Verrechnungspreise und Zollwert
Nach Schätzungen findet ca. 70 % des weltweiten Handels zwischen verbundenen Unternehmen statt. Die importierende Gesellschaft meldet in der Regel die Verrechnungspreise der mit ihr verbundenen Gesellschaft als Zollwert an. Bislang war rechtlich umstritten, ob es Auswirkungen auf den Zollwert und damit auf die Höhe der Zölle und der EUSt hat, wenn die Verrechnungspreise nachträglich eine Anpassung erfahren, um die Fremdüblichkeit der Preise zu gewährleisten (“arm's length priniciple”). Muss der Leiter der Abteilung Steuern und Zölle eine nachträgliche Erhöhung der Verrechnungspreise den Zollbehörden mitteilen – auch zur Vermeidung steuerstrafrechtlicher Konsequenzen? Kann er bei einer nachträglichen Senkung der Verrechnungspreise eine Erstattung beantragen? Der deutsche Zoll verlangt vom Importeur die Mitteilung nachträglicher Verrechnungspreiserhöhungen zwecks Nacherhebung, lehnt aber eine Erstattung im Fall einer nachträglichen Preissenkung ab mit dem Argument, dass sich die “Pauschalanpassung” nicht produkt- und einfuhrbezogen aufschlüsseln lasse. Das Urteil des EuGH vom 20. 12. 2017 in der Rs. C-256/16, zwingt jetzt zum Umdenken (das Urteil wird in der RIW 3/2018 veröffentlicht werden).
Ausgangspunkt war ein Verfahren vor dem FG München, in dem die Klägerin am Ende des Wirtschaftsjahres von ihrer Muttergesellschaft aufgrund einer in einem Advance Pricing Agreement (APA) festgelegten Verrechnungspreismethode eine Gutschrift von knapp 4 Mio. Euro erhalten und aufgrund des verringerten Zollwerts einen Erstattungsantrag gestellt hatte. Im Rahmen eines Vorlagebeschlusses hatte sich der EuGH mit der Frage zu befassen, ob sich eine nachträgliche Verrechnungspreisanpassung auf die Verzollung auswirkt.
Der EuGH stellt klar, dass der Zollwert vorrangig nach der Transaktionswertmethode gem. Art. 29 ZK (jetzt Art. 70 UZK), also nach dem bei einem Verkauf zur Ausfuhr tatsächlich gezahlten oder zu zahlenden Preis zu bestimmen ist. Allerdings soll der tatsächlich gezahlte Preis zollwertrechtlichen Berichtigungen unterliegen, wenn sich darin nicht der tatsächliche wirtschaftliche Wert einer eingeführten Ware widerspiegele. Eine nachträgliche Berichtigung des Transaktionswerts im Rahmen des Art. 78 ZK (jetzt Art. 48 UZK) komme nur in Sonderfällen in Betracht und scheide im vorliegenden Fall aus. Der EuGH sieht ansonsten die Gefahr, dass das einführende Unternehmen nur dann einen Antrag auf Berichtigung des Transaktionswerts stelle, wenn dieser nach unten zu berichtigen sei. Die Art. 28 bis 31 ZK (jetzt Art. 69, 70 und 74 UZK) seien daher dahin auszulegen, dass sie es nicht zulassen, als Zollwert einen vereinbarten Transaktionswert zugrunde zu legen, der sich teilweise aus einem zunächst in Rechnung gestellten und angemeldeten Betrag und teilweise aus einer pauschalen Berichtigung nach Ablauf des Abrechnungszeitraums zusammensetzt, ohne dass sich sagen lasse, ob am Ende des Abrechnungszeitraums diese Berichtigung nach oben oder nach unten erfolgen werde.
Auf den ersten Blick scheint also alles klar: Der unterjährig berechnete und bei der Einfuhr angemeldete Verrechnungspreis ist der Zollwert. Nachträgliche Verrechnungspreisanpassungen sind zollwertrechtlich irrelevant. Eine Berichtigung der Zollwerte und der Einfuhrabgaben erfolgt nicht. Das einführende Unternehmen hat wirtschaftliche Planungssicherheit.
Ein zweiter Blick offenbart allerdings die Schwächen des Urteils: Der EuGH hält einerseits den angewendeten Verrechnungspreis als Transaktionswert für die Zollwertbestimmung maßgeblich, will diesen aber korrigiert wissen, wenn er nicht den tatsächlichen wirtschaftlichen Wert der eingeführten Ware widerspiegele (so bereits EuGH, Urt. v. 12. 12. 2013 – C-116/12, Christodolou u. a., und v. 16. 6. 2016 – C-291/15, EURO2004.Hungary). Kern der Transaktionswertmethode ist aber gerade, dass der zwischen den Parteien ausgehandelte und tatsächlich gezahlte Preis dem “tatsächlichen wirtschaftlichen Wert” der Ware entspricht. Der EuGH kehrt letztlich zu einem normativen Zollwertbegriff zurück, also zu dem “Normalwert”, der gerade mit der Einführung des “Transaktionswertes” durch den GATT-Zollwertkodex 1980 überwunden werden sollte. Das einführende Unternehmen, ob unverbunden oder verbunden, muss letztlich jederzeit damit rechnen, dass die Zollbehörde Zweifel an der Marktüblichkeit des tatsächlich gezahlten Preises anmeldet und den Zollwert einseitig zu Lasten des Unternehmens heraufsetzt.
Auch setzt der EuGH sich überhaupt nicht mit dem Problem auseinander, dass erst die Verrechnungspreisanpassung die Unbeeinflusstheit der Preise nach Art. 29 Abs. 2 Buchst. a Satz 2 ZK (jetzt Art. 70 Abs. 3 Buchst. d UZK) gewährleistet und damit die Anwendung der Transaktionswertmethode ermöglicht. Kommt es zu einer nachträglichen Verrechnungspreisanpassung, zeigt dies, dass der unterjährig angemeldete Verrechnungspreis beeinflusst war. Gleichwohl soll dieser beeinflusste Preis nach dem Ansatz des EuGH dem Zollwert zugrunde gelegt werden.
Der EuGH war offensichtlich der Auffassung, dass die Rechtssache keine neue Rechtsfrage aufwirft, und entschied ohne Schlussanträge des Generalanwalts. Das Urteil lässt nicht erkennen, wie tief und en detail sich der EuGH mit dem rechtlichen Vortrag der Parteien und dem Vorlagebeschluss des FG auseinandergesetzt hat. Es wäre daher nicht überraschend, wenn der EuGH sich nicht zum letzten Mal mit dem Themenkreis “Verrechnungspreisanpassung und Zollwert” befassen musste.
Georg Eder, Rechtsanwalt, München