BGH urteilt zu Mietanpassung im Lockdown
von Sebastian Voitzsch, Münster
Laden dicht, was ist mit der Mietzahlung?
Spätestens seit sich adidas im letzten Jahr mit der Ankündigung, die Miete für einige Filialen der eigenen Ladenkette nicht zu zahlen, das Image raponiert hat, ist das Problem einem größeren Kreis bekannt: was passiert mit der Pflicht zur Mietzahlung, wenn der Mieter seine Räumlichkeiten nicht oder jedenfalls nicht gewinnbringend nutzen kann, weil staatliche Behörden zur Corona-Abwehr die Schließung des Ladens angeordnet haben?
Auf den ersten Blick scheint das Mietrecht eine eindeutige Antwort zu haben: solange die Einschränkung nicht aus der Sphäre des Vermieters stammt, der mit den Lockdown-Schließungen bekanntlich nichts zu tun hat, trägt der Mieter das sog. Verwendungsrisiko. Ob er seinen Laden tatsächlich öffnen und mit dem Verkauf seiner Ware auskömmliche Umsätze erzielen kann, spielt dabei keine Rolle.
Die umfassenden Einschränkungen in den Lockdowns haben indes insbesondere den Einzelhandel und die Gastronomie in teilweise existenzbedrohliche Situationen gebracht, in denen diese einfache Lösung nicht passend schien. Seither versuchen die Gerichte, eine Lösung für dieses Dilemma zu finden. In den Entscheidungen der Land- und Oberlandesgerichte findet sich die ganze Bandbreite: vollständige Stattgabe wie Abweisung der auf Zahlung gerichteten Klage, Abwägung in Einzelfall unter Berücksichtigung der jeweils konkret vorgetragenen Situation, sowohl von Mieter als auch Vermieter, und pauschale Reglelungen: nach dem Motto „Geteiltes Leid ist halbes Leid“ hat z.B. das OLG Dresden den Parteien eine 50:50-Regelung ins Urteil geschrieben.
Der BGH scheint sich für eine differenzierte Regelung je nach den konkreten Umständen des Einzelfalles auszusprechen, das jedenfalls klang im Termin zur mündlichen Verhandlung an. Er erkannte einerseits an, dass es grundsätzlich durchaus die Sache des Mieters sei, das Verwendungsrisiko zu tragen. Andererseits könne nicht von den Mietern verlangt werden, die Lasten des Lockdowns allein zu tragen; das seit Ende Dezember 2020 gesetzlich geregelte Anpassungsverlangen zeigt, das der Gesetzgeber diesen Ansatz teilt. Wie viel von der Last der Mieter durch Mietreduzierung weitergeben kann, soll aber von den konkreten Umständen des Einzelfalles abhängen und nicht mit einer pauschalen Quote bestimmt werden. Maßgebich sei unter anderem, ob die Ausfälle des Mieters z.B. durch staatliche Hilfen, eine Betriebsausfallversicherung o.ä. kompensiert wurden. Aber auch die Situation des Vermieters wird dabei eine Rolle spielen, nicht alle Immobilien sind „ausfinanzierter Bestand“; springt man dem Mieter zur Seite, kann das Problem der Existenzbedrohung schnell auf Seiten des Vermieters, der seine Darlehensraten nicht bedienen kann, zurückkehren.
Die Entscheidung ist für den 12. Januar angekündigt, wir werden das Verfahren im Blick behalten und in einer der nächsten Ausgaben berichten, welche Lösung der BGH für solche Fälle vorsieht.
Sebastian Voitzsch ist Rechtsanwalt und Fachanwalt für Arbeitsrecht. Nach zweijähriger Tätigkeit in einer ehemaligen OLG-Kanzlei, die seine vorhandene Vorliebe für alle Bereiche der Prozessführung weiter verstärkt hat, gehört er seit 2009 zum Team der MÖNIG Wirtschaftskanzlei. Hier vertritt er die Bereiche (Insolvenz-)Arbeits- und Prozessrecht. Da der beste Prozess, der ist, der nicht geführt werden muss, berät und vertritt er Mandanten auch ohne bzw. zur Vermeidung gerichtlicher Auseinandersetzungen.