Die fehlende Gläubigerautonomie bei der Sonderinsolvenzverwaltung
von Dr. Franc Zimmermann, Gifhorn
De omnibus dubitandum.
Immer häufiger werden in Insolvenzverfahren Sonderinsolvenzverwalter eingesetzt. Für den juristischen Laien ist meist nicht erkennbar, weshalb dies geschieht und welche Rechtsstellung ein Sonderinsolvenzverwalter hat. Der nachfolgende Kurzbeitrag leistet eine erste Orientierung und zeigt zugleich ungelöste Probleme auf.
Der InsO liegt der Gedanke zugrunde, dass die Gläubiger autonom über den Verlauf des Insolvenzverfahrens entscheiden.1 Die Aufgabe des Insolvenzgerichtes soll sich auf eine reine Rechtmäßigkeitskontrolle beschränken.2 Demgemäß ist das oberste Organ die Gläubigerversammlung, welche im Berichtstermin über den Fortgang des Insolvenzverfahrens allgemein und gem. § 160 InsO in Fällen einer besonders bedeutsamen Rechtshandlung entscheidet.
Das Insolvenzgericht übt nach § 58 InsO die Aufsicht aus. § 92 Satz 2 InsO regelt für den Fall, dass (Gesamtschadens-)Ansprüche gegen den eingesetzten Insolvenzverwalter aufgrund unsachgemäßer Amtsführung durch diesen zu ersetzen sind, diese nur von einem neu bestellten Insolvenzverwalter (Sonderinsolvenzverwalter) geltend gemacht werden können. Die Sonderinsolvenzverwaltung ist – obgleich dieser folglich eine bedeutsame Stellung zukommt – gesetzlich nur sehr rudimentär geregelt. Gesichert ist jedoch, dass der Sonderinsolvenzverwalter ebenso wie der Insolvenzverwalter durch das Insolvenzgericht bestellt wird und die konkreten Aufgaben durch das Insolvenzgericht definiert werden.
Es wird die Auffassung vertreten, dass der Sonderinsolvenzverwalter nicht nur ein eigenverantwortliches Amt ausübt, sondern zudem nicht einmal Hilfsorgan des Insolvenzgerichtes sei.3 Anders als im Fall der Bestellung des Insolvenzverwalters billigen aber weder das Gesetz noch die Rechtsprechung hierbei den Gläubigern oder dem Schuldner Mitsprache-, Anhörungs-
Wenn die Auswahl, die Bestimmung des Aufgabenkreises und letztlich auch die Festsetzung der Vergütung dies Sonderinsolvenzverwalters ohne jegliche Beteiligung der Gläubiger oder des Schuldners stattfinden, dann passt dies nur dann in das Konzept der InsO, wenn der Sonderinsolvenzverwalter als verlängerter Arm des Insolvenzgerichtes angesehen wird, ähnlich wie ein externer Schlussrechnungsprüfer. Damit würde auch kongruieren, dass der konkrete Aufgabenkreis des Sonderinsolvenzverwalters einzig durch das Insolvenzgericht definiert wird. Folgt man diesem Gedanken, dann ist der Sonderinsolvenzverwalter Auftragnehmer in dem Auftragsverhältnis zwischen Insolvenzgericht als Auftraggeber und Sonderinsolvenzverwalter als Auftragnehmer. Dann wiederum ist erstaunlich, dass sich die Vergütung des Sonderinsolvenzverwalters nach den Vorschriften der InsVV bemessen soll, wenn dem Sonderinsolvenzverwalter nicht nur der Aufgabenkreis einer Forderungsprüfung zugewiesen ist.6 Dies ließe sich lediglich dadurch erklären, dass gerade bei umfangreicheren Sonderinsolvenzverwaltungen eine Erfassung der tatsächlich aufgewandten Zeit des Sonderinsolvenzverwalters sowie dessen Büros und die Findung angemessener Vergütungssätze kaum möglich erscheint.
Wenn aber der Sonderinsolvenzverwalter als Auftragnehmer des Insolvenzgerichtes tätig wird und dieses im Rahmen dessen Aufsichtsfunktion unterstützt, auf welcher Grundlage kann dann ein Sonderinsolvenzverwalter Rechtstreite führen und eine Sondermasse verwalten? Denn das Gericht könnte – ausgehend von dem Gedanken eines Auftragsverhältnisses – dem Sonderinsolvenzverwalter lediglich solche Rechte weiterdelegieren, welche dem Insolvenzgericht selbst zustehen. Ein Recht zur Prozessführung oder Inbesitznahme von Massegegenständen steht dem Insolvenzgericht jedoch nicht zu. Oder muss die gesetzgeberische Ermächtigung zur Delegierung der eigenen Aufsichtsmaßnahme des Insolvenzgerichtes in der Vorschrift des § 92 Satz 2 InsO gesehen werden, welche selbst die Befugnisse des (Sonder-)Insolvenzverwalters abschließend legitimiert?7 Wenn dem so ist, dann stellt sich wiederum die Frage, weshalb für den Sonderinsolvenzverwalter nicht sämtliche Vorschriften der InsO zumindest analog gelten, um ein in Grundzügen in sich schlüssiges und kohärent gläubigerautonomes System zu etablieren? Wenn der Sonderinsolvenzverwalter eine eigene Sondermasse verwaltet, kann diese selbst und isoliert masseunzulänglich werden oder sein? Hierfür spricht einiges, insbesondere, dass die Rechtsprechung konzeptionell darauf abstellt, dass der Sonderinsolvenzverwalter zwar nach den Vorschriften der InsVV zu vergüten, aber als Berechnungsgrundlage nur die durch den Sonderinsolvenzverwalter verwaltete Sondermasse heranzuziehen ist.8 Dann muss aber weiter gefragt werden: Aus welcher Masse sind die Kosten der Sonderinsolvenzverwaltung zu begleichen (Gerichtskosten, Verwaltervergütung, Kosten etwaiger Rechtsstreite etc.)? Welche Verteilungsreihenfolge gilt für die Sondermasse? Und, müsste die Sondermasse nicht als eigenständiges Steuersubjekt grundsätzlich denkbar sein?
Im Ergebnis ist festzustellen, dass die mit weitreichenden Befugnissen ausgestattete Sonderinsolvenzverwaltung sich nicht widerspruchsfrei erklären lässt und die Rechtsprechung hier auch keine klare, einheitliche Linie verfolgt. Da die Kosten der Sonderinsolvenzverwaltung eine erhebliche Höhe annehmen und daher entsprechende Auswirkungen auf die Gläubigerbefriedigungshöhe haben können,9 aber auch unter dem Gesichtspunkt der Rechtssicherheit ist es dringend erforderlich, dass der Gesetzgeber einen verbindlichen Rahmen für die Sonderinsolvenzverwaltung schafft.
Dr. Franc Zimmermann ist Fachanwalt für Insolvenzrecht und Partner der Kanzlei Mönning Feser Partner. Er ist spezialisiert auf die Sanierung und Restrukturierung von Unternehmen und wird seit 2008 überregional mit Schwerpunkten in Niedersachsen und Berlin als Insolvenzverwalter und Sachwalter bestellt. Seitdem hat Zimmermann mehr als 2.000 Insolvenz- und Restrukturierungsverfahren betreut.
1 | Hamburger Kommentar/InsO § 1 Rn. 50; Pape/Gundlach/Vortmann/Handbuch der Gläubigerrechte, Kap. 3, Vorbemerkung, Rn. 171. |
2 | Pape, ZInsO 1999, S. 305; Frankfurter Kommentar/InsO-Wimmer § 58 Rn. 5. |
3 | Frege, Der Sonderinsolvenzverwalter Rnrn. 19, 39. |
4 | BGH, Beschl. v. 21.07.2016 – IX ZB 58/15; BGH, ZInsO 2011, S. 131; BGH, ZInsO 2009, S. 476; BGH, ZInsO 2010, S. 2088; BGH NZI ZIP 2004, S. 1693, 1696 |
5 | Frege a.a.O. |
6 | LG Detmold, Beschl. v. 21.04.2021 – 3 T 195/20; LG Braunschweig, Beschl. v. 23.12.2011 – 6 T 728/11. |
7 | Die Gesetzesbegründung zu § 92 InsO ist hierbei nicht hilfreich, da sie die Problemlagen bereits nicht erkennt, vgl. BT-Drs. 12/2443, zu § 103 (S. 193). |
8 | LG Detmold, Beschl. v. 21.4.2021 – 3 T 195/20. Hierfür wohl auch: Graeber, Graeber, InsbürO 2019, 71. In Gänze nicht nachvollziehbar, da auf eine fiktive Masse abstellend: BGH, Beschl. v. 21.01.2010 – IX ZB 163/08. |
9 | In dem der Entscheidung BGH, Beschl. v. 21.01.2010 – IX ZB 163/08 zugrunde liegenden Fall wurde durch den Sonderinsolvenzverwalter keine Sondermasse generiert und die Vergütung des Sonderinsolvenzverwalters auf 1.390.177,07 EUR festgesetzt. |