Besonderheiten bei Emissionsberechtigungen
von Dr. Franc Zimmermann / Michelle König, Gifhorn
Wer zahlt die Zeche?
Der Mode-Begriff „Nachhaltigkeit“ wird mittlerweile – teilweise mit fragwürdigem Bezug – in nahezu jedem Lebensbereich verwandt und soll offenbar – je nach Branche und Bezug – ein besonderes Verantwortungsbewusstsein signalisieren. Im Hinblick auf die Umwelt ist „Nachhaltigkeit“ wohl dahingehend zu verstehen, dass mit den der Menschheit zur Verfügung stehenden endlichen Ressourcen verantwortungsvoll umgegangen wird.
Insbesondere im öffentlichen Recht werden Betreibern von Anlagen besondere Nachsorgepflichten auferlegt, was im Wesentlichen naheliegend ist: Wer ein Grundstück durch seinen Betrieb kontaminiert, soll auch für die Beseitigung aufkommen. Grundsätzlich ist diese Entscheidung nachvollziehbar und richtig, führte jedoch schon in der Vergangenheit zu Spannungen zwischen Verwaltungsrechtlern und Insolvenzrechtlern, wenn es um einen insolvent gewordenen Betrieb geht.
Im Verwaltungsrecht gilt das Verursacherprinzip. Danach richtet sich die verwaltungsrechtliche Inanspruchnahme grundsätzlich nach demjenigen, der den Schaden verursacht hat. Unter dem Gebot der Effektivität der Gefahrenabwehr ist es aber auch möglich, neben dem Verursacher den Grundstückseigentümer oder den Inhaber der tatsächlichen Gewalt über ein Grundstück in Anspruch zu nehmen. Nach verwaltungsrechtlicher Sichtweise ist es unter Insolvenzbedingungen möglich, den Insolvenzverwalter aufgrund der auf ihn übergegangenen Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis in Anspruch zu nehmen und die Beseitigungskosten als Masseverbindlichkeiten gem. § 55 InsO geltend zu machen. Daraus folgt, dass der Insolvenzverwalter bei Fortführung des Betriebes auch für solche Schäden und Altkontaminationen haftet, selbst wenn diese bereits vor Verfahrenseröffnung entstanden sind. Aus verwaltungsrechtlicher Sicht stellt dies einen Vorteil dar, da Masseverbindlichkeiten vorrangig zu behandeln und diese demnach vor den Insolvenzforderungen gem. § 38 InsO zu befriedigen sind. Diese Herangehensweise wird daher gern als massefeindlich bezeichnet, da sie den gesetzlichen Auftrag des Insolvenzverwalters zur Betriebsfortführung aufgrund des enormen Haftungspotentials deutlich erschwert und eine vorhandene Masse unter Umständen schwer beeinträchtigen kann.
Dem steht die insolvenzrechtliche, sog. massefreundliche, Sichtweise gegenüber: Die Verantwortlichkeit für die Beseitigung der Kontamination ist stichtagsbezogen zu beurteilen und bezieht sich somit auf den Zeitpunkt der Insolvenzverfahrenseröffnung. Dies führt dazu, dass Altkontaminationen bzw. die Beseitigungskosten hiernach lediglich Insolvenzforderungen gem. § 38 InsO darstellen, da sie bereits zuvor entstanden und folglich gegenüber den Masseverbindlichkeiten nach § 55 InsO nachrangig zu behandeln sind. Die insolvenzrechtliche Herangehensweise hat dabei nicht nur den Zweck, zu verhindern, dass eine Gläubigerungleichbehandlung eintritt, sondern auch, dass ein betroffener Betrieb mit dem Ziel einer Sanierung unter Insolvenzbedingungen fortgeführt werden kann.
Der Europäische Emissionshandel ist das zentrale Klimaschutzinstrument der EU. Erklärtes Ziel ist, die Treibhausgasemis¬
Das Gesetz regelt, dass bei einem fortgeführten Betrieb auch die Abgabenpflichten fortbestehen. Mit nicht unbeachtlichen Argumenten wird in Literatur und Rechtsprechung vertreten, dass nach der aktuell herrschenden Gesetzeslage keine Abgrenzung bzgl. fehlenden Zertifikaten aus der Vergangenheit auf den Zeitpunkt der Verfahrenseröffnung vorzunehmen ist, mit der Folge, dass die Fortführung eines jeden emittierenden Betriebes unter Insolvenzbedingungen unmöglich wird. Denn es wird nahezu immer an der Liquidität fehlen, etwaig fehlende Zertifikate hinzuzuerwerben. Zudem fallen zusätzliche Strafzahlungen an.
Selbst eine sanierende Übertragung durch Verkauf des Unternehmens in Form eines „asset deals“ würde nicht zu einem Sanierungserfolg führen können, da der Erwerber als Anlagenbetreiber nach vorgenannter Rechtsprechung auch für die nicht erfüllten Verpflichtungen aus der Vergangenheit haftet (Nachsorgepflicht). Das wiederum hat zur Folge, dass die Stilllegung eines emittierenden, insolventen Betriebes stets alternativlos ist. Insolvenz- und Restrukturierungsverfahren könnten keine Sanierung herbeiführen, mit der Folge, dass Arbeitsplätze und Werte vernichtet werden, was dann gerade nicht nachhaltig ist.
Der Gesetzgeber ist daher aufgefordert, Regelungen für Insolvenz- und Restrukturierungsverfahren aufzustellen, dass auch die Restrukturierung und Sanierung von emittierenden Betrieben gelingen kann.
Dr. Franc Zimmermann ist Fachanwalt für Insolvenzrecht und Partner der Kanzlei Mönning Feser Partner. Er ist spezialisiert auf die Sanierung und Restrukturierung von Unternehmen und wird seit 2008 überregional mit Schwerpunkten in Niedersachsen und Berlin als Insolvenzverwalter und Sachwalter bestellt. Seitdem hat Zimmermann mehr als 2.000 Insolvenz- und Restrukturierungsverfahren betreut.
Frau Michelle König ist seit 2021 Rechtsanwältin im Bereich der Insolvenzverwaltung bei Mönning Feser Partner. Sie bearbeitet im Wesentlichen Unternehmensinsolvenzen im Dezernat Dr. Zimmermann an den Kanzleiniederlassungen Braunschweig, Gifhorn und Hildesheim.