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RIW 1993, 938
 
OLG Köln
Schadensersatzanspruch gegen eine Fluggesellschaft bei Nichteinhaltung einer Gepäcktransit-Vereinbarung

OLG Köln, Entscheidung vom 10. April 1992 - 25 U 10/91;

OLG Köln vom 10.04.1992 - 25 U 10/91
RIW 1993, 938 (Heft 11)
Sachverhalt:Die Klägerin hatte von einem in Afrika (Burkina Faso) ansässigen Kunden eine Zahlung in Höhe von 38 915 000,00 CFA zu erhalten. Eine Mitarbeiterin der Klägerin, die Zeugin S., sollte das Geld bei dem Kunden abholen und es in ihrem Gepäck nach Deutschland bringen. Die Klägerin buchte für S. bei der Beklagten einen Flug von Burkina Faso über Paris nach Deutschland. Sie hatte zuvor mit dem Stationsleiter der Beklagten, dem Zeugen M., vereinbart, die Koffer der Zeugin S. mit dem Geld auf einen Anschlußflug nach Deutschland umzuladen, ohne daß diese dabei den Transitbereich des Flughafens verlassen. Der Geschäftsführer der Klägerin hatte sich zuvor bei der französischen Botschaft erkundigt, daß ein Transport des Koffers in der beschriebenen Weise möglich sei. Nach ihrer Ankunft auf dem Pariser Flughafen traf die Zeugin S. dort mit einem Mitarbeiter der Beklagten zusammen, dem sie den mitgeführten Koffer mit den Devisen übergab. Dieser war von dem Zeugen M. nicht darüber unterrichtet worden, daß der Koffer den Transitbereich des Flughafens nicht verlassen sollte. Als er versuchte, mit dem Koffer den französischen Zoll zu passieren, wurden die Devisen bei einer Durchleuchtung des Koffers entdeckt und vom französischen Zoll beschlagnahmt. Trotz Einschaltung eines französischen Anwalts wurden die beschlagnahmten Devisen von den französischen Behörden endgültig eingezogen. Die Klägerin verlangt Ersatz des eingezogenen Betrags sowie Ersatz der ihr im Zusammenhang mit dem Vorgang entstandenen Kosten. Die Klage hatte Erfolg.Aus den Gründen:»I. Die von der Klägerin erhobene Klage ist zulässig. Das Landgericht hat die Zulässigkeit der Klage nicht gesondert geprüft. Es hat hierbei verkannt, daß das von der Berufung herangezogene Abkommen über den internationalen Währungsfonds (BGBl. 1952 II, 637, 645, 728) - sogenanntes Abkommen von Bretton Woods - im Falle seiner Anwendbarkeit ausschließlich die Klagbarkeit des erhobenen Anspruches ausschließt. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs handelt es sich bei der in Art. VIII Abschn. 2 (b) bestimmten Klagbarkeit des Anspruches aus Devisenkontrakten um eine reine Prozeßvoraussetzung, die ausschließlich unter dem Gesichtspunkt der Zulässigkeit der erhobenen Klage zu prüfen ist (BGHZ 55, 334, 3391AWD 1971 S. 291.; BGH, NJW 1970, 1507, 15082AWD 1970 S. 272.; BGH, NJW 1980, 5203RIW 1979 S. 419.; vgl. auch Münch-Komm-Martiny, EGBGB, nach Art. 34, Anhang II RdNr. 32; Kegel, Internationales Privatrecht, § 23 III 3, S. 696).Die vom Landgericht unterlassene Prüfung der Zulässigkeit der von der Klägerin erhobenen Klage führt indessen nicht zum Erfolg der Berufung. Das Abkommen von Bretton Woods steht der Zulässigkeit der Klage nicht entgegen, da es auf den vorliegenden Sachverhalt nicht anwendbar ist. Nach Art. VIII Abschn. 2 (b) dieses Abkommens, den auch die Berufung als Wirksamkeitsvoraussetzung des ihm zugrundeliegenden Rechtsgeschäfts ansieht, kann aus Devisenkontrakten, die im Gegensatz zu Devisenschutzbestimmungen eines diesem Abkommen beigetretenen Landes stehen, nicht geklagt werden. Diese Vorschrift bezweckt lediglich den internationalen Schutz des Devisenbestandes eines Mitgliedslandes und kann somit erst dann zur Anwendung gelangen, wenn mit der Erfüllung des Klagebegehrens die Zahlungsbilanz eines Mitgliedstaates beeinträchtigt werden würde. Dies kann vorliegend bereits deshalb nicht der Fall sein, da sich die Klage hier ausschließlich gegen einen Inländer richtet. Gegenstand des Klagebegehrens ist nicht die Erfüllung eines auf Leistung von Devisen gerichteten Geschäfts, sondern die Leistung von Schadensersatz aufgrund Schlechterfüllung eines (möglicherweise) zwischen den Parteien zustande gekommenen Auftrages. Es fehlt daher an der von Art. VIII Abschn. 2 (b) geforderten grenzüberschreitenden Zahlungsvereinbarung.Ob die Zahlungsbilanz des Staates Burkina Faso beeinträchtigt wird, wie die Berufung meint, kann hier dahinstehen. Eine solche Beeinträchtigung könnte allenfalls durch das zwischen der Klägerin und ihrem afrikanischen Kunden abgeschlossene Rechtsgeschäft eintreten, welches aber nicht Gegenstand der erhobenen Klage ist.II. Die Klage ist auch in vollem Umfang begründet ...1. Allerdings ergibt sich der von der Klägerin geltend gemachte Schadensersatzanspruch nicht aus den Bestimmungen des Abkommens zur Vereinheitlichung von Regeln über Beförderung im Internationalen Luftverkehr vom 12. Oktober 1929 (Warschauer Abkommen, RGBl. 1929 II S. 1040; im folgenden: WA).Das im Falle internationaler Luftbeförderung geltende spezialgesetzliche Abkommen (vgl. §§ 44, 51 LuftVG) ist auf den vorliegenden Sachverhalt nicht anwendbar. Das hat auch das Landgericht zutreffend, wenn auch unter einem anderen rechtlichen Gesichtspunkt, verneint.a) Entgegen der Auffassung der Klägerin scheitert die Anwendbarkeit des WA nicht bereits deshalb, weil eine internationale Luftbeförderung nicht vorliegt. Nach Art. 1 Abs. 2 WA gilt als internationale Luftbeförderung u. a. eine Beförderung, deren Abflug- und Bestimmungsort im Gebiete eines Vertragsstaates liegt, aber eine Zwischenlandung in einem Gebiet vorgesehen ist, das entweder unter Staatshoheit eines Vertragsstaates oder eines Nicht-Vertragsstaates steht (Rundflug). Diese Alternative ist im vorliegenden Fall erfüllt, denn die Bundesrepublik Deutschland ist dem WA bereits am 29. 12. 1933 (RGBl. 1933 II, 1039), Frankreich seit dem 13. 2. 1933 (RGBl. 1933 II, 1039) und Burkina Faso (früher Obervolta) seit dem 9. 3. 1962 (BGBl. 1968 II, 779) beigetreten (vgl. auch zum aktuellen Ratifizierungsstand Ehlers, in: Bülow-Böckstiegel, Internationaler Rechtsverkehr, Band III, Nr. 792, 73 ff.). Nach Art. 1 Abs. 3WA steht der internationalen Luftbeförderung auch nicht entgegen, daß der Flug von mehreren Luftfrachtführern ausgeführt wurde.b) Die Haftungsnorm des Art. 18 Abs. 1 WA, nach der der Luftfrachtführer den Schaden zu ersetzen hat, der während der Luftbeförderung durch die Zerstörung, den Verlust oder die Beschädigung von aufgegebenem Reisegepäck entsteht, greift im vorliegenden Fall nicht ein.aa) Das von der Klägerin aufgegebene Reisegepäck ist zwar während der Luftbeförderung (vgl. Art. 18 Abs. 2 WA) abhanden gekommen, weil es aufgrund der Zollbeschlagnahme bzw. der nachfolgenden Einziehung von dem Luftfrachtführer nicht mehr zurückgegeben werden kann, so daß die Vorschrift nach ihrem Wortlaut an sich eingreifen würde.bb) Allerdings ist die Haftungsvorschrift des Art. 18 Abs. 1 WA auf die vorliegende besondere Sachverhaltsgestaltung nicht anwendbar. Der Senat geht hierbei in Übereinstimmung mit dem Landgericht, das lediglich die Anwendbarkeit der Haftungsbegrenzung des WA geprüft hat, davon aus, daß eine nur am Wortlaut des Art. 18 WA orientierte Betrachtungsweise den Besonderheiten der Obhutshaftung des Luftfrachtführers - jedenfalls den Besonderheiten des vorliegenden Falles - nicht gerecht wird.Zu berücksichtigen ist nämlich, daß es sich bei dem speziellen Haftungstatbestand des Art. 18 Abs. 1 WA um eine Norm handelt, die zu einer vermuteten Verschuldenshaftung des Luftfrachtführers für die in seinem Obhutsbereich befindlichen Sachen führt (vgl. Art. 20 Abs. 2 WA). Eine solche Verschuldensvermutung knüpft an eine objektive Sorgfaltspflichtverletzung des Luftfrachtführers an. Diese typisierte Sorgfaltspflichtverletzung muß aber gerade aus dem Wirkungsbereich des Luftfrachtführers selbst herrühren, d. h., der Luftfrachtführer muß es zu verantworten haben, daß das beförderte Gut auf nicht beabsichtigte Weise aus seinem Obhutsbereich gelangt ist. Bei einer Zollbeschlagnahme wegen unzulässigen Gepäckinhalts rührt die Schadensursache aber nicht aus dem Bereich des Luftfrachtführers, sondern wird durch die Anwendung hoheitlicher Zollvorschriften des jeweiligen Landes hervorgerufen, weil der Inhalt des zu befördernden Gepäckstücks gegen einschlägige Zollvorschriften verstößt. Führt demnach eine Beschlagnahme aufgrund einer Zollkontrolle nur wegen der Verletzung der jeweiligen nationalen Zoll- bzw. Devisenvorschriften zum Verlust des beförderten Gepäckstücks, so liegt die zur Konfiskation führende Ursache allein in dem Verantwortungsbereich des Kofferinhabers, nicht aber in der Sphäre des Luftfrachtführers. So wäre im vorliegenden Fall eine Haftung der Beklagten nach Art. 18 Abs. 1 WA auch nicht denkbar, wenn die Klägerin den 'normalen' Weg des Koffertransports gewählt hätte, nämlich unter Berührung des französischen Zolls, und dabei die Kontrolle nicht hätte erfolgreich passieren können. Nicht anders kann aber der Sachverhalt beurteilt werden, wenn die Beklagte - abredewidrig - den Koffer auf dem (an sich) normalen Weg befördert.Eine andere rechtliche Beurteilung kann möglicherweise dann angebracht sein, wenn die Beklagte entweder selbst für die Einhaltung der Zollvorschriften verantwortlich gewesen wäre oder selbst Einfluß auf die zollamtliche Behandlung des ihr anvertrauten Gutes gehabt hätte (vgl. dazu BGH, NJW 1964,2348, 2349; OLG Köln, ZLW 1982, 167, 171). Hierfür fehlen in vorliegendem Fall aber jegliche Anhaltspunkte...cc) Aus denselben Gründen muß auch eine Haftung nach dem im wesentlichen gleichlautenden § 44 Abs. 2 S. 1 LuftVG, der im Falle der Unanwendbarkeit des WA weiterhin anwendbar bleibt (§ 51 LuftVG), ausscheiden, weil auch ein Verlust von Gepäck i. S. d. Vorschrift aus denselben Erwägungen auszuscheiden hat.2. Der Anspruch der Klägerin ergibt sich aber aus einer positiven Vertragsverletzung der von den Parteien in Ergänzung des Luftbeförderungsvertrages geschlossenen Nebenabrede. Der Senat ist nach dem Ergebnis der vom Landgericht durchgeführten Beweisaufnahme der Überzeugung, daß sich die Parteien rechtsgeschäftlich verbindlich darüber geeinigt haben, daß der Stationsleiter der Beklagten, der Zeuge M., der in Paris ankommenden Mitarbeiterin der Klägerin, der Zeugin S., bei dem Umladen des Koffers in die Anschlußmaschine der Beklagten nach Hamburg in der Weise behilflich sein sollte, daß der Koffer ausschließlich innerhalb des internationalen Teils des Flughafens ohne Berührung des französischen Hoheitsgebiets transportiert werden sollte.a) Die Einigung über diese Art des Koffertransfers wurde anläßlich des Telefongesprächs des Geschäftsführers der Klägerin mit dem Stationsleiter der Beklagten, dem Zeugen M., Mitte September 1988 erzielt. Dies ist nunmehr zwischen den Parteien unstreitig.b) Zu Unrecht vertritt allerdings die Berufung die Auffassung, eine solche Abrede sei ohne rechtsgeschäftlichen Bindungswillen erfolgt, weil der Klägerin als langjähriger und guter Kundin der Beklagten durch den Transport des Koffers lediglich eine Gefälligkeit habe erwiesen werden sollen.aa) ... Hier ist ein solcher Bindungswille der Beklagten zu bejahen, weil sie den erheblichen Wert des Kofferinhaltes und das besondere Interesse der Klägerin an der Art und Weise des Koffertransportes kannte.bb) Nach dem Ergebnis der vom Landgericht durchgeführten Beweisaufnahme steht zur Überzeugung des Senats fest, daß der Zeuge M. ... hat erkennen können, daß der Koffer wegen der strengen französischen Devisenbestimmungen und des damit verbundenen Risikos einer Beschlagnahme durch den Zoll nur innerhalb des internationalen Bereichs des Flughafens befördert werden sollte ... [wird ausgeführt].«

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