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RIW 1997, 1042
 
OLG Rostock
Internationale Zuständigkeit aufgrund von Konnossementsbedingungen

OLG Rostock, Entscheidung vom 27. November 1996 - 6 U 113/96;

OLG Rostock vom 27.11.1996 - 6 U 113/96
RIW 1997, 1042 (Heft 12)
Aus den Gründen:»I. Zu Unrecht hat das Landgericht ... die Zulässigkeit der Klage verneint.1. Die internationale Zuständigkeit deutscher Gerichte folgt aus Ziff. 5 (a) der Konnossementsbedingungen i. V. m. § 38 Abs. 1 ZPO.a) Die Anwendbarkeit des § 38 Abs. 1 ZPO ist nicht wegen einer Vorrangigkeit internationaler Abkommen ausgeschlossen. Das Luganer Übereinkommen gilt erst seit dem 1. März 1995 im Verhältnis zur Schweiz. Es entfaltet keine Rückwirkung auf bereits rechtshängige Klagen (vgl. Art. 54 des Übereinkommens). Das EuGVÜ ist nicht einschlägig. Die Schweiz ist nicht Vertragsstaat des EuGVÜ. Nach der Rechtsprechung des BGH (vgl. die Nachweise bei Zöller/Geimer, ZPO, 19. Aufl., GVÜ Art. 2 Rdn. 15; Art. 17 Rdn. 5) gelten die Zuständigkeitsvorschriften der Art. 2 ff. EuGVÜ und insbesondere Art. 17 EuGVÜ dann nicht, wenn es um die Zuständigkeitsabgrenzung zu einem Drittstaat geht.Der Anwendbarkeit des § 38 Abs. 1 ZPO steht auch § 38 Abs. 2 ZPO nicht entgegen (vgl. OLG Saarbrücken, NJW-RR 1989, S. 828, 829; Zöller/Vollkommer, a. a. O., § 38 Rdn. 25; Stein-Jonas-Brehm, ZPO, 21. Aufl., § 38 Rdn. 11; Münchener Kommentar-Patzina, ZPO, § 38 Rdn. 23; a.A. OLG Nürnberg, NJW 1985, S. 1296).b) Die Voraussetzungen der Ziff. 5 (a) der Konnossementsbedingungen i. V. m. § 38 Abs. 1 ZPO sind gegeben. Zwischen der [deutschen] DSR und der [schweizerischen] Beklagten ist eine Gerichtsstandsvereinbarung im Sinne deutschen Rechts getroffen worden ...(1) Während sich die Zulässigkeit und die Form einer Gerichtsstandsvereinbarung grundsätzlich nach deutschem Recht als 'lex fori' richtet, beantwortet sich die Frage, ob eine Einigung mit dem Inhalt einer Gerichtsstandsvereinbarung zustande gekommen ist, nach dem Schuldstatut des zugrundeliegenden Vertrages. Das Schuldstatut des zugrundeliegenden Konnossementsbegebungsvertrages ist gemäß Art. 28 Abs. 5 EGBGB deutsches Recht. Zwar hat die Beklagte ihren allgemeinen Gerichtsstand in der Schweiz und sind die Konnossementsbedingungen in englischer Sprache gefaßt. Jedoch überwiegen die Bezüge zum deutschen Rechtskreis. Das zugrundeliegende Frachtgeschäft ist in Deutschland geschlossen worden. Für das Frachtgeschäft gilt deutsches Recht (vgl. Art. 28 Abs. 4 EGBG). Die typische Leistung ist die Verfrachtung. Diese sollte von Deutschland aus veranlaßt werden. Auch die Frage der Vollmacht richtet sich nach deutschem Recht. Die Frage der Vollmacht ist zwar eine selbständig anzuknüpfende Vorfrage. Jedoch gilt nach der Rechtsprechung (vgl. u. a. BGH, DNotZ 1994, Seite 485, 487) wegen des Schutzes des Vertragsgegners als maßgeblich das Recht des Landes, in dem von der Vollmacht Gebrauch gemacht wird, und das ist Deutschland.(2) Eine Rechtsbeziehung zwischen der DSR und der Beklagten ist dadurch zustande gekommen, daß die Beklagte um die Ausstellung eines Konnossements gebeten hat und die DSR dieser Bitte nachgekommen ist. Inhalt dieser Rechtsbeziehung ist auch die Gerichtsstandsklausel in Ziff. 5 a des Konnossements. Sinn und Zweck der als AGB i. S. d. § 1 AGBG zu qualifizierenden Klausel ist es, alle Rechtsstreitigkeiten zu erfassen und mithin auch einen Rechtsstreit darüber, ob überhaupt eine Einigung im Sinne eines Konnossementsbegebungsvertrages zustande gekommen ist. Entgegen der Auffassung der Beklagten bestehen keine Bedenken gegen die Wirksamkeit der Klausel. Sie ist nicht überraschend, weil Gerichtsstandsklauseln in Konnossementsbedingungen handelsüblich sind (vgl. u. a. OLG Hamburg, Transportrecht 1993, Seite 25, 26). Die Klausel ist, da der Sitz der DSR als Verfrachterin eindeutig ist, auch hinreichend bestimmt. Und schließlich ist die Klausel nicht gem. § 9 AGBG unwirksam, weil ebenso wie die DSR auch die Beklagte als Kaufmann gelten muß (zur Zulässigkeit einer AGB-Gerichtsstandsvereinbarung unter Kaufleuten vgl. OLG Karlsruhe, NJW 1996, S. 2041).Diese Gerichtsstandsvereinbarung wirkt für und gegen die Klägerin. Denn sie klagt in gewillkürter Prozeßstandschaft. Diese gewillkürte Prozeßstandschaft ist zulässig. Da eine gesetzliche oder privatvertragliche Forderungsabtretung auch den Übergang einer Gerichtsstandsvereinbarung zur Folge hat (vgl. OLG Köln, VersR 1992, Seite 1152 für den Fall einer Rechtsnachfolge kraft Gesetzes), wirkt die Gerichtsstandsvereinbarung auch zwischen einem in gewillkürter Prozeßstandschaft Klagenden und dem Gegner.2. Die Beklagte muß auch als parteifähig angesehen werden.Nach Rechtsprechung des BGH (vgl. u. a. BGHZ, Bd. 97, Seite 269, 271*RIW 1986 S. 822. m. w. N.) ist maßgeblich das Recht des Sitzes der Gesellschaft (sogenannte Sitztheorie in Abgrenzung zur sogenannten Gründungstheorie). Da der Sitz der Beklagten in der Schweiz ist, wird in schweizerisches Recht verwiesen.Diese Verweisung gilt entsprechend Art. 4 Abs. 1 EGBGB als eine sogenannte Gesamtverweisung (vgl. Palandt-Heldrich, BGB, 55. Aufl., Anh. zu EGBGB, Art. 12 Rdn. 4 m. w. N. zur Rspr.). Das Schweizer Recht folgt der sogenannten Gründungtheorie (vgl. Art. 154 IPRG). Da die Beklagte allem Anschein nach in der Schweiz gegründet worden ist, wird die Verweisung angenommen. Die Parteifähigkeit richtet sich somit nach Schweizer Recht.Die Beklagte firmiert unter der Abkürzung S. A. Es handelt sich um eine Abkürzung für die auch im romanischen Rechtskreis gebräuchliche 'anonyme Sozietät', die der Kapitalgesellschaft deutschen Rechts im Sinne des GmbH-Gesetzes bzw. Aktiengesetzes ähnelt. Mangels gegenteiliger Anhaltspunkte ist von der Rechts- und Parteifähigkeit der Beklagten mithin auszugehen. Die Frage, ob der Beklagten durch einen Hoheitsakt Rechtsfähigkeit verliehen worden ist und ob dieser Hoheitsakt anerkannt werden muß, kann dahinstehen (vgl. Staudinger/Großfeld, Internationales Gesellschaftsrecht, Rdn. 163).Es bestehen schließlich auch keine Bedenken dagegen, daß die Beklagte im Prozeß von einem 'Geschäftsführer' vertreten wird. Die Frage der Vertretung einer Kapitalgesellschaft ist eine solche des Gesellschaftsrechts (vgl. BGH, DNotZ 1994, S. 485, 487). Maßgeblich ist mithin Schweizer Gesellschaftsrecht. Es bestehen keine Einwände dagegen, daß nach Schweizer Recht die Vertretung einer S. A. einem 'Geschäftsführer' obliegt.II. Der Senat sieht davon ab, das Urteil des Landgerichts Rostock aufzuheben und den Rechtsstreit zur Entscheidung über die Begründetheit der Klage an das Landgericht Rostock zurückzuverweisen. Denn die Klage ist unbegründet ...1. ... 2. Die DSR hat auch keinen Anspruch aus einem Schuldbeitritt gegen die Beklagte.a) Die Antwort auf die Frage nach einer Einigung im Sinne eines Schuldbeitrittsvertrages beantwortet sich nach deutschem Recht.Da es an einer ausdrücklichen oder stillschweigenden Einigung über das maßgebliche Recht gem. Art. 27 Abs. 1, Abs. 4; 31 EGBGB fehlt, ist Art. 28 EGBGB maßgeblich. Dahinstehen kann, ob sich das Schuldbeitrittsstatut ebenso wie das Bürgschaftsstatut unabhängig vom Statut der Hauptschuld nach dem Recht des Staates richtet, in dem der Beitretende bzw. der Bürgende seine Niederlassung hat. Aus der Gesamtheit der Umstände ergibt sich nämlich, daß die Verbindungen zum deutschen Rechtskreis enger sind als zum schweizerischen Rechtskreis. Verfrachter, Agent und Befrachter sind in Deutschland ansässig und nur die Beklagte als Abladerin hat ihren Sitz in der Schweiz. Der streitige Schuldbeitrittsvertrag ist zudem nur durch Vermittlung der in Deutschland ansässigen Firma S. zustande gekommen.b) Eine Einigung im Sinne eines Schuldbeitritts gemäß §§ 145 ff., 305 BGB ist nicht zustande gekommen (vgl. auch OLG München, NJW-RR 1989, S. 803 ff. für den Fall eines Konnossements ohne 'freight prepaid'-Vermerk) ... [wird ausgeführt].3. Schließlich steht der DSR auch kein Anspruch aus Ziff. 14 (d) eines Konnossementsbegebungsvertrages zu. Denn Ziff. 14 (d) ist unwirksam.Zwar wären die als AGB zu qualifizierenden Konnossementsbedingungen wirksam in einen Konnossementsbegebungsvertrag einbezogen worden. Für die Einbeziehung wäre deutsches Recht maßgeblich, weil ein Konnossementsbegebungsvertrag ebenfalls deutschem Recht unterliegen würde. Nach deutschem Recht (vgl. § 24 S. 1 Nr. 1 AGBG) reicht es unter Kaufleuten aus, daß ein Vertragsteil auf seineAGB verweist und der andere Teil nicht widerspricht (vgl. u. a. BGHZ Bd. 117, Seite 190, 194).Jedoch ist Ziff. 14 (d) unwirksam gemäß § 9 AGBGB. Schuldbeitrittsklauseln sind nicht von vornherein unwirksam (vgl. u. a. OLG Hamm, NJW-RR 1986, Seite 1248). Ein Sicherungsbedürfnis eines Verwenders ist nicht grundsätzlich zu verneinen. Voraussetzung ist allerdings immer, daß die Klausel in den AGB so deutlich hervorgehoben ist, daß sie dem Beitretenden in ihrer Bedeutung bewußt gemacht wird. Unangemessen ist, dem Beitretenden die Schuldbeitrittsklausel in einer Art und Weise unterzuschieben, daß er sie schon bei leichter verzeihlicher Unaufmerksamkeit übersehen kann (vgl. u. a. Wolf, AGB-Gesetz, 3. Aufl., § 9 S. 73-80 m. w. N.). Dies folgt aus den auch für den kaufmännischen Bereich geltenden §§ 4, 11 Nr. 14 a) AGBG. Diesen Anforderungen genügt Ziff. 14 (d) nicht. Die Klausel geht in den anderen Klauseln unter. Sie offenbart ihre Bedeutung für die 'Abladerin' erst in Verbindung mit Ziff. 1 der Konnossementsbedingungen (Begriffsbestimmung). Zudem ist die Klausel unverhältnismäßig. Denn die Beklagte erlangt für die zusätzliche Verpflichtung keine angemessene Gegenleistung.Eine andere Wertung wäre nur dann gerechtfertigt, wenn Ziff. 14 (d) im internationalen Handelsbrauch eine gebräuchliche Regelung beinhalten würde. Das ist indes nicht der Fall. Die Klägerin kann insbesondere nichts daraus herleiten, daß Ziff. 14 (d) sich an die sogenannte CONLINEBILL anlehnt. In der Praxis hat sich die CONLINEBILL nicht allgemein durchgesetzt. Jeder Linienreeder verwendet seine eigenen Formulare, deren Klauseln zwar teilweise übereinstimmen oder sich ähneln, die jedoch zum Teil erhebliche Abweichungen aufweisen (vgl. Prüßmann/Rabe, a. a. O., § 643 D 2 (B)). Daß zumindest eine Ziff. 14 (d) entsprechende Regelung allgemein üblich ist und verwandt wird, hat die Klägerin nicht behauptet.«

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