Krankenhausreform – Weshalb bedroht die Reform 1/3 der Krankenhäuser?
Dr. Vanessa Christin Vollmar und Juliane Dost, LL.M. (Medizinrecht), Düsseldorf
Insolvent: Auch St. Nikolaus konnte nicht helfen.
Seit Monaten sind die Grundstrukturen der vermutlich größten Krankenhausreform seit Einführung des DRG-Systems im Gespräch – auf der politischen Bühne ebenso wie bei den Betroffenen (Krankenhäuser, Krankenkassen, Patienten, Berufstätige unterschiedlicher Branchen). Die nach wie vor bestehende Unsicherheit darüber, welches Schicksal jedes einzelne Haus bei der Umsetzung der Reform ereilen wird, hängt maßgeblich mit der trotz aller Widerrede des Bundesgesundheitsministers zwischen den Zeilen durchschimmernden Zielsetzung zusammen: eine Reduktion der bestehenden Krankenhäuser. Dieses Ergebnis vor dem geistigen Auge, hätten die meisten Häuser lieber gestern als morgen Klarheit über ihr eigenes Schicksal, um wesentliche Strukturentscheidungen treffen und Investitionen richtig allokieren zu können.
Die nötige Klarheit lässt auf politischer Ebene allerdings (weiter) auf sich warten: Die aktuellsten Details sind die auf gerade einmal 14 Seiten in dem Eckpunktepapier der Bund-Länder-Arbeitsgruppe niedergeschriebenen Grundüberlegungen (zusammenfasst unter https://www.taylorwessing.com/de/insightsand-events/insights/2023/07/die-krankenhausreform, u.a. zu den künftig geltenden Krankenhaus-Leveln, ohne mit einem Satz die für die Krankenhäuser maßgebliche Schlüsselfrage zu erläutern, wie die Eingruppierung der Häuser in die einzelnen Level erfolgen soll. Zudem heißt es in dem Eckpunktepapier: „Alle nachfolgenden Eckpunkte stehen unter dem ausdrücklichen Vorbehalt einer zukünftigen finalen Gesamteinigung zwischen Bund und Ländern über die Grundstruktur einer Krankenhausreform.“
Trotz dieser Unklarheiten kursieren prognostische Zahlen, wie viele Krankenhäuser schwerwiegenden Umstrukturierungen bis hin zur Schließung unterworfen sein könnten. War anfangs noch von 80 % die Rede, hört man nach den Anpassungen der Reformvorhaben in den vergangenen Monaten nun noch von ca. 1/3 wesentlich betroffener und 1/5 zu schließender Häuser. Dies dürfte insbesondere für kleinere Krankenhäuser, aber auch für spezielle Fachkliniken gelten. Sie sind aus unserer Sicht aus drei Gründen von der aktuellen Situation besonders betroffen:
• Die Investitionskostenfinanzierung der Krankenhäuser durch die Bundesländer krankt seit Jahrzehnten an einer sich bis
• Das Gesundheitssystem, speziell der stationäre Sektor, sieht sich einem massiv zunehmenden Personalmangel ausgesetzt.
• Das hohe Qualitätsniveau im deutschen Gesundheitswesen wird seit Einführung des DRG-Systems dadurch gefährdet, dass insbesondere stationäre Leistungen der Basisversorgung unterfinanziert sind. Allein mit den Einnahmen der DRG-Fallpauschalen für die Grundversorgung können die wenigsten Häuser ihre laufenden Betriebskosten, geschweige denn ihren Investitionsbedarf decken. Die Inflation und Energiekrise erhöhen den wirtschaftlichen Druck zusätzlich. Gerade für kleinere Häuser könnte es daher schwierig werden, diesem Druck bis zum Inkrafttreten der geplanten Vorhaltepauschalen Stand zu halten.
Unterfinanzierung und Personalmangel zwingen also alle Marktteilnehmer dazu, die vorhandenen Ressourcen künftig zielgerichteter an den wirklich notwendigen Stellen für hohe Qualität bei der Patientenversorgung einzusetzen und an den medizinisch vertretbaren Stellen zu Gunsten der personal- und kostenschonenderen Ambulantisierung umzudenken. Wer sich also nicht selbst proaktiv auf einen neuen, an optimaler Ressourcennutzung und Qualitätssicherung orientierten Weg begibt, wird durch die Reform absehbar zu Veränderungen gezwungen – im schlechtesten Fall auch zur Schließung.
Vanessa Christin Vollmar ist Fachanwältin für Medizinrecht bei der Kanzlei Taylor Wessing. Sie ist seit vielen Jahren auf die Beratung stationärer Leistungserbringer im Gesundheitswesen spezialisiert. Als Expertin im Krankenhausrecht berät sie deutschlandweit Krankenhäuser und Krankenhausverbünde u.a. zu Fragen der Krankenhausplanung und -finanzierung.
Juliane Dost ist Rechtsanwältin bei der Kanzlei Taylor Wessing. Sie berät Leistungserbringer im Gesundheitswesen zu allen regulatorischen Fragestellungen, insbesondere aber zu Fragen der stationären Versorgung durch Krankenhäuser, der Zulassung von Medizinischen Versorgungszentren zur ambulanten Versorgung, des Vertragsarztrechts und des ärztlichen Berufsrechts im Rahmen von Transaktionen.