R&W Abo Buch Datenbank Veranstaltungen Betriebs-Berater
Logo ruw-online
Logo ruw-online
Suchmodus: genau  
 
 
SRNL 2023, 7
Schulte 

Gastbeitrag: Reden macht hier keinen Sinn mehr?
Mediation in Krise und Insolvenz – ein Praxisbericht

von Oliver Schulte, Paderborn

Abbildung 6

Shuttle Mediation – Aug in Auge oder besser getrennt?

Gibt es mehr Mediatoren als Mediationen? In Krise und Insolvenz scheint die Antwort klar, aber nur auf den ersten Blick. Denn viele Akteure im Umfeld von Unternehmenskrisen verfügen über eine Mediationsausbildung – und greifen häufig zu Mediations-Tools und Techniken. Der Bundesverband Mediation in Restrukturierung und Insolvenz (BMRI) nennt dies „mediationsanaloges Arbeiten“. Echte Mediationen sind hier selten. Und doch gibt es sie, wie in diesem Fall aus der Praxis.

Ein verärgerter Mitarbeiter (M) aus der Marktfolge einer regionalen Bank, ansonsten rational und gleichmütig, berichtete mir von seinem Ärger mit einem Kunden (K), der als Einzelunternehmer in angemieteten Räumen eine Sportanlage betrieb. Deren Anschaffung und Einbau hatte die Bank vor einiger Zeit finanziert und neben einer kleineren Landesbürgschaft als Sicherheit nur die übereignete, maßgefertigte Einrichtung. Ein Forderungsausfall unausweichlich. Endlose Debatten und zahlreiche geplatzte Vereinbarungen mit K hätten M mehr als verärgert und dadurch bei ihm die Erkenntnis verfestigt: Reden mache mit K keinen Sinn mehr. Die Bank habe sich daher für ein Insolvenzverfahren entschieden. Den Antrag wolle sie aber nicht stellen. Vielmehr wurde K empfohlen, sich an mich zu wenden, um so einen Eigenantrag zu stellen.

K schien wenig überzeugt. Stattdessen wollte er eigentlich weitermachen und das sei aus seiner Sicht auch möglich, da bis auf die Bank alle anderen Gläubiger zufrieden wären. M wolle ständig irgendwelche unerfüllbaren Konzepte umgesetzt sehen. K sei schon länger der Ansicht: Reden mache mit M keinen Sinn mehr.

Eine Gemeinsamkeit. Mediatoren lieben Gemeinsamkeiten. Sie deuten auf Probleme und Ressourcen, um die Beziehungsebene der Parteien zu verbessern, damit konstruktives Arbeiten wieder möglich wird. Daher der ungewöhnliche Vorschlag an SRNL 2023 S. 7 (8)die Parteien: wie wäre es mit einer Mediation? Begeisterung kam nicht auf und doch waren beide bereit, allerdings unter der Grundannahme, sich mit dem anderen nicht direkt an einen Tisch setzen zu müssen.

Für solche Fälle gibt es die Technik der Shuttle Mediation. Dabei bleiben die Medianden räumlich getrennt, der Mediator führt Einzelgespräche und „kellnert“ die herausgearbeiteten Interessen und Bedürfnisse zwischen den Medianden fortlaufend hin und her. Ein Ziel dieser Technik ist es, durch kleine Erfolge wie eingehaltene Zusagen Schritt für Schritt Vertrauen wieder aufzubauen, damit eine gemeinsame Lösungsfindung wieder möglich wird.

Dieses Setting ähnelt dem „normalen“ anwaltlichen Arbeiten. Der Unterschied besteht jedoch darin, dass der Mediator keine fachliche Unterstützung leistet. Diese ist für beide Medianden jederzeit extern einholbar. Die Mediation kann sich allein auf die Klärung der Beziehungsebene zwischen den Parteien konzentrieren.

In diesem Fall war das für beide Parteien hilfreich. Der Kunde K verstand, was der Bankmitarbeiter M wirklich brauchte, nämlich Verlässlichkeit und eine Verbesserung der Situation. Und M gelang es, den dann von K mit externer Hilfe erarbeiteten Plan wieder sachlich zu prüfen. Im Austausch über den Mediator fanden die Medianden so eine Lösung, die die Fortführung des Betriebs ermöglichte und einen Forderungsausfall der Bank verhinderte.

Mit anderen praktischen Beispielen wurde dieser Fall eingehend auf der Jahresveranstaltung des BMRI im März in Berlin mit erstaunlichen Ergebnissen diskutiert. Das Schaffen einer unabhängigen auf die Lösungsfindung fokussierten Struktur durch das Mediationsverfahren kann auch in Krise und Insolvenz für alle Beteiligten ein echter Mehrwert sein. Gerade bei massiven Störungen der Beziehungsebene oder dem Wunsch einer Seite, einfach nur Partei sein zu dürfen, kann Mediation ein effizientes und effektives Mittel sein. Es braucht nur Mut auf Seiten der Parteien und auch der Berater, es in solchen besonderen Fällen auch anwenden zu wollen.

Abbildung 7

Rechtsanwalt Oliver Schulte ist geschäftsführender Gesellschafter der Kanzlei GROTENBURG Insolvenzrecht, Paderborn. Neben mehr als 20 Jahren Tätigkeit als Insolvenzverwalter und Berater bildet er seit 10 Jahren Mediatoren aus und praktiziert ständig als Mediator.

 
stats