BGH zu Mietkürzungen: Mietrecht gilt auch in der Corona-Pandemie
von Sebastian Voitzsch, Münster
Mieter oder Vermieter – wer zahlt den Lockdown?
Im Januar hat der BGH seine mit Spannung erwartete Entscheidung zur Mietzahlungspflicht bei Corona-bedingter Schließung von Ladenlokalen verkündet. Im Vorfeld hatte es eine Reihe von Entscheidungen der erst- und zweitinstanzlichen Gerichte gegeben, die mal zur Seite des Mieters, mal zur Seite des Vermieters tendierten. Auch vermittelnde Lösungen und Ansätze, die Risiken pauschal zu verteilen, waren dabei.
Die Entscheidung des BGH stellt insbesondere zunächst klar, dass eine hoheitlich angeordnete Schließungsverfügung keinen Mangel im Sinne des § 536 BGB darstellt. Denn die Schließung beruhe in diesem Fall nicht auf der Beschaffenheit der Mietsache, für die der Vermieter verantwortlich sei. Das Verwendungsrisiko aber, also das Risiko, die gemietete Sache auch für die beabsichtigten Zwecke verwenden zu können, liegt grundsätzlich beim Mieter.
Ist die Mietsache nicht mangelhaft und dem Vermieter die vertraglich geschuldete Pflicht, die Mietsache in ordnungsgemäßem Zustand zu überlassen, nicht unmöglich, ist der Mieter umgekehrt verpflichtet, die Miete zu zahlen – dem Grunde nach in voller vereinbarter Höhe. Hindernisse, die außerhalb der von den Parteien zu beeinflussenden Risiken liegen, können nach den allgemeinen Regelungen des Schuldrechts aber zu einem Anpassungsverlangen führen (§ 313 BGB).
Dafür sieht der BGH die Voraussetzungen als gegeben an: beim Abschluss des Mietvertrages seien weder Vermieter noch Mieter davon ausgegangen, dass es infolge einer Pandemie zu einem Öffnungsverbot für Ladenlokale kommt und es damit dem Mieter unmöglich gemacht wird, die für die Erwirtschaftung der Miete nötigen Umsätze zu erzielen. Dies ist – so der BGH – im Übrigen auch nicht alleiniges Problem des Mieters. Vielmehr geht er davon aus, dass die Parteien, sofern sie eine Pandemie vorhergesehen hätten, für diesen Fall eine Anpassung der Miete vereinbart hätten.
Damit ist allerdings nur der Weg frei für die Anwendung der Regeln über die Vertragsanpassung wegen veränderter Umstände. Eine pauschalierende Anpassung im Sinne von x% der vertraglich vereinbarten Miete kommt nach dem Urteil des BGH nicht in Betracht. Notwendig sei es vielmehr, im einzelnen abzuwägen, welche Vor- und Nachteile sich durch die Situation ergeben und welche Anpassung im Einzelfall gerechtfertigt ist. Der BGH bezieht hier mit ein, dass die Corona-Pandemie zu einer Vielzahl von Veränderungen geführt hat: die Einführung von Kurzarbeit etwa entlastet die Unternehmen in Bezug auf die zu zahlenden Gehälter, öffentlich-rechtliche Zuschüsse, Hilfsgelder und ähnliche Erleichterungen führen ebenfalls dazu, dass die wirtschaftliche Situation nicht nur durch den Entfall von Umsätzen gekennzeichnet ist, sondern gleichzeitig auch Hilfen gezahlt werden, die in die Gesamtbetrachtung einbezogen werden müssen.
Erst nach einer Gegenüberstellung aller Vor- und Nachteile lässt sich ermitteln, in welcher Höhe es dem Mieter zumutbar ist, die Miete trotz der pandemiebedingten Schließung des Ladenlokals weiterzuzahlen. Der BGH deutet hier überdies auch an, dass allein die Möglichkeit, Hilfen zu erhalten, ggfls. einzubeziehen ist. Auch an dieser Stelle stellt demnach für den BGH die Corona-Pandemie keinen Grund dar, vom allgemeinen Grundsatz der Schadensminderungspflicht abzuweichen. Wie weit man angesichts der Komplexität der Hilfsregelungen und der teilweise mehrfach veränderten Rückzahlungsbedingungen dem Mieter tatsächlich vorwerfen kann, Hilfsregelungen nicht in Anspruch genommen zu haben, werden sicherlich weitere Entscheidungen zeigen.
Sebastian Voitzsch ist Rechtsanwalt und Fachanwalt für Arbeitsrecht. Nach zweijähriger Tätigkeit in einer ehemaligen OLG-Kanzlei, die seine vorhandene Vorliebe für alle Bereiche der Prozessführung weiter verstärkt hat, gehört er seit 2009 zum Team der MÖNIG Wirtschaftskanzlei. Hier vertritt er die Bereiche (Insolvenz-)Arbeits- und Prozessrecht. Da der beste Prozess, der ist, der nicht geführt werden muss, berät und vertritt er Mandanten auch ohne bzw. zur Vermeidung gerichtlicher Auseinandersetzungen.