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SRNL 2024, 12
 

Getäuschte Aktionäre sind (eventuell) Insolvenzgläubiger

Abbildung 11

Lohnt sich der Gang zum Gericht?

Sind getäuschte Kapitalanleger im Insolvenzverfahren ihrer Gesellschaft in erster Linie Aktionäre oder Insolvenzgläubiger?

Steht das aktienrechtliche Mitgliedschaftsrecht im Vordergrund, könnten Aktionäre, auch wenn sie erst durch betrügerische Machenschaften und bewusste Fehlinformationen als Anleger eingestiegen sind, ihre aus einem Totalverlust resultierende Schadensersatzansprüche bestenfalls als nachrangige Insolvenzforderungen (§ 39 InsO) oder gar erst im Rahmen der gesellschaftsrechtlichen Schlussverteilung (sogenannter Nach-Nachrang) gemäß § 199 Satz 2 InsO geltend machen.

Stellt man hingegen auf die insolvenzrechtliche Betrachtungsweise ab, dann wären die Schadensersatzansprüche der erst durch eine Täuschung zum Aktienerwerb veranlasster Aktionäre als Insolvenzforderungen im Sinne des § 38 InsO zu qualifizieren. Die Bedienung von Forderungen im Nachrang oder auch im Nach-Nachrang ist der absolute Ausnahmefall in Insolvenzverfahren. Nur bei einer Qualifizierung als Insolvenzforderung hätten die geprellten Anleger zumindest eine Hoffnung, am Ende nicht ganz leer auszugehen.

Der Streit um die insolvenzrechtliche Einordnung von Schadensersatzansprüchen getäuschter Aktionäre hat mit dem Insolvenzverfahren Wirecard an Fahrt aufgenommen. Während noch das Landgericht München die Feststellungsklage der Aktionäre, mit der die Qualifizierung als Insolvenzforderung gemäß § 38 InsO beansprucht wurde, abgewiesen hat, ist das Oberlandesgericht München in seinem Berufungsurteil vom 17.09.2024 (5 U 7318/22e) jetzt zur gegenteiligen Auffassung gelangt. Ansprüche durch Täuschung zum Aktienerwerb veranlasster Aktionäre sind nach Auffassung des OLG im Insolvenzverfahren über das Vermögen des Emittenten Insolvenzforderungen (§ 38 InsO). Danach ist der durch Täuschung erlangte Schadensersatzanspruch nicht Ausfluss des Mitgliedschaftsrechtes des Aktionärs, vielmehr handelt es sich um einen kapitalmarktrechtlichen Schadensersatzanspruch, der als Insolvenzforderung einzustufen ist.

Die Freude der Aktionäre über das Urteil des Oberlandesgerichts könnte aber verfrüht sein, denn die Sache ist noch nicht ausgestanden. Erst die Revisionsentscheidung des BGH wird für Klarheit sorgen (BGH IX ZR 127/24).

 
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