Betriebliches Eingliederungsmanagement (BEM) (Teil 2)
von Cornelia Mönning, Aachen
BEM: weg von der Krankheit – hin zur Arbeit
Ausgestaltung des BEM
Der Arbeitgeber, der festgestellt hat, dass der Arbeitnehmer innerhalb eines Jahres länger als 6 Wochen ununterbrochen oder wiederholt arbeitsunfähig ist, initiiert das BEM durch Einladung des Arbeitnehmers zu einem BEM – Gespräch unter Mitteilung von Zielen, Zweck sowie mit Hinweisen zum Datenschutz und zur Freiwilligkeit des Verfahrens.
Das Gesetz schreibt keine bestimmte Form für die Einleitung des BEM-Verfahrens vor, weshalb auch eine mündliche Einladung möglich wäre. Zu Nachweiszwecken und auch zum besseren Verständnis für den Arbeitnehmer ist eine schriftliche Einladung aber stets zu empfehlen.
Die Einladung zum BEM-Gespräch ist auch während der Arbeitsunfähigkeit möglich, da diese ja gerade überwunden werden soll. Hierauf sollte ggf. im Einladungsschreiben hingewiesen werden. Da das BEM-Verfahren aber für den Arbeitnehmer in jedem Fall ein freiwilliges Verfahren ist, kann er die Teilnahme auch während der Krankheit ablehnen. Es erscheint sinnvoll, das Gespräch in diesem Fall auf einen späteren Zeitpunkt zu verschieben.
Der Arbeitnehmer ist im Einladungsschreiben unbedingt darauf hinzuweisen, dass die Teilnahme am BEM freiwillig ist und dass die gesetzliche Regelung vorsieht, dass ohne sein Einverständnis ein BEM nicht durchgeführt werden darf, dass er seine Einwilligung für die Zukunft jederzeit ohne Angabe von Gründen widerrufen darf.
Mit dem Einladungsschreiben wird dem Arbeitnehmer ein zur Rückgabe fristgebundener Antwortbogen überreicht, auf dem er seine Bereitschaft oder die Ablehnung zur Teilnahme am BEM dokumentieren soll. Ist der Arbeitnehmer in diesem Zeitpunkt arbeitsunfähig erkrankt, ist er, ebenfalls unter Fristsetzung, aufzufordern, sich zu äußern, ob ihm wegen der Erkrankung eine Teilnahme am BEM-Gespräch unmöglich ist, ob er an dem BEM-Verfahren gleichwohl teilnehmen möchte, oder ob er darauf verzichtet.
Wenn der Arbeitnehmer mit der Rücksendung des Antwortbogens das BEM ablehnt, ist der BEM-Prozess an der Stelle bereits beendet. Gleiches gilt dann, wenn der Arbeitnehmer auf ein notweniges Erinnerungsschreiben keine Antwort gibt.
Sollte der Arbeitnehmer zustimmen, findet das Beratungsgespräch statt.
Der Arbeitnehmer sollte vor seiner Entscheidung, ob er an einem BEM-Verfahren teilnehmen möchte, über den möglichen Verlauf informiert werden, der sich wie folgt gestalten kann:
– In dem Beratungsgespräch wird der Arbeitnehmer nochmal auf die Ziele des BEM sowie die verarbeiteten Daten (nach Art und Umfang) hingewiesen. Es wird eine Verschwiegenheitserklärung unterzeichnet und über die Schweigepflichtentbindungserklärung gesprochen. Der Arbeitnehmer erklärt, ob er den Betriebsarzt und/oder seinen Hausarzt von der Schweigepflicht entbindet.
– Sodann kann mit dem ersten Maßnahmengespräch zwischen dem BEM-Team und dem betroffenen Arbeitnehmer begonnen und erste mögliche Maßnahmen erörtert werden. In dem ersten Maßnahmengespräch gilt es, zunächst festzustellen, welche Anforderungen der konkrete Arbeitsplatz und die dort verrichtete Tätigkeit im Einzelnen an den betroffenen Arbeitnehmer stellt und welche gesundheitlichen Risiken sich aus dem Arbeitsplatz und der Tätigkeit für den Arbeitnehmer ergeben. Es muss erörtert werden, welche Leistungseinschränkungen beim Arbeitnehmer bestehen, ob zwischen den Fehlzeiten und der Arbeitsplatzsituation des Arbeitnehmers ein Zusammenhang besteht und welche betrieblichen Maßnahmen möglich sind, damit der Arbeitnehmer weiterhin an seinem Arbeitsplatz
– Die festgestellten möglichen Maßnahmen werden in einem Maßnahmeplan für die spätere Umsetzung dokumentiert.
– Der BEM-Prozess endet regelmäßig mit einer Wirksamkeitskontrolle, das heißt, es muss nachgehalten und geprüft werden, ob und inwieweit die festgelegten Maßnahmen erfolgreich waren. Sind die Maßnahmen erfolgreich umgesetzt, ist das BEM-Verfahren beendet.
Allerdings ist in der Rechtsprechung noch nicht abschließend geklärt, wann ein BEM-Verfahren, in welchem Maßnahmen zum Erhalt des Arbeitsplatzes festgelegt wurden, als beendet betrachtet werden kann; wahrscheinlich erst mit deren Umsetzung. Waren die Maßnahmen wirksam, wird eine krankheitsbedingte Kündigung nicht mehr erforderlich sein. Ob die Maßnahmen ggf. aber erfolglos sind und deshalb das Arbeitsverhältnis nicht fortgesetzt werden kann, wird man erst wissen, wenn der Versuch der Umsetzung der Maßnahmen (nicht nur deren Festlegung) unternommen wurde. Erkrankt der Arbeitnehmer trotz dieser Maßnahmen erneut und wird festgestellt, dass die Arbeitsunfähigkeit nicht durch die festgelegten Maßnahmen am Arbeitsplatz oder im Betrieb (z.B. durch Umsetzung) behoben werden kann, ist das BEM-verfahren als beendet anzusehen.
Datenschutz
BEM-Daten sind personenbezogene Daten nach § 26 I und Daten besonderer Kategorien nach § 26 III BDSG und zugleich Gesundheitsdaten im Sinne von Art. 9 I DSGVO (Art 4 Ziff. 1 DSGVO) Danach ist die Verarbeitung (§ 46 Nr. 2 BDSG) von Gesundheitsdaten grundsätzlich untersagt, es sei denn, dass die betroffene Person in die Verarbeitung der genannten personenbezogenen Daten für einen oder mehrere festgelegte Zwecke ausdrücklich einwilligt (Art. 9 II a DSGVO), oder die Verarbeitung erforderlich ist (Art. 9 II b, f). Erforderlich ist die Verarbeitung, wenn der Verantwortliche gesetzlichen Pflichten nachkommen muss, oder die Daten zur Geltendmachung, Ausübung oder Verteidigung von Rechtsansprüchen benötigt und kein Grund zu der Annahme besteht, dass das schutzwürdige Interesse der betroffenen Person an dem Ausschluss der Verarbeitung überwiegt.
Zu den besonderen Kategorien personenbezogener Daten gehören auch die Gesundheitsdaten.
Es lässt sich nicht ausschließen, dass es im Rahmen des BEM zum Bekanntwerden und zeitweiligen Verarbeiten von personenbezogenen Daten, insbesondere Gesundheitsdaten kommt, die nicht zwingend für das BEM erforderlich waren. Dies kann geschehen, wenn der Arbeitnehmer selbst ausführlich von seinen Erkrankungen berichtet und dabei Daten offenbart, die für das BEM nicht notwendig sind. Deshalb sollte im Verlauf des BEM immer intensiv zwischen dem BEM-Team und dem betroffenen Arbeitnehmer abgestimmt werden, welche weiteren Daten verarbeitet werden. Der betroffene Arbeitnehmer sollte eindeutig erklären, welcher Datenverarbeitung er zustimmt und welcher nicht. Der Arbeitnehmer hat insoweit ein jederzeitiges Widerrufsrecht nach Art. 7 Abs. 3 DS-GVO.
Alle BEM-Unterlagen und darin eingeschlossen die zulässig verarbeiteten personenbezogenen Daten muss der Arbeitgeber getrennt von den übrigen Personalunterlagen (in einer gesonderten BEM-Akte) verschlossen und wirksam geschützt vor unberechtigten Zugriffen aufbewahren. (BAG 12.09.2006, 9 AZR 271/06). In die Personalakte darf nur aufgenommen werden, ob ein BEM angeboten, abgelehnt oder durchgeführt wurde, ob und wann es abgeschlossen oder abgebrochen wurde und welche konkreten Maßnahmen ggf. nur angeboten oder auch umgesetzt wurden.
Berechtigten Zugang zu den Daten hat lediglich das BEM-Team.
Alle Teilnehmer des BEM-Prozesses unterliegen der Schweigepflicht. Dazu müssen alle Mitglieder des BEM-Teams eine gesonderte Verschwiegenheitserklärung unterzeichnen.
Sollte trotz eines BEM-Verfahrens eine Kündigung erforderlich sein, dürfen die im BEM-Verfahren gewonnenen Daten nach Art 9 II f DSGVO zur Geltendmachung, Ausübung oder Verteidigung von Ansprüchen verwendet werden. Damit dürfen Personaldaten mit Gesundheitsbezug, wie. z.B. Dauer der Krankheit, Angaben zur Schwerbehinderung verwendet werden. Das BAG verlangt vom Arbeitgeber die Darlegung im Prozess, dass er das BEM-Verfahren ordnungsgemäß durchgeführt hat. Deshalb darf und muss das Einladungsschreiben des Arbeitgebers und das Antwortschreiben des Arbeitnehmers vorgelegt werden. Ebenso der Maßnahmeplan oder ein anderweitiges Abschlussschreiben des BEM-Teams. Gutachten und ärztliche Stellungnahmen dürfen nur mit Zustimmung des Arbeitnehmers im Prozess verwendet werden.
Das VG Wiesbaden hat am 19.01.2022, 6 K 361/21.WI entschieden, das Art 9 II f DSGVO der „Sicherung des Justizgewährleistungsanspruches“ dient… „…Lässt sich ein rechtlicher Anspruch nur unter Verarbeitung besonderer Kategorien personenbezogener Daten, hier sensitiver Gesundheitsdaten, durchsetzen, so soll es hieran nicht scheitern. Das Datenschutzregime soll nicht so weit gehen, dass die legitime Durchsetzung von Rechten nicht mehr möglich ist. Dasselbe muss vor dem Hintergrund der Waffengleichheit und des effektiven Rechtschutzes auch für die Abwehr von Ansprüchen gelten…“
Rechtsanwältin Cornelia Mönning verfügt über mehr als 25-jährige Expertise auf den Gebieten des Arbeitsrechts und des Insolvenzarbeitsrechts. Schwerpunkte ihrer Arbeit sind die Vorbereitung und Begleitung von Betriebsänderungen, Verhandlungen mit den Tarifvertragsparteien und natürlich auch die Vertretung von Arbeitgebern und Arbeitnehmern im arbeitsgerichtlichen Instanzenzug.