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Globale Vergütungssysteme und deutsches Arbeitsrecht

Abbildung 1

Der Autor ist Rechtsanwalt und leitet als Senior Counsel gemeinsam mit Nils Grunicke den Fachbereich Financial Services Employment Law innerhalb der Praxisgruppe Arbeitsrecht bei DLA Piper UK LLP. Sein Tätigkeitsschwerpunkt liegt auf der arbeitsrechtlichen Beratung von Finanzinstituten, auch an den Schnittstellen zu Aufsichtsrecht und Datenschutz.

Internationale Bonuspläne können nicht deutsches Arbeitsrecht außer Kraft setzen

Global agierende Konzerne bevorzugen weltweit einheitliche Vergütungssysteme. Gerne wird für entsprechende Bonus- und Incentivepläne das Recht des Sitzes der Konzernmutter vereinbart. Dadurch erhofft man sich einen größeren Gestaltungsspielraum. Denn häufig sind flexible Regelungen nach ausländischem Recht möglich, die nach deutschem Recht unwirksam wären. Doch was passiert, wenn solche Fälle dennoch vor einem deutschen Arbeitsgericht landen?

Grundsätzlich gilt auch für den Arbeitsvertrag das Prinzip der freien Rechtswahl nach Art. 3 in Verbindung mit Art. 8 Abs. 1 S. 1 Rom I-VO. Allerdings darf die Rechtswahl der Parteien nicht dazu führen, dass dem Arbeitnehmer der Schutz entzogen wird, der ihm durch Bestimmungen derjenigen Rechtsordnung gewährt wird, die bei Fehlen einer Rechtswahl anwendbar wäre. Im Arbeitsrecht ist das praktisch immer das Recht des Arbeitsortes. Neben den genuin arbeitsrechtlichen Normen gehört dazu auch das zwingende Arbeitsvertragsrecht einschließlich der AGB-Kontrolle.

Flexibilitätsvorteile lassen sich folglich durch die Vereinbarung einer fremden Rechtsordnung zwischen Arbeitnehmer und Vertragsarbeitgeberin nicht erzielen.

Anders ist die Sache zu beurteilen, wenn etwa Aktienoptionen unmittelbar von der ausländischen Muttergesellschaft versprochen werden. Ansprüche aus einer solchen Vereinbarung bestehen grundsätzlich ausschließlich gegenüber dem vertragsschließenden Konzernunternehmen; sie sind nicht Bestandteil des Arbeitsverhältnisses. Das bedeutet auch, dass fremdes Recht vereinbart werden kann, ohne dass der oben beschriebene Günstigkeitsvergleich erfolgt. Die jeweilige Vertragsarbeitgeberin ist daneben nur dann passivlegitimiert, wenn die Teilnahme an dem Aktienoptionsprogramm ausdrücklich oder konkludent vereinbart wurde.

Das hat auch Auswirkungen auf die Mitbestimmung. Gewährt eine ausländische Konzernobergesellschaft Aktienoptionen an Arbeitnehmer eines deutschen Tochterunternehmens ohne jeglichen vertraglichen oder faktischen Einfluss durch dieses, fehlt es für ein Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats nach § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG an einer notwendigen Handlung der Konzerntochter. Folgerichtig hat der Betriebsrat auch kein Einsichtsrecht in von der Konzernmutter im Ausland gewährte Aktienzuteilungen.

Gerade bei international tätigen Finanzinstituten verweist der Arbeitsvertrag häufig auf einen Bonusplan der ausländischen Muttergesellschaft in der jeweils geltenden Fassung. Darin liegt ein einseitiger Änderungsvorbehalt zugunsten des Arbeitgebers. Eine solche Regelung ist nach deutschem Recht grundsätzlich als allgemeine Geschäftsbedingung an § 308 Nr. 4 BGB zu messen. Danach ist insbesondere unwirksam die Vereinbarung eines Rechts des Verwenders, die versprochene Leistung zu ändern oder von ihr abzuweichen, wenn nicht die Vereinbarung der Änderung oder Abweichung für den Arbeitnehmer zumutbar ist. Letzteres wird gerade in Streitfällen nicht gegeben sein.

Ferner findet sich in internationalen Bonusplänen üblicherweise ein Änderungsvorbehalt “nach freiem Ermessen”. Auch das wäre im Rahmen einer AGB-Kontrolle unwirksam, weil sie den Arbeitnehmer unangemessen benachteiligt. Denn sie nimmt dem Arbeitnehmer die nach § 315 BGB vorgesehene Möglichkeit, die Ausübung des Ermessens gerichtlich überprüfen zu lassen.

Bei der Verweisung auf einen Plan der ausländischen Muttergesellschaft kommt die AGB-Kontrolle allerdings nur dann zur Anwendung, wenn der Arbeitgeber auf die Änderungen des Bonusplans maßgeblichen Einfluss nehmen kann. Auch wenn die Vertragsarbeitgeberin mangels entsprechender Einflussmöglichkeit nicht als Verwenderin der AGB zu betrachten – und die §§ 305 ff. BGB nicht anwendbar – sind, muss § 319 Abs. 1 BGB beachtet werden. Danach ist die durch einen Dritten getroffene Bestimmung für die Vertragschließenden nicht verbindlich, wenn sie offenbar unbillig ist. Hier ist das Regel-Ausnahme-Verhältnis umgekehrt. Prozessualer Effekt: Der Arbeitnehmer muss im Streitfall die Voraussetzungen der Unbilligkeit beweisen.

In einem Bonusplan der ausländischen Muttergesellschaft wäre eine solche Regelung nicht per se unwirksam. Soll der Dritte die Bestimmung der Leistung nach freiem Belieben treffen, so ist der Vertrag nach § 319 Abs. 2 BGB nur dann unwirksam, wenn der Dritte die Bestimmung nicht treffen kann oder will oder wenn er sie verzögert.

Globale Vergütungssysteme enthalten in aller Regel “Bad-Leaver-Klauseln”, wonach ein Bonusanspruch nicht besteht, wenn der Berechtigte zum Zahlungszeitpunkt sein Arbeitsverhältnis gekündigt hat. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts können jedoch Sonderzahlungen, die zumindest auch der Vergütung geleisteter Arbeit dienen, nicht von zusätzlichen Voraussetzungen abhängig gemacht werden. Deshalb sind solche Stichtagsregelungen grundsätzlich unwirksam. Das dürfte wegen des Eingriffs in Art. 12 GG auch dann gelten, wenn die Stichtagsregelung im Bonusplan einer ausländischen Muttergesellschaft enthalten ist.

Internationale Bonuspläne können deutsches Arbeitsrecht nicht außer Kraft setzen. In internationalen Konzernstrukturen können jedoch Gestaltungsmöglichkeiten genutzt werden, wenn die Dokumentation unter sorgfältiger Beachtung der dargestellten Grundsätze erfolgt und die Parameter des billigen Ermessen eingehalten werden.

Dr. Hans-Peter Löw, Rechtsanwalt, Frankfurt a. M.

 
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