Editorial
Rolf-Dieter Mönning
Hand aufs Herz: Haben Sie als Unternehmer, Geschäftsführer oder Vorstand in vergangenen Schönwetterzeiten daran gedacht, ein Frühwarnsystem zu etablieren, in das Sie die Krisenszenarien eingebaut haben, die wir aktuell erleben, deren Eintritt man aber vermutlich als völlig unwahrscheinlich ansah?
Konnte man damit rechnen, dass die Europäische Zentralbank trotz steigender Inflation an ihrer Nullzins-Politik festhält? Hätte man mit unterbrochenen Lieferketten kalkulieren müssen? Musste man von einer weiter anhaltenden Corona-Pandemie ausgehen, deren Scheitelpunkt schon als überschritten angesehen wurde, während die Infektionszahlen erneut steigen und die nächste Mutante auf eine ermattete Bevölkerung trifft? War es klug, die eigenen Produktionskapazitäten abzubauen, in irgendwelche Weiten dieser Welt auszulagern, um jetzt blank dazustehen, wenn Lieferungen ausbleiben? Waren steigende Energiekosten als Folge der Energiewende zu erwarten? Ja vielleicht. Aber hätte man ernsthaft davon ausgehen müssen, dass ein verbrecherisches Regime 2022 mitten in Europa einen Krieg vom Zaun bricht, der zur Verdoppelung der Energiepreise innerhalb kürzester Zeit führt und am Ende möglicherweise die gesamte Versorgung in Frage stellt?
Kaum jemand wird dies bedacht haben, diese Risiken wurden nicht eingepreist. Kann man das den Unternehmen vorwerfen? Wäre jemand, der 2020 eine Liquiditätsplanung erstellt hat, tatsächlich auf die Idee gekommen, solche Risiken ernsthaft in Erwägung zu ziehen? Oder hätte man dies tun müssen, wenn es das StaRuG, dass am 01.01.2021 in Kraft getreten ist, schon zu diesem Zeitpunkt gegeben hätte. Denn dann wären Geschäftsleiter bereits damals gesetzlich verpflichtet gewesen, fortlaufend über Entwicklungen zu wachen, die den Fortbestand des Unternehmens gefährden könnten. So jedenfalls schreibt es jetzt § 1 StaRuG vor, verbunden mit der Verpflichtung, rechtzeitig geeignete Gegenmaßnahmen zu ergreifen und den Überwachungsorganen unverzüglich Bericht zu erstatten. Unklar ist, welche Risiken in ein Frühwarnsystem einzubeziehen sind. Nur endogene, also hausgemachte Risiken oder auch exogene Krisenursachen, auf die der einzelne Unternehmer wohl kaum Einfluss nehmen kann? Müssen beispielsweise alle Betriebe, die in Flussnähe angesiedelt sind, mit hochwasserbedingten Betriebsunterbrechungen rechnen, auch wenn Überflutungskatastrophen eher dem exogenen Bereich zuzuordnen sind?
Jetzt, im März 2022, befinden sich die Unternehmen in stürmischen Zeiten. Ein Ende und eine damit verbundene Rückkehr zur Normalität sind nicht absehbar. Deshalb befassen wir uns in diesem Heft mit den möglichen Auswirkungen anhaltender und sich möglicherweise sogar noch verschärfender Negativeffekte, die damit verbundenen Anforderungen an ein Frühwarnsystem und daraus resultierende mögliche Handlungsoptionen.
Wer den Unternehmen vorwerfen will, dass sie sich nicht rechtzeitig für stürmische Zeiten gewappnet haben, übersieht, dass die Entscheidungsträger auf Bundes- und Landesebene dies noch viel weniger getan haben. Deutschland in völlige Abhängigkeit von ausländischen Energielieferanten zu manövrieren, von denen die meisten keine Demokratien sind, sondern autokratische bis diktatorische Strukturen aufweisen, und nicht einmal eine Grundversorgung durch heimische Energiequellen zu sichern, sondern Kohlegruben an Ruhr und Saar absaufen zu lassen, störungsfrei laufende Meiler abzuschalten und Kohlekraftwerke vom Netz zu nehmen, bevor die Versorgung mit erneuerbaren Energien sichergestellt ist, zeigt, dass die Politik noch viel mehr und ganz dringend Frühwarnsysteme benötigen würde, um krisenhafte Zuspitzungen rechtzeitig zu erkennen und darauf adäquat zu reagieren. Jetzt ist die Lage, wie sie ist. Und die Unternehmen müssen es ausbaden. Da ist es schon ein Trost, dass der Bundesfinanzminister das nächste Rettungspaket ankündigt. Und die nächste Aussetzung der Insolvenzantragspflicht wird auch nicht auf sich warten lassen.
In der Hoffnung, dass es in Kürze gelingt, den völkerrechtswidrigen, durch nichts zu rechtfertigenden Überfall auf die Ukraine durch die Machthaber im Kreml zu beenden, bevor ein globaler Flächenbrand entsteht, wünschen wir Ihnen auch diesmal wieder eine spannende Lektüre und freuen uns, wenn Sie dem einen oder anderen Beitrag eine hilfreiche Anregung für Ihre tägliche Praxis entnehmen können.
Ihr