Prüfungsaufgabe des Audit Committee durch die Berufung von Ausschussmitgliedern mit entsprechender bilanzrechtlicher Fachkenntnis und -erfahrung (sog. financial experts) zu steigern, da Emittenten verpflichtet werden sollen, zukünftig die Namen der im Audit Committee vertretenen financial experts im Jahresabschluss zu veröffentlichen..III. Umsetzung der Corporate-Governance-Vorschriften bei deutschen EmittentenDa jede Abweichung von den Corporate-Governance-Bestimmungen der New Yorker Börse veröffentlicht werden muss18Eine Pflicht, etwaige Abweichungen zu begründen, besteht zwar grundsätzlich nicht (vgl. oben Fn. 8), kann jedoch im Einzelfall auf Grund der Pflicht zur ordnungsgemäßen Geschäftsleitung entstehen, um einen anderenfalls zu befürchtenden Schaden für die Gesellschaft abzuwenden, vgl. Seibt, AG 2002, 249, 252., stellt sich für deutsche Emittenten, deren Aktien an der NYSE notiert sind, die entscheidende Frage, ob es nach deutschem Recht möglich ist,- den Aufsichtsrat als das Kontrollorgan einer deutschen Aktiengesellschaft mit mehrheitlich unabhängigen Mitgliedern zu besetzen und- Ausschüssen des Aufsichtsrats, in denen ausschließlich unabhängige Mitglieder vertreten sein dürfen, wesentliche Entscheidungskompetenzen zuzuweisen.1. Beschränkung der Besetzungsmöglichkeit beim mitbestimmten AufsichtsratGrundsätzlich obliegt die Auswahl der Mitglieder des Aufsichtsrats gemäß § 101 AktG den Anteilseignern. Die Möglichkeit der Aktionäre, über die personelle Besetzung des Aufsichtsrats zu entscheiden, ist jedoch zum einen durch §§ 100 Abs. 2, 105 Abs. 1 AktG beschränkt; Konflikte im Hinblick auf die Anforderungen der NYSE an die Unabhängigkeit der Mitglieder des Kontrollorgans entstehen durch diese Besetzungsverbote jedoch in keiner Hinsicht. Zum anderen kann jedoch die personelle Besetzung des Aufsichtsrats bei deutschen Emittenten bestimmten Besetzungsgeboten unterliegen, sofern ein Unternehmen bei der Aufsichtsratsbildung mitbestimmungsrechtliche Vorschriften gemäß § 96 Abs. 1 AktG beachten muss. Insbesondere setzt sich bei Aktiengesellschaften, die zur Bildung eines mitbestimmten Aufsichtsrats nach §§ 1, 5 Abs. 1 MitbestG verpflichtet sind, der Aufsichtsrat zur Hälfte aus Arbeitnehmervertretern zusammen (§ 7 MitbestG)19Bei Unternehmen, die hinsichtlich der Aufsichtsratsbesetzung der Montanmitbestimmung unterliegen, haben jedenfalls gemäß § 4 Abs. 1 Montan-MitbestG mindestens vier der insgesamt elf Mitglieder des Aufsichtsrats Arbeitnehmervertreter zu sein; die Auswahl eines der sog. »weiteren Mitglieder« erfolgt ebenfalls ausschließlich durch die Belegschaft des Unternehmens, § 6 Abs. 1 und 2 Montan-MitbestG. Allerdings entsprechen die Voraussetzungen, die in Bezug auf die Wahl des weiteren Mitglieds sowie der übrigen zu bestellenden weiteren Mitglieder gemäß § 4 Abs. 1 lit. c, Abs. 2 Montan-MitbestG zu beachten sind, grundsätzlich den Anforderungen der Zulassungsbestimmungen der NYSE für die Unabhängigkeit der Mitglieder in einem unternehmensinternen Kontrollgremium..Dies bedeutet jedoch keinesfalls zwangsläufig, dass die neuen Corporate-Governance-Bestimmungen der New Yorker Börse, die Mehrzahl der Sitze im Kontrollorgan eines Emittenten mit Unabhängigen zu besetzen, durch die Bestimmungen des deutschen Mitbestimmungsrechts unerfüllbar werden. Denn Arbeitnehmervertreter würden nach den Maßstäben der Zulassungsbestimmungen der NYSE nur für den Fall nicht als unabhängig gelten, sofern sie Mitarbeiter des Unternehmens sind. Demnach ist eine Einstufung als unabhängiges Mitglied des Aufsichtsrats nicht per se für solche Arbeitnehmervertreter im Aufsichtsrat ausgeschlossen, die nicht Mitarbeiter des Unternehmens sind, sondern als Gewerkschaftsmitglied nach § 7 Abs. 2 und 4 MitbestG dem Aufsichtsrat angehören. Die Gewerkschaftsvertreter stehen aber regelmäßig nicht in einem Dienstverhältnis mit dem Emittenten20Wißmann, in: Münchener Handbuch zum Arbeitsrecht, 1993, Bd. 3, § 368 Rdnr. 8..Daher ist nur für die Anzahl der Aufsichtsratssitze, für welche die Mitbestimmungsregelungen eine Besetzung mit Arbeitnehmern des Unternehmens verbindlich vorschreiben, eine Bestellung von unabhängigen Mitgliedern nicht möglich. Diese Zahl ist jedoch kleiner als die Hälfte der Aufsichtsratsitze. Eine Umsetzung der New Yorker Vorgabe, die Mehrzahl der Sitze des Kontrollorgans mit unabhängigen Mitglieder zu besetzen, ist also auch bei mitbestimmten Aufsichtsräten grundsätzlich möglich. Die verbleibende Flexibilität, die auch nach aktien- und mitbestimmungsrechtlichen Vorschriften für die Entsendung unabhängiger Mitglieder in den Aufsichtsrat bleibt, haben jedoch weder der Gesetzgeber noch der DCGK bislang genutzt. Wie nachfolgend zu zeigen sein wird, fehlt es insbesondere auch an anderen effektiven Instrumentarien zur Vermeidung oder Bewältigung bestehender Interessenkonflikte.a) Keine effektive Vermeidung von InteressenkonfliktenObwohl der Gesetzgeber die Häufigkeit von Interessenkonflikten im Aufsichtsrat nicht leugnet21Dreher, JZ 1990, 896, 897. Vgl. auch Begründung des RegE zur Änderung des Aktiengesetzes (KonTraG), BT-Drucks. 13/9712, S. 11, 17., sind die existierenden Instrumentarien zur Vermeidung und gegebenenfalls Auflösung von Interessenkonflikten wenig effektiv. Dabei gehört das Auftreten von Interessenkollisionen in Aufsichtsräten zur Tagesordnung, unter anderem auch, weil das Aufsichtsratsamt als Nebenamt ausgestaltet ist22Deckert, DZWir 1996, 406, 408.. Zu einem wesentlichen Anteil ist das Entstehen solcher Konfliktkonstellationen auf die Arbeitnehmermitbestimmungsrechte zurückzuführen, denn die in den Aufsichtsrat entsandten Arbeitnehmer unterstehen der Unternehmensführung, was die Effizienz der durch sie ausgeübten Kontrolle erheblich schmälert23Thümmel, Mehr Unabhängigkeit für Aufsichtsräte, FAZ vom 26. 6. 2002, S. 22; Ulmer, ZHR 166 (2002), 271, 276.. Interessen- oder Pflichtkollisionen können auch darauf beruhen, dass das Aufsichtsratsmitglied außerhalb seiner Tätigkeit im Gesellschaftsorgan als Geschäftspartner des Emittenten eigene Interessen verfolgt oder Interessen Dritter als Berater oder Repräsentant von Kreditgebern oder als Geschäftspartner der Gesellschaft zu berücksichtigen hat24In der Literatur umstritten ist zudem, ob aus §§ 100 Abs. 2, 105 AktG entnommen werden kann, dass bei gleichzeitiger Mitgliedschaft im Aufsichtsrat konkurrierender Unternehmen ein Interessenkonflikt besteht, der eine Entsendung in den Aufsichtsrat verbietet; bejahend Lutter, in: FS Karl Beusch, 1993, S. 509, 515 ff.; ders., ZHR 159 (1995), 287, 303, der bereits die Wirksamkeit des Bestellungsaktes verneint; a. A. Hüffer, AktG, 5. Aufl. 2002, § 103 AktG, Rdnr. 13 b; Dreher, JZ 1990, 896, 898 f.; Schneider, BB 1995, 365 ff. Der Gesetzgeber hat mit der Neufassung der §§ 124 Abs. 3 S. 3, 125 Abs. 1 S. 3 Halbs. 1 AktG sowie des § 285 Nr. 10 HGB durch das KonTraG sich gegen ein Verbot von Aufsichtsratsmandaten in konkurrierenden Unternehmen entschieden und mittels Offenlegung etwaiger Doppelmandate die Frage, inwieweit dadurch die Effizienz der Kontrollarbeit durch das jeweilige Aufsichtsratsmitglied gemindert wird, an die Aktionäre überwiesen, Krebs, Interessenkonflikte bei Aufsichtsratsmandaten in der Aktiengesellschaft, 2002, S. 284.. Das Aktiengesetz enthält jedoch mit Ausnahme der Inkompatibilitätsregelungen der §§ 100 Abs. 2, 105 Abs. 1 AktG25Lutter, in: FS Karl Beusch (Fn. 24), S. 509, 511. weder spezielle noch allgemeine Regelungen für die personelle Zusammensetzung des Aufsichtsrats, durch die eine Kollision der Treue- und Kontrollpflicht der Mitglieder des Aufsichtsrats mit Wahrnehmung eigener oder Interessen Dritter bereits im Voraus ausgeschlossen werden kann26Krebs (Fn. 24), S.66 f.. Einzig die Regelung der §§ 114 f. AktG zielen vornehmlich27Ein weiterer Regelungszweck ist die Absicherung des Verbots einer verdeckter Aufsichtsratsvergütung gemäß § 113 AktG, vgl. Hoffmann-Becking, in: Hdb. des Gesellschaftsrechts, 2. Aufl. 1999, Bd. 4, § 33, Rdnr. 25. darauf, einer zu engen Verflechtung zwischen Kontrollierenden und Kontrolliertem vorzubeugen28BGHZ 126, 340, 347 f., indem eine unsachliche Beeinflussung der Mitglieder des Aufsichtsrats durch den Vorstand verhindert werden soll29Mertens, in: Kölner Komm., 2. Aufl. 1996, § 114 AktG Rdnr. 2; Hüffer (Fn. 24), § 115 AktG Rdnr. 1.. Nur in begrenztem Maße wird dieses gesetzliche Defizit durch die Regelungen des DCGK gefüllt, sofern sie darauf zielen, bereits das Entstehen von Interessenkonflikten der Aufsichtsratsmitglieder zu verhindern: Nach dem Regelungswerk soll zumindest die Anzahl ehemaliger Mitglieder des Vorstands auf zwei begrenzt und Vertreter wesentlicher Konkurrenten nicht in den Aufsichtsrat gewählt werden (Ziff. 5.4.2 DCGK).b) Bewältigung von InteressenkonfliktenAuch die durch das Aktiengesetz, Rechtsprechung und Literatur gebildeten Instrumentarien zur Bewältigung von bereits existierenden Interessenkonflikten sind überschaubar:§ 103 Abs. 3 AktG lässt eine gerichtliche Abberufung eines Aufsichtsratsmitglieds aus wichtigem Grund zu. Auf diese Möglichkeit kann jedoch nur als ultima ratio zurückgegriffen werden30Mertens, in: Kölner Komm. (Fn. 29), § 103 AktG Rdnr. 32., wenn unter Würdigung des jeweiligen Einzelfalls eine Fortsetzung des Amtsverhältnisses unzumutbar ist31LG Frankfurt a.M., NJW 1987, 505, 506; Hüffer (Fn. 24), § 103 AktG Rdnr. 10; Geßler, in: Geßler/Hefermehl/Eckardt/Kropff, AktG, 1974 (Bd. II), § 103 AktG Rdnr. 36., wobei die Ausfüllung des Begriffs der Unzumutbarkeit mittels Rückgriff auf § 84 Abs. 3 AktG erfolgt32Hoffmann-Becking, in: Hdb. des Gesellschaftsrechts (Fn. 27) § 31 Rdnr. 56.. Unter welchen Umständen bei Kollision von Interessen der Gesellschaft mit den Eigeninteressen eines Aufsichtsratsmitglieds ein Verbleib des jeweiligen Aufsichtsratsmitglieds unzumutbar und damit eine gerichtliche Abberufung gerechtfertigt ist, ist unklar33Vgl. die insoweit widersprüchliche Stellungnahme in BGHZ 39, 116, 123, sowie OLG Hamburg, AG 1990, 218. Grundsätzlich bejahend für den Fall nicht mehr auflösbarer und permanenter Interessen- und Pflichtenkollision: Hüffer (Fn. 24), § 103 AktG Rdnrn. 11 und 13 b, sowie Krebs (Fn. 24), S. 93, der zudem eine Verpflichtung zur Amtsniederlegung in diesen Fällen annimmt. Ebenso Lange, WM 2002, 1737, 1738 m.w.N.. Daher ist eine Abberufung zum einen wegen ihres Charakters als ultima ratio-Lösung kein taugliches Mittel zur Reaktion auf bestehende Interessenkollisionen, insbesondere wenn diese nicht von dauerhafter, sondern nur punktueller Natur sind. Zum anderen wird in der überwiegenden Anzahl der Konstellationen, in denen bereits bei der Bestellung des Aufsichtsratsmitglieds ein potenzieller Interessenkonflikt angelegt ist, eine Abberufung nur als Reaktion auf ein konkret pflichtwidriges Verhalten möglich sein34Krebs (Fn. 24), S. 91.; als präventiv ausgerichtetes Mittel zur Vermeidung von Interessenkonflikten dient die Möglichkeit der Abberufung daher nur sehr begrenzt.Obwohl Stimmrechtsverbote zur Entschärfung insbesondere von punktuellen Interessenkonflikten beinahe eine klassische Möglichkeit zur Konfliktlösung darstellen, derer sich der Gesetzgeber in ähnlich gelagerten Sachverhalten häufig bedient35Krebs (Fn. 24), S. 92., hält das Aktienrecht dieses Instrument für Mitglieder des Aufsichtsrats nicht bereit36Hoffmann-Becking, in: Hdb. des Gesellschaftsrechts (Fn. 27), § 31 Rdnr. 59. Anerkannt ist, dass in Analogie zu § 34 BGB ein Stimmrechtsverbot bei Abstimmungen besteht, die ein Rechtsgeschäft der Gesellschaft mit einem Aufsichtsratsmitglied oder die Einleitung bzw. Erledigung eines Rechtsstreits zwischen ihm und der Gesellschaft betreffen; Hoffmann/Preu, Der Aufsichtsrat, 4. Aufl. 1999, Rdnr. 501; Lutter/Krieger, Rechte und Pflichten des Aufsichtsrats, 3. Aufl. 1993, § 6 Rdnr. 248. Zum Teil wird in der Literatur ein erweitertes Stimmrechtsverbot in sämtlichen Fällen angenommen, in denen der jeweilige Abstimmungsgegenstand mit entgegenlaufenden Interessen eines Aufsichtsratsmitglieds kollidieren kann; Schneider, BB 1995, 365, 370; i.E. auch Krebs (Fn. 24), S. 299, der u. U. auch einen Beratungsausschluss befürwortet; ähnlich auch Lutter/Krieger, a.a.O., § 7 Rdnr. 309; a.A. i.E. Mertens, in: Kölner Komm. (Fn. 29), § 108 AktG Rdnr. 51; Deckert, DZWir 1996, 406, 409.. Ähnlich dünn ist der Beitrag, den der DCGK zur Bewältigung bestehender Interessenkonflikte leistet: Ziff. 5.5.2 DCGK verpflichtet zwar die Mitglieder des Aufsichtsrats, Interessenkonflikte37Der Wortlaut der Vorschrift »Interessenkonflikte, [...] die [...] entstehen können«, lässt darauf schließen, dass auch potenzielle und nicht nur tatsächlich entstandene Interessenkonflikte von der Offenlegungspflicht erfasst sein sollen. dem Gesamtgremium offen zu legen; gemäß Ziff. 5.5.3 DCGK solldie Hauptversammlung über aufgetretene (sic!) Interessenkonflikte und deren Behandlung informiert werden. Auf die Aufnahme weiterer Regelungen über die Konsequenzen von Interessenkonflikten in den DCGK wurde jedoch verzichtet.Mangels klar definierter Leitsätze, welche Konsequenzen beim Auftreten eines Interessenkonflikts zu ziehen sind, ist ein Aufsichtsratsmitglied auf den wenig hilfreichen Grundsatz verwiesen, bei der Amtsführung allein das Unternehmensinteresse im Auge zu haben. Doch diese Verweisung im Konfliktfall auf das Unternehmensinteresse ist, da ein objektiv zu bestimmender Handlungsmaßstab nicht existiert38Lutter/Krieger (Fn. 36), § 7 Rdnr. 303., kein sicherer Hafen, denn bei schuldhafter Verletzung dieser Verhaltenspflicht droht ein Schadensersatzanspruch der Gesellschaft gemäß §§ 116, 93 Abs. 2 AktG39Siehe Dreher, JZ 1990, 896, 897.. Die das Aufsichtsratsmitglied betreffenden Haftungsvorschriften und ihre Ausgestaltung durch die jüngste Rechtsprechung40Hervorzuheben sind hier besonders BGHZ 124, 111 ff., sowie LG Bielefeld, AG 2000, 136. leisten daher mittelbar einen gewissen Beitrag zur Vermeidung von Interessenkonflikten41Wiese, DB 2000, 1901, 1902 f..2. Kompetenzverlagerung auf Ausschüsse des Aufsichtsrats und deren Besetzung mit unabhängigen MitgliedernAls eine weitere Maßnahme zur Steigerung der Kontrolleffizienz will die NYSE die Zuständigkeit für neuralgische Bereiche des Unternehmens, insbesondere Bilanzprüfung sowie Auswahl der Kandidaten für die Unternehmensführung und deren Entlohnung, auf Ausschüsse übertragen, in die ausschließlich unabhängige Mitglieder des Kontrollorgans entsandt werden dürfen. Für deutsche Aktiengesellschaften ist jedoch die Übernahme dieses Modells und die damit verbundene Bildung und Besetzung von Aufsichtsratsausschüssen nur zum Teil möglich.a) Allgemein: Bildung von AufsichtsratsausschüssenGemäß § 107 Abs. 3 AktG kann der Aufsichtsrat sowohl beratende als auch beschließende Ausschüsse bilden42Hüffer (Fn. 24), § 107 AktG Rdnr. 16.. Dabei entscheidet der Aufsichtsrat autonom über die Bildung eines Ausschusses sowie darüber, welchen Aufgabenzuschnitt ein Ausschuss erhalten soll und wie er zu besetzen ist43Geßler, in: Geßler/Hefermehl/Eckardt/Kropff (Fn. 31), § 107 AktG Rdnr. 61. Eine Ausnahme stellt der nach §§ 27 Abs. 3, 31 Abs. 3 S. 1 MitbestG zu bildende Vermittlungsausschuss dar, dessen Besetzung gesetzlich festgelegt ist. Folgen für die Besetzung anderer Ausschüsse entstehen dadurch nicht, OLG München, WM 1995, 978, 979.. Es besteht daher keine Möglichkeit, die Bildung eines bestimmten Ausschusses, die Zuweisung einer bestimmten Aufgabe oder Entscheidungsbefugnis oder Vorgaben für die zu entsendenden Mitglieder des Aufsichtsrats durch Beschluss der Hauptversammlung oder die Aufnahme einer entsprechenden Verpflichtung in die Satzung verbindlich vorzuschreiben44BGHZ 83, 106, 115; 122, 342, 355.. Eine Handhabe insbesondere für Vorstand oder Hauptversammlung, mit der dem Aufsichtsrat die Umsetzung der entsprechenden Vorgaben der NYSE aufgegeben werden kann, existiert damit nach deutschem Aktienrecht nicht45Da eine Nichtumsetzung der Corporate-Governance-Bestimmungen der NYSE u. U. erhebliche Auswirkung auf den Aktienpreis der Gesellschaft und das Investorenverhalten insgesamt haben kann (vgl. oben I. und die in Fn. 9 bezeichneten Studien), wird jedoch regelmäßig von einer diesbezüglichen für den Aufsichtsrat einer börsennotierten Aktiengesellschaft bestehenden Verpflichtung auszugehen sein. Eine solche Pflicht zur Ausschussbildung gründet sich nicht nur auf die allgemeine Pflicht zur Förderung des Unternehmensinteresses, sondern auch darauf, dass der Aufsichtsrat zur sachgerechten Organisation seiner Tätigkeit verpflichtet ist, vgl. Lutter/Krieger (Fn. 36), § 6 Rdnr. 256. Insb. ist auch der Aufsichtsrat wegen der erforderlichen Entsprechenserklärung nach § 161 AktG verpflichtet, die Einhaltung der Corporate-Govemance-Bestimmungen des DCGK zu überwachen, so dass die Einrichtung eines entsprechenden Überwachungsausschusses zwecks effizienter Wahrnehmung dieser Aufgabe geboten erscheint; Seibt, AG 2002, 249, 254..b) Delegation von EntscheidungsbefugnissenDas Aktiengesetz lässt grundsätzlich eine Delegation der abschließenden Entscheidungsbefugnis des Aufsichtsrats auf einen Aufsichtsratsausschuss zu46Hüffer (Fn. 24), § 107 AktG Rdnr. 18. Nach h. M. müssen beschließende Ausschüsse aus mindestens drei Mitgliedern des Aufsichtsrats bestehen, da ansonsten das Quorumserfordernis aus § 108 Abs. 2 S. 3 AktG unterlaufen würde, BGHZ 65, 190, 192 f.. § 107 Abs. 3 S. 2 AktG zählt jedoch abschließend47Hoffmann-Becking, in: Hdb des Gesellschaftsrechts (Fn. 27), § 32 Rdnr. 3. diejenigen Tatbestände auf, in denen die Überweisung von verbindlichen Entscheidungskompetenzen an einen Aufsichtsratsausschuss unzulässig ist. Inwieweit daher die Vorgabe der NYSE zur Bildung von Ausschüssen des Board zwecks Übertragung der dort umschriebenen Aufgabenbereiche mit den rechtlichen Rahmenbedingungen für deutsche Aktiengesellschaften kollidiert, orientiert sich an den Maßgaben des § 107 Abs. 3 S. 2 AktG. Danach bestehen in dieser Hinsicht48Problematisch ist jedoch die Forderung nach einer ausschließlichen Besetzung einiger dieser Ausschüsse mit unabhängigen Aufsichtsratsmitgliedern und dem damit verbundenen Ausschluss von Arbeitnehmervertretern, die auch Mitarbeiter des Unternehmens sind; vgl. dazu unten III.2.c. keine Bedenken nach deutschem Recht mit Hinblick auf die Umsetzung der New Yorker Vorgaben zur Ausschussbildung.Die dem Compensation Committee zu übertragende Aufgabe, Richtlinien für die Entlohnung des Unternehmensmanagements aufzustellen, stehen nicht im Widerspruch zu § 107 Abs. 3 S. 2 AktG.Gleiches gilt weitestgehend für die dem Audit Committee zu übertragenden Kompetenzen49Diese Analyse trifft grundsätzlich auch für die dem Audit Committee durch den Sarbanes-Oxley Act zugewiesenen Aufgaben zu, die weitgehend mit der Aufgabenbeschreibung in den Zulassungsbestimmungen der NYSE vergleichbar sind (vgl. Sec. 301 Sarbanes-Oxley Act). Allerdings lässt die Wortfassung des Sarbanes-Oxley Act vermuten, dass, anders als dies die NYSE zu beabsichtigen scheint, die Zuständigkeit insb. auch der Kontrolle des Abschlussprüfers bei deutschen Aktiengesellschaften ausschließlich beim Audit Committee liegen und die Unternehmensleitung davon weitestgehend ausgeschlossen sein soll (»The audit committee of the issuer [...] shall be directly responsible for [...] the oversight of the work of any [...] accounting firm employed by that issuer [...].«). In Anbetracht des § 321 Abs. 5 S. 2 HGB erscheint ein umfassender Ausschluss des Vorstands von der Kontrolle des Abschlussprüfers jedoch nicht möglich.. Die vorgesehene Unterstützung des Aufsichtsrats durch ein Audit Committee bei der Überprüfung der Rechnungslegung interferiert nicht mit §§ 107 Abs. 3 S. 2, 171 AktG. Dies ist auch § 171 Abs. 1 S. 2 AktG unmissverständlich zu entnehmen, aus dem sich die Zulässigkeit der Beteiligung eines Ausschusses ergibt; Grenzen bestehen dann, wenn durch das Prüfungsergebnis des Ausschusses das Prüfungsergebnis des Gesamtgremiums verbindlich vorgezeichnet ist50Hüffer (Fn. 24), § 171 AktG Rdnr. 10; Hoffmann-Becking, in: Hdb. des Gesellschaftsrechts (Fn. 27), § 44 Rdnr. 3.. Nicht möglich ist allerdings eine alleinige Zuständigkeit des Audit Committee für die Bestellung des Abschlussprüfers, wie es in den Zulassungsbestimmungen der NYSE vorgesehen ist; gemäß § 119 Abs. 1 Nr. 4 AktG liegt dies in der ausschließlichenKompetenz der Hauptversammlung51Hüffer (Fn. 24), § 119 AktG Rdnr. 5 a.E. Bei Versicherungsunternehmen ist der Abschlussprüfer gemäß § 341 k Abs. 2 HGB durch den Aufsichtsrat zu bestellen. Die Zulassungsbestimmungen sehen jedoch die Möglichkeit vor, dass die Bestellung des Abschlussprüfers durch das Audit Committee erst nach entsprechender Beschlussfassung der Aktionäre wirksam werden kann. Damit dürfte § 119 Abs. 1 Nr. 4 AktG entsprochen werden.. Eine Delegation der Auftragserteilung an den Abschlussprüfer an einen Ausschuss des Aufsichtsrats nach erfolgter Wahl des Abschlussprüfers durch die Hauptversammlung ist jedoch zulässig52Hoffmann-Becking, in: Hdb. des Gesellschaftsrechts (Fn. 27), § 44 Rdnr. 5..Für deutsche Emittenten ist es darüber hinaus nur bedingt möglich, einen dem Nomination Committee entsprechenden Ausschuss des Aufsichtsrats mit der alleinigen Kompetenz zu betrauen, verbindliche Entscheidungen für die Bestellung von Mitgliedern des Vorstandes zu treffen. Denn die Zuweisung einer diesbezüglichen für den Gesamtaufsichtsrat verbindlichen Entscheidungskompetenz an einen Ausschuss des Aufsichtsrats ist mit §§ 107 Abs. 3 S. 2, 84 Abs. 1 S. 1 und 3, Abs. 2 AktG nicht vereinbar. Nur unter der Voraussetzung, dass die durch den Ausschuss verabschiedeten Vorschläge für die Bestellung der Vorstandsmitglieder für das Gesamtgremium nicht verbindlich sind53Die Zulassungsbestimmungen erlauben dieses Maß an Flexibilität: »[T]he committee's purpose [...] must be to identify individuals qualified to become board members, and to select, or to recommend that the board select, the director nominees [...].«, ist in diesem Punkt eine Umsetzung der Zulassungsbestimmungen der NYSE möglich.c) Besetzungsregelungen für AufsichtsratsausschüsseEine uneingeschränkte Umsetzung der Vorgaben der NYSE würde die Einrichtung von mindestens vier Ausschüssen bzw. ausschussähnlichen Untergremien erfordern, in denen ausschließlich unabhängige Mitglieder des Aufsichtsrats vertreten wären: Denn neben der Bildung von Audit Committee, Nomination Committee sowie Compensation Committee schreiben die Zulassungsbestimmungen regelmäßige Treffen der unabhängigen Mitglieder des Kontrollorgans (non-management meetings) vor. Auch die Zulässigkeit dieses Untergremiums des Aufsichtsrats ist anhand der für Ausschüsse bestehenden Kriterien zu beurteilen. Für deutsche Emittenten ist es jedoch nur zum Teil möglich, die in den Zulassungsregeln enthaltenen Besetzungsvorschriften für Untergremien des Aufsichtsrats ohne Abstriche umzusetzen.Zwar ist das Aufsichtsratsplenum bei der Auswahl der in einen Ausschuss zu entsendenden Aufsichtsratsmitglieder grundsätzlich frei; allenfalls die Geschäftsordnung des Aufsichtsrats kann Besetzungsregeln für Ausschüsse enthalten54Hüffer (Fn. 24), § 107 AktG Rdnr. 21.. Insbesondere besteht auch bei einem mitbestimmten Aufsichtsrat keine allgemeine Pflicht, Ausschüsse paritätisch zu besetzen55Geßler, in: Geßler/Hefermehl/Eckardt/Kropff (Fn. 31), § 107 AktG Rdnr. 70; Mertens, in: Kölner Komm. (Fn. 29), § 107 AktG Rdnr. 108 f.; i.E. auch Wißmann in: Münchner Handbuch zum Arbeitsrecht (Fn. 20), § 370 Rdnr. 16.. Vielmehr ist eine Auswahl der Ausschussmitglieder unter Berücksichtigung der Ausschussaufgabe und den damit einhergehenden fachlichen Qualifikationsanforderungen an die Ausschussmitglieder zulässig56Vgl. BGHZ 122, 342, 360; Mertens, in: Kölner Komm. (Fn. 29), § 107 AktG, Rdnr. 107; Hoffmann-Becking, in: Hdb. des Gesellschaftsrechts (Fn. 27), § 32 Rdnrn. 19 f.. Der BGH hat jedoch einen völligen Ausschluss von Arbeitnehmervertretern von Ausschüssen, deren Aufgabenschwerpunkt in der Vorbereitung der Auswahl der Kandidaten der Unternehmensführung liegt, wegen der damit einhergehenden Aushöhlung des zentralen Mitbestimmungsgedankens als unzulässig bezeichnet57BGHZ 122, 342, 359. Ebenso OLG München, WM 1995, 978 ff. Zustimmend auch Mertens, in: Kölner Komm. (Fn. 29), § 107 AktG Rdnrn. 107 und 112, der von dem »Gebot der sach- und relationsgemäßen Besetzung« der Aufsichtsratsausschüsse spricht, aus dem sich eine Pflicht zur angemessenen Repräsentierung der Arbeitnehmervertreter in den Aufsichtsratsausschüssen herleite.. Dies gelte um so mehr, wenn durch den Ausschuss die Kandidatenauswahl und die Festlegung der Anstellungsbedingungen bereits abschließend erfolgt und die Bestellung durch den Gesamtaufsichtsrat nur einen formalen Schlussakt darstellt58BGHZ 122, 342, 359 f..d) Compensation Committee und Nomination CommitteeDie weitgehenden Kompetenzen des Compensation Committee, wesentliche Eckpfeiler der Entlohnung der Führungsebene zu bestimmen, tangieren jedoch gerade diesen zuvor erläuterten und im mitbestimmten Aufsichtsrat wesentlichen Aspekt. Dies gilt in noch größerem Maße für den Aufgabenzuschnitt des Nomination Committee, eine (mehr oder minder verbindliche) Auswahl der in den Vorstand zu entsendenden Personen zu treffen. Die neugefassten Zulassungsbestimmungen der NYSE weisen somit den beiden Ausschüssen Aufgaben zu, wie sie in einer Aktiengesellschaft üblicherweise durch den Personalausschuss wahrgenommen werden59Ebenfalls scheidet eine Übertragung von Aufgaben, die dem Vermittlungsausschuss nach § 27 Abs. 3 MitbestG zugewiesen sind, bereits deswegen aus, da für den Vermittlungsausschuss die personelle Besetzung gesetzlich vorgeschrieben ist, vgl. Lutter/Krieger (Fn. 36), § 6 Rdnr. 255.. Diejenigen Arbeitnehmervertreter in einem mitbestimmten Aufsichtsrat, die auch Mitarbeiter der Gesellschaft sind und daher nicht als unabhängig gelten, würden dadurch von der Mitwirkung in diesen Ausschüssen ausgeschlossen werden. Auch wenn dies aus den genannten Gründen nicht für alle Arbeitnehmervertreter im Aufsichtsrat gilt, erscheint es in Anbetracht der Entscheidung des BGH zweifelhaft, ob ein solcher Ausschluss der Arbeitnehmervertreter im Aufsichtsrat von der Mitwirkung in einem Ausschuss mit dem beschriebenen Aufgabenzuschnitt mit dem Verbot einer unzulässigen Aushöhlung der zwingenden Beteiligung der Arbeitnehmervertreter bei der Bestellung des Vorstands60Vgl. BGHZ 122, 342, 360. Der BGH differenziert in seiner Entscheidung nicht zwischen Arbeitnehmervertretem im Aufsichtsrat, die in einem arbeitsrechtlichen Verhältnis zur Gesellschaft stehen, und zwischen externen Gewerkschaftsrepräsentanten. Aus der Urteilsbegründung ergibt sich jedoch, dass nach Dafürhalten des Gerichts insb. eine Repräsentanz von Arbeitnehmern im Personalausschuss erforderlich ist, die »dem Vorstand arbeitsrechtlich untergeordnet« sind. Zustimmend Mertens, in: Kölner Komm. (Fn. 29), § 107 AktG Rdnr. 111. A. A. Hoffmann-Becking, in: Hdb. des Gesellschaftsrechts (Fn. 27), § 32 Rdnr. 19. noch vereinbar ist. Sachliche Gründe, die für einen Ausschluss dieser Arbeitnehmervertreter sprechen61Vgl. dazu auch BGHZ 122, 342, 356., werden sich wohl nur schwerlich finden lassen. Die Bildung dieser Ausschüsse gänzlich ohne Beteiligung von Arbeitnehmervertretern, die gleichzeitig Arbeitnehmer des Unternehmens sind, ist daher für Emittenten mit mitbestimmtem Aufsichtsrat in Anbetracht der seitens der Rechtsprechung formulierten Grundsätze wohl nicht möglich.e) Non-management meetings des AufsichtsratsDies gilt im Ergebnis auch für die Zulässigkeit der postulierten non-management meetings des Aufsichtsrats. Denn die Bildung eines regelmäßig beratenden Untergremiums desGesamtaufsichtsrats, das nicht unabhängige Aufsichtsratsmitglieder von der Teilnahme ausschließt, wird den Anforderungen an eine zulässige personelle Besetzung für Ausschüsse des Aufsichtsrats nicht gerecht. Eine derartige Besetzungsvorschrift kollidiert mit dem Grundsatz des gleichen passiven Wahlrechts aller Mitglieder des Aufsichtsrats62BGHZ 83, 106, 113., da sie die Wählbarkeit der nicht als unabhängig anerkannten Mitglieder ausschließt. Zudem bedeutet deren Ausschluss, dass Informationen, die für die uneingeschränkte Wahrnehmung der Kontrollaufgabe des Aufsichtsrats wesentlich sind, einzelnen Aufsichtsratsmitgliedern unzulässig vorenthalten werden63Vgl. hinsichtlich der unzulässigen Vorenthaltung von Informationen gegenüber Arbeitnehmervertretern Mertens, in: Kölner Komm. (Fn. 29), § 107 AktG Rdnr. 112 a. E.. Bei einem mitbestimmten Aufsichtsrat würde zudem die Bildung eines solchen Untergremiums des Aufsichtsrats ohne Beteiligung der Arbeitnehmervertreter wohl das Prinzip der sach- und relationsgerechten Ausschussbesetzung unterlaufen64Vgl. dazu oben Fn. 57..Obwohl die Einrichtung eines solchen Gremiums sicherlich zu einer offeneren Diskussion innerhalb der beteiligten Mitglieder des Aufsichtsrats führen und damit im Ergebnis die Kontrollmöglichkeiten des Aufsichtsrats insgesamt verbessern würde, ist es nach geltendem Recht nicht möglich, diese Vorgabe der NYSE aufzugreifen und ein solches Sub-Gremium des Aufsichtsrats einzurichten.f) Audit CommitteeDagegen ist eine Besetzung eines für Audit zuständigen Ausschusses mit ausschließlich unabhängigen Aufsichtsratsmitgliedern für deutsche Emittenten auch bei Bestehen eines mitbestimmten Aufsichtsrats möglich. Zwar würde eine solche Besetzung des Ausschusses ebenfalls eine Entsendung von Arbeitnehmervertretern unmöglich machen, so weit diese Mitarbeiter des Unternehmens sind. Darin ist jedoch kein Verstoß gegen die Besetzungsvorschriften zu erkennen. Denn in Anbetracht der komplexen bilanzrechtlichen Fragestellungen, die die Arbeit im Audit Committee zum Gegenstand haben wird, und auch des Umstandes, dass eine Überprüfung der Arbeit der Wirtschaftsprüfer gleichzeitig auch eine Überprüfung der jeweiligen Rechnungslegung durch die Beschäftigten des Unternehmens selbst bedeutet, erscheint die Forderung gerechtfertigt, diesen Ausschuss ausschließlich mit Unabhängigen zu besetzen65A. A. wohl Holl, Die Reform des aktienrechtlichen Aufsichtsrats, 2002, S. 144.. Zudem ist im Aufgabenzuschnitt dieses Ausschusses wenig zu erwarten, was Auswirkungen auf die Auswahl der Vorstandsmitglieder als das Kernstück der Aufgaben eines mitbestimmten Aufsichtsrats66Vgl. BGHZ 122, 342, 359. haben wird. Der Ausschluss von Arbeitnehmervertretern von der Mitgliedschaft im Audit Committee ist daher auch für deutsche Emittenten möglich.IV. StellungnahmeDie Darstellung hat gezeigt, dass hinsichtlich der Optimierung des Corporate-Governance-Systems deutscher Aktiengesellschaften weiterhin Defizite bestehen; die Vorreiterrolle, die die NYSE mit der Verschärfung der Corporate-Governance-Bestimmungen in ihren Zulassungsbestimmungen übernommen hat, ist daher zu begrüßen. Da grundsätzlich die Kontrolleffizienz des Aufsichtsrats darunter leidet, wenn dessen Mitglieder zum Richter in eigener Sache werden (z. B. bei ehemaligen Vorständen oder anderen Mitarbeitern des Emittenten67Vgl. Thümmel, Mehr Unabhängigkeit für Aufsichtsräte, FAZ vom 26. 6. 2002, S. 22.) oder die Treuepflicht eines Aufsichtsratsmitglieds vis-á-vis der Gesellschaftsinteressen mit Eigeninteressen oder Interessen Dritter kollidiert, ist auch deutschen Emittenten anzuraten, dem Beispiel der NYSE zu folgen und die jenseits der Vorschriften der Mitbestimmung zulässige Flexibilität bei der Bestellung unabhängiger Mitglieder des Aufsichtsrats zu nutzen, um so das Entstehen von Interessenkonflikten bereits im Voraus weitgehend auszuschließen. Denn die Annahme, dass Mitglieder des Aufsichtsrats fähig sind, ihre wechselseitigen Treuepflichten ohne Eintrübung durch Interessen des anderen Amtes auszuüben, das sie neben dem Aufsichtsratsamt bekleiden, erscheint weltfremd. Eine Aufstellung von Ausschlusstatbeständen in der Satzung, wann ein Interessenkonflikt mit der Wahrnehmung des Aufsichtsratsamts nicht mehr vereinbar ist, oder eine erforderliche Mindestanzahl von unabhängigen Aufsichtsratsmitgliedern68Vgl. Berrar, NZG 2001, 1113, 1118. Grundsätzlich können in der Satzung im nach § 100 Abs. 4 AktG möglichen Ausmaß persönliche Kriterien für die Wählbarkeit und daher auch Voraussetzung für eine geforderte Unabhängigkeit der Mandatsträger im Aufsichtsrat bestimmt werden; Seibt, AG 2002, 249, 258. schafft Klarheit, nach innen wie nach außen. Diese Klarheit vermisst man zum Teil auch bei den einschlägigen Bestimmungen des DCGK. Denn eine an das einzelne Aufsichtsratsmitglied adressierte Pflicht zur Offenlegung bestehender Interessenkonflikte objektiviert die Entscheidung über das Vorliegen eines solchen gerade nicht69Die in Ziff. 5.4.2 DCGK vorgeschlagene Begrenzung, nicht mehr als zwei ehemalige Vorstände in den Aufsichtsrat aufzunehmen und auf Vertreter von konkurrierenden Unternehmen zu verzichten, ist jedoch ein - wenn auch zaghafter - Schritt in die richtige Richtung.. Eine Inspiration der Besetzungsgrundsätze für Aufsichtsräte in deutschen Aktiengesellschaften durch die Zulassungsrichtlinien der NYSE kann daher die Überwachungsfunktion des Aufsichtsrats weiter stärken. Da jedoch die mitbestimmungsrechtlichen Besetzungsvorschriften bislang nicht zur Disposition stehen70Die Frage, ob vor dem Hintergrund global strukturierter Unternehmen ein Festhalten an der unternehmerischen Arbeitnehmermitbestimmung noch zeitgemäß ist, haben in letzter Zeit Ulmer, ZHR 166 (2002), 271 ff., sowie Sandrock, BB 2002, 1601, 1602 ff., gestellt., verbleiben für die Anteilseigner nur wenige Aufsichtsratsmandate, die nicht mit unabhängigen Mitgliedern zu besetzen sind, sofern der New Yorker Forderung uneingeschränkt entsprochen werden soll. In Aktiengesellschaften mit mitbestimmtem Aufsichtsrat würde dies verhindern, Repräsentanten wesentlicher Investoren in den Aufsichtsrat zu entsenden, was jedoch häufig eine Voraussetzung insbesondere bei der Finanzierung durch Risikokapital sein wird71Vgl. das den am 16. 8. 2002 von der NYSE veröffentlichten Corporate Governance Rules Proposals beigefügte Self-Regulatory Organization's Statement on Comments on the Proposed Rule Change Received from Members, Participants and Others, dort Abschnitt »Majority Independent Boards - A. Controlled Companies«.. Ein graduelles Abweichen für deutsche Emittenten sollte daher zulässig sein, um eventuellen Finanzierungsbedarf nicht unzulässig zu beschneiden.Ebenso ist der von der NYSE gewählte Ansatz, die Kontrolleffizienz des Aufsichtsrats durch die Einrichtung von Ausschüssen zu erhöhen, sehr zu begrüßen. Denn ein solcher Schritt vermag die Überwachungslücken, die dem deutschen Aufsichtsratssystem immanent sind, jedenfalls zum Teil zu schließen: Vorhandener Sachverstand der Mitglieder des Aufsichtsrats kann so bereichsspezifisch genutzt, Informationen der Unternehmensleitung schneller zugänglich ge-macht, und die Tagungs-, und damit im Ergebnis die Kontrollfrequenz, wegen des kleineren Gremiums erhöht werden72Vgl. Böckli, in: FS Walter Reist, 1992, S. 3, 11.. Denn gerade die Ausgestaltung des Aufsichtsratsamtes als Nebenamt macht ein häufiges Zusammentreten des Gesamtorgans auf Grund kollidierender terminlicher Verpflichtungen einzelner Mitglieder schwierig73Vgl. hinsichtlich der durchschnittlichen Tagungshäufigkeit der Aufsichtsräte deutscher Aktiengesellschaften Berrar, NZG 2001, 1113, 1119. § 110 Abs. 3 AktG schreibt nun für börsennotierte Gesellschaften mindestens zwei Aufsichtsratssitzungen pro Halbjahr vor.. Die grundsätzliche Autonomie des Gesamtaufsichtsrats bei der Frage des ob und wie der Ausschussbildung durch entsprechende Vorgaben des Kapitalmarktes in die richtige Richtung zu lenken, ist daher begrüßenswert74Vgl. auch Lutter, ZHR 159 (1995), 287, 298, der eine Pflicht zur Bildung von Personal-, Planungs- und Bilanzausschuss gesetzlich verankern will.. Dies gilt in besonders hohem Maße für die Einrichtung eines Audit Committee, wie sie auch der DCGK vorschlägt. Denn ein mit wenigen Mitgliedern fachkundig besetztes Audit Committee kann intensiver prüfen und auch leichter den für die Überprüfung der unternehmenseigenen Finanzkontrolle erforderlichen Kontakt zu den Abschlussprüfern herstellen75Lück, DB 1999, 441, 443.. Wegen der besonderen Sensibilität des Aufgabenzuschnitts sollten auch die darin wirkenden Mitglieder des Aufsichtsrats frei von jedem Verdacht eines Interessenkonflikts sein.Wie dargelegt, lassen die rechtlichen Rahmenbedingungen auch für deutsche Emittenten eine Umsetzung der New Yorker Corporate-Governance-Vorgaben in den meisten Punkten zu. In welchem Maß davon Gebrauch gemacht werden wird, bleibt abzuwarten. Internationale Investoren werden die künftige Entwicklung jedenfalls intensiv und interessiert verfolgen.

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