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SRNL 2023, 13
Fröschen 

BFH erteilt fiktiver Veranlagung bei Aufteilung der Einkommensteuer während eines laufenden Insolvenzverfahrens eine Absage

von Dirc Fröschen, Aachen

Abbildung 15

Endlich geklärt: Gewinnermittlung im Insolvenzverfahren!

Mit Urteil vom 19.01.2023 (Az. III R 44/20) hat sich der III. Senat des BFH mit der Frage befasst, wie die Einkommensteuer während eines laufenden Insolvenzverfahrens auf die einzelnen Einkünfte zu verteilen ist. Der Fall betraf Veranlagungsjahren nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens, sodass der BFH nicht über die zeitliche Aufteilung der Einkünfte auf den Zeitraum vor und nach Insolvenzeröffnung zu entscheiden hatte.

Im Streitfall erzielte der Schuldner sowohl Einkünfte aus dem vom Insolvenzverwalter fortgeführten Gewerbebetrieb, welche unstrittig der Insolvenzmasse, als auch Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit, welche dem insolvenzfreien Vermögen zuzurechnen waren.

Das Finanzamt teilte die (zutreffend) ermittelte Einkommensteuer im Verhältnis der Einkünfte zwischen dem Schuldner als Steuerpflichtigem und der Insolvenzmasse auf, die auf diese Weise mit Masseschulden belastet wurde.

Hiergegen erhob der Steuerpflichtige erfolglos Einspruch und anschließend Klage beim FG Sachsen. Er begehrte, die Einkommensteuer gemäß einer fiktiven Veranlagung festzusetzen, sodass für seine Einkommensteuerbelastung lediglich die insolvenzfreien Einkünfte berücksichtigt werden.

Das Finanzgericht gab der Klage teilweise statt (05.02.2020 – 5K 1387/19). Zwar folgte es nicht der Berechnung des Klägers, jedoch hatte es Bedenken gegenüber der Tatsache, dass die Aufteilung anhand der Einkünfte (wie vom Finanzamt durchgeführt) zu einer Besteuerung des Grundfreibetrages führte. Es entschied deshalb, dass der Grundfreibetrag bei den insolvenzfreien Einkünften des Klägers abzuziehen ist und erst anschließend die Einkommensteuer gemäß der (gekürzten) Einkünfte zu verteilen sei.

Gegen dieses Urteil legte das FA Revision ein.

Der BFH gab der Revision statt und hob das Urteil auf.

Der Berechnung des FG Sachsen war allein schon deshalb nicht zu folgen, weil der Grundfreibetrag Teil der Tarifvorschriften und als solcher nicht zum Abzug von den Einkünften vorgesehen ist. Jedoch äußerte sich der III. Senat des BFH auch grundsätzlich und bekräftigte seine frühere (strittige) Rechtsauffassung wonach die Aufteilung zwischen Masse und Schuldner anhand der Einkünfte vorzunehmen ist. Da dem Insolvenzschuldner alle Einkünfte weiterhin zuzurechnen sind, ist es nach Ansicht des BFH nur folgerichtig, dass die Einkommensteuer im Verhältnis der Einkünfte aufzuteilen ist, da die Einkünfte ununterscheidbar zur Einkommensteuer beitragen. Eine gesonderte Veranlagung der Einkommensteile würde diese ohne sachlichen Grund privilegieren.

Der BFH geht jedoch noch einen Schritt weiter und hält jede andere Aufteilung als der gesetzlichen Grundsystematik widersprechend; bloße Zweckmäßigkeitserwägungen würden die Durchbrechung ebendieser nicht rechtfertigen. Insbesondere Aufteilungen, die analog zu den §§ 268 ff. AO anhand einer Schattenveranlagung vorgehen, werden als nicht praktikabel erachtet (so z.B. Loose in Tipke/Kruse, § 251 AO Rz. 72; Waza/Uhländer/Schmittmann, Insolvenzen und Steuern, 13 Aufl. 2021, RZ 1461)

Mit der obigen Entscheidung stellt der BFH eine verbindliche Aufteilung dar, wie die Einkommensteuer im Falle einer Insol¬SRNL 2023 S. 13 (14)venz auf die Insolvenzmasse und das Insolvenzfreie Vermögen zu verteilen ist. Diese reine „Einkünfte bezogene Verteilung“ ist in der Berechnung unkompliziert, da eine Aufteilung von Pauschbeträgen, Sonderausgaben oder außergewöhnlichen Belastungen unterbleibt. Allerdings bleiben die in der Literatur (z.B. Frotscher, Besteuerung bei Insolvenz, 9 Aufl. 2021, 145 ff.) aufgeführten Bedenken bestehen, wonach die unberücksichtigte Progression zu Härten führen kann.

Fraglich ist, ob sich die Entscheidung des BFH über den aktuellen Fall hinaus auch auf die, wohl allgemein relevantere, Frage der zeitlichen Aufteilung im Jahr der Insolvenzeröffnung übertragen lässt. Da der BFH in seiner Urteilsbegründung insbesondere auf die Identität des Steuerschuldners und den ununterscheidbaren Beitrag der Einkünfte zur Einkommensteuer abstellt, kann vermutet werden, dass die Entscheidung auch für die zeitliche Aufteilung von Bedeutung sein wird, sodass auch hier eine Aufteilung anhand der Einkünfte geraten ist.

Das Urteil ist zu begrüßen, schafft es doch Klarheit in der praktischen Anwendung. Da die Steuerschuld der Masse vorweg zu berichtigen ist, besteht zwischen Verwalter und Insolvenzschuldner mit eigenen Einkünften ein Spannungsverhältnis, da beide Seiten bestrebt sind, ihre Steuerschuld zu minimieren. Das BFH Urteil schafft hierzu nunmehr eine klare Handlungsanweisung.

Das Urteil wurde bisher nicht im BStBl. veröffentlicht, es ist deshalb nicht davon auszugehen, dass die Finanzverwaltung diese Rechtsprechung allgemein anwendet.

Abbildung 16

Steuerberater und Wirtschaftsprüfer Dirc Fröschen ist Partner bei Dr. Neumann, Schmeer und Partner, Aachen. Er ist zertifizierter Experte für steuerliche und betriebswirtschaftliche Beratung im Zusammenhang mit Sanierung, Restrukturierung und Insolvenzverwaltung. Weitere Schwerpunkte sind die laufende steuerliche und betriebswirtschaftliche Beratung sowie Prüfung von Unternehmen unterschiedlicher Branchen, insbesondere der öffentlichen Hand, öffentlich-rechtlicher Körperschaften und von Forschungseinrichtungen.

 
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