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SRNL 2023, 10
Mönning 

Die neuen gesetzlichen Verpflichtungen der Arbeitgeber zum Schutz der „Whistleblower“

von Cornelia Mönning, Aachen

Abbildung 12

Pfeife frei für Whistleblower?

Das Hinweisgeberschutzgesetz (Gesetz für einen besseren Schutz hinweisgebender Personen

sowie zur Umsetzung der Richtlinie zum Schutz von Personen, die Verstöße gegen das Unionsrecht melden), trat am 2. Juli 2023 in Kraft.

Hauptanliegen ist der Schutz der Hinweisgeber (Whistleblower) vor Nachteilen.

Gemäß § 1 HinSchG sind das „…natürliche Personen, die im Zusammenhang mit ihrer beruflichen Tätigkeit oder im Vorfeld einer beruflichen Tätigkeit Informationen über Verstöße erlangt haben und diese an die nach diesem Gesetz vorgesehenen Meldestellen melden oder offenlegen (hinweisgebende Personen) …“

Gleichfalls sollen auch Personen geschützt werden, „… die Gegenstand einer Meldung oder Offenlegung sind, sowie sonstige Personen, die von einer Meldung oder Offenlegung betroffen sind…“

Das Gesetz gilt für die Privatwirtschaft und auch für den öffentlichen Dienst.

Erfasst werden damit alle Arbeitnehmer und Auszubildenden, Beamte, aber auch Praktikanten, Stellenbewerber, Geschäftsführer, und Personen, deren Beschäftigungsverhältnis bereits beendet ist.

Das Gesetz gilt uneingeschränkt auch für insolvente Betriebe. Gerade in Insolvenzverfahren, in denen regelmäßig, auch im Falle beabsichtigter Sanierungsmaßnahmen, Kündigungen und andere personelle Maßnahmen unumgänglich sind, wird es ggf. darauf ankommen, darlegen und beweisen zu können, dass die betroffene (evtl. gekündigte) Person nicht wegen zuvor gegebener Hinweise benachteiligt wurde.

Die durch das Gesetz geschützten Meldungen sind im § 2 HinSchG abschließend geregelt. Geschützt werden hiernach

– Meldungen strafbewehrter Verstöße,

– Ordnungswidrigkeiten, soweit die verletzte Vorschrift dem Schutz von Leben, Leib oder Gesundheit oder dem Schutz der Rechte von Beschäftigten oder ihrer Vertretungsorgane dient, und

– sonstige Verstöße gegen Rechtsvorschriften des Bundes und der Länder sowie unmittelbar geltende Rechtsakte der Europäischen Union und der Europäischen Atomgemeinschaft.

In der arbeitsrechtlichen Praxis dürften Verstöße gegen das Arbeitszeitgesetz, das Mindestlohngesetz, Verstöße gegen Umweltschutz oder Datenschutz relevant sein.

Im Wesentlichen soll der Schutz durch die Einrichtung und Nutzung von internen (vom Arbeitgeber einzurichtenden) und externen (durch Bund/Länder einzurichtenden) Meldestellen möglich werden.

Was ist bei der Einrichtung interner Meldestellen durch Arbeitgeber zu beachten?

Unternehmen mit in der Regel mehr als 50 Beschäftigten sind verpflichtet, ab sofort ein internes Hinweisgebersystem (interne Meldestelle) einzurichten. Unternehmen, die in der Regel weniger als 250 Mitarbeitende beschäftigen, müssen diese Meldestelle erst bis zum 17. Dezember 2023 einrichten. Bei der Ermittlung Beschäftigtenzahl ist kein Stichtag maßgeblich, sondern es kommt auf die regelmäßige Beschäftigtenzahl an (Jahresrückblick bzw.-vorschau).

Unternehmen mit weniger als 50 Beschäftigten müssen interne Meldestellen einrichten, sofern sie den in § 12 Abs. 3 HinSchG genannten Branchen (z.B. Wertpapierdienstleistungs-unternehmen, Datenbereitstellungsdienste, Börsenträger oder Institute i.S. des Kreditwesen-gesetzes) zuzuordnen sind.

Das Gesetz enthält für die Organisation der Meldestellen nur wenige Vorgaben. So ist z.B. nicht geregelt, ob ein eigener Raum für die Meldestelle zur Verfügung gestellt werden muss. Es ist daher zu empfehlen, die ISO 37002:201, die im Juli 2023 als Standard für Hinweisgebersysteme veröffentlicht wurde, einzuhalten.

Die internen Meldestellen müssen durch personell unabhängige und fachlich kompetente Personen besetzt werden (§ 15 HinSchG). Das können eine oder mehrere beim Arbeitgeber beschäftigte Personen, aber auch Dritte (externe Berater, Prüfer, Gewerkschaftsvertreter, Arbeitnehmervertreter oder Rechtsan¬SRNL 2023 S. 10 (11)wälte) sein. Der Arbeitgeber hat dafür Sorge zu tragen, dass die Personen der Meldestelle über die notwendige Fachkunde verfügen, wobei auch hier offenbleibt, welche Fachkunde vorhanden sein muss (juristisches Fachwissen, um einordnen zu können, ob die Meldung i.S. von § 2 geschützt ist? Persönliche Kompetenz zur Verschwiegenheit?) und welche Schulungsmaßnahmen zur Erlangung der notwendigen Fachkunde geeignet sind. Denkbar wäre es insofern bei kleineren Arbeitgebern, die Person des Korruptionsbeauftragten, des Integritätsbeauftragten oder des Datenschutzbeauftragten mit der Aufgabe zu betrauen (BT-Drs. 20/3442,80).

Die Personen der Meldestelle sind bei der Ausübung der Tätigkeit für die interne Meldestelle weisungsfrei und dürfen neben ihrer Tätigkeit für die interne Meldestelle andere Aufgaben und Pflichten wahrnehmen, wobei sicherzustellen ist, dass derartige Aufgaben und Pflichten nicht zu Interessenkonflikten führen. Sie genießen aber keinen besonderen Kündigungsschutz. Die Personen der internen Meldestelle dürfen interne Untersuchungen (§ 18) beim Arbeitgeber durchführen und betroffene Personen und Stellen kontaktieren. Dabei dürfen unter Beachtung der Vorgaben zur Vertraulichkeit (§ 9 Abs. 3 und 4) Informationen an andere Arbeitseinheiten bei dem Arbeitgeber weitergegeben, oder Nachfragen gestellt, oder zur Mitteilung näherer Anhaltspunkte zur Überprüfung einer Meldung aufgefordert werden (BT-Drs. 20/3442, 82).

Die interne Meldestelle hat innerhalb von sieben Tagen den Eingang einer Meldung zu bestätigen (§ 17 HinSchG). Sie prüft, ob der Verstoß überhaupt in den sachlichen Anwendungsbereich des HinSchG (§ 2) fällt. Sie hält mit der hinweisgebenden Person Kontakt und ersucht sie ggf. um weitere Informationen. Letztlich hat die interne Meldestelle dem Hinweisgeber innerhalb von drei Monaten nach Eingangsbestätigung, bzw. drei Monaten und sieben Tagen nach Eingang der Meldung Rückmeldung über die geplanten und bereits ergriffenen Folgemaßnahmen und die Gründe hierfür zu geben.

Die interne Meldestelle sollte auch anonym eingehende Meldungen bearbeiten. Es besteht allerdings keine Verpflichtung für Arbeitgeber, die Meldekanäle so zu gestalten, dass sie die Abgabe anonymer Meldungen ermöglichen.

Personen, die beabsichtigen, Informationen über einen Verstoß zu melden, können wählen, ob sie sich an eine interne Meldestelle (§ 12) oder eine externe Meldestelle (§§ 19 bis 24) wenden, wobei die Meldung an eine interne Meldestelle bevorzugt werden soll. Hierfür hat der Arbeitgeber Anreize zu schaffen, darf aber die Möglichkeit einer externen Meldung nicht beschränken oder erschweren. Wie der Anreiz aussehen soll, lässt der Gesetzgeber offen. Zu denken ist hierbei an einfache und leicht zugängliche Meldewege (per E-Mail, Intranet), an eine Besetzung der Meldestellen mit vertrauenswürdigen Personen, damit der Hinweisgeber Gewissheit hat, dass seinem Hinweis ernsthaft nachgegangen wird und ihm Repressalien gar nicht erst drohen, wenngleich es sich gegen diese wehren könnte, oder auch an die (ggf. in einer Betriebsvereinbarung geregelte) ausdrückliche Genehmigung, anonyme Meldungen abgeben zu können.

Die Schutzmaßnahmen für Hinweisgeber ergeben sich aus §§ 33 ff. HinSchG.

Ein Whistleblower kann nicht für die Beschaffung von oder den Zugriff auf Informationen, die er gemeldet oder offengelegt hat, rechtlich verantwortlich gemacht werden, sofern die Beschaffung oder der Zugriff nicht als solches eine eigenständige Straftat darstellt.

Er kann nicht für die bei einer Meldung oder Offenlegung erfolgte Weitergabe von Informationen rechtlich verantwortlich gemacht werden, sofern er hinreichenden Grund zu der Annahme hatte, dass die Weitergabe der Informationen erforderlich war, um einen Verstoß aufzudecken.

Erleidet der Whistleblower eine Benachteiligung im Zusammenhang mit seiner beruflichen Tätigkeit (z.B. Versetzung, Abmahnung, Mobbing, Beendigung befristeten Vertrages trotz Beschäftigungsbedarfs, Versagung einer Beförderung, Änderungskündigung, Beendigungskündigung) und macht er geltend, diese Benachteiligung infolge einer Meldung oder Offenlegung nach diesem Gesetz erlitten zu haben, so wird vermutet, dass diese Benachteiligung eine Repressalie für diese Meldung oder Offenlegung ist. In diesem Fall hat der Arbeitgeber zu beweisen, dass die Benachteiligung aus anderen, gerechtfertigten Gründen und nicht wegen der Meldung oder Offenlegung erfolgte. Gelingt dieser Nachweis nicht, ist die Maßnahme unwirksam.

Bei einem Verstoß gegen das Verbot von Repressalien ist der Verursacher verpflichtet, dem Hinweisgeber den daraus entstehenden Schaden zu ersetzen. Hieraus erwächst allerdings kein Anspruch auf Begründung eines Arbeits-, Ausbildungs- oder eines anderen Vertragsverhältnisses, oder auf einen beruflichen Aufstieg.

Andererseits ist der Hinweisgeber aber auch zum Ersatz des Schadens verpflichtet, der aus einer vorsätzlichen oder grob fahrlässigen Meldung oder Offenlegung unrichtiger Informationen entstanden ist. Damit soll befürchtetes Denunziantentum eingeschränkt oder gar verhindert werden.

Das Gesetz regelt zudem empfindliche Bußgeldhöhen, die sowohl den Arbeitgeber (z.B. bereits bei der Verletzung der Pflicht zur Errichtung interner Meldestellen), als auch den Whistleblower (bei der wissentlichen Offenlegung unrichtiger Informationen) treffen können.

Abbildung 13

Rechtsanwältin Cornelia Mönning verfügt über mehr als 25-jährige Expertise auf den Gebieten des Arbeitsrechts und des Insolvenzarbeitsrechts. Schwerpunkte ihrer Arbeit sind die Vorbereitung und Begleitung von Betriebsänderungen, Verhandlungen mit den Tarifvertragsparteien und natürlich auch die Vertretung von Arbeitgebern und Arbeitnehmern im arbeitsgerichtlichen Instanzenzug.

 
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