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SRNL 2022, 6
Zimmermann 

„Greed is right, greed works. Greed clarifies, cuts through, and captures the essence of the evolutionary spirit.“

von Dr. Franc Zimmermann, Gifhorn

Abbildung 4

Was ist die treibende Kraft der Wirtschaft?

Spätestens seit der COVID-19-Pandemie versucht der Bund zentral gesteuert zunehmend wirtschaftliche Einbußen bei Unternehmern und Unternehmen auszugleichen. Dies gibt Anlass, sich mit dem Sinn der geltenden Grundprinzipien der Marktwirtschaft und dem Sinn der Insolvenzordnung zu befassen.

Auch wenn das Prinzip der sozialen Marktwirtschaft im Grundgesetz als solches nicht ausdrücklich genannt ist, soll dieses nach dem Willen der Gründungsväter in Deutschland gelten. Hierbei handelt es sich nach ihrer Konzeption um kein abgeschlossenes, sondern um ein dynamisches System. In Abgrenzung zum Wirtschaftsliberalismus, welcher den nahezu ungehemmten Wettbewerb als Ziel vorsieht, und in Abgrenzung zur Zentralwirtschaft, welche wesentliche, wenn nicht alle, Marktressourcen durch zentrale Steuerungseinheiten regeln will, versucht die soziale Marktwirtschaft durch Wettbewerb eine hohe Leistungsfähigkeit und Güterversorgung herzustellen, hierbei jedoch die Individualinteressen zu schützen. Es sollen somit einerseits Leistungsanreize gesetzt, jedoch andererseits auch Gemeinnützigkeit verfolgt werden. Dem Konzept der sozialen Marktwirtschaft kommt damit eine staatsordnende Funktion zu.

Als Teil hiervon ist die Insolvenzordnung zu verstehen, die Regelungen zum Schutz der Wettbewerber und der Allgemeinheit enthält. Sie verfolgt zum Schutz der Allgemeinheit eine Verteilungsgerechtigkeit; es soll kein Gläubiger bevorzugt und durch bestimmte Vorschriften (insbesondere Anfechtungsvorschriften) der Status quo ante vor dem Verteilungskampf um das schuldnerische Restvermögen wiederhergestellt werden. Zudem – und insbesondere – soll eine Schadensvertiefung und -ausbreitung verhindert werden, indem einerseits Möglichkeiten einer Sanierung unter Insolvenzbedingungen eröffnet und andererseits nicht überlebensfähige Unternehmen vom Markt genommen werden („Marktbereinigung“). Dies ist notwendig, da jedes Weiteroperieren eines insolventen Schuldners bzw. schuldnerischen Unternehmens die übrigen Marktteilnehmer existenzgefährdenden Risiken aussetzen kann, welche nicht in deren Sphäre liegen. Daher kommt einem Insolvenzverfahren selbst dann eine Ordnungsfunktion zu, wenn keine verteilungsfähige Masse vorhanden ist, da gleichwohl durch die Beendigung der operativen Geschäftstätigkeiten des nicht wirtschaftlich überlebensfähigen Unternehmens, dem Schuldner, die übrigen Marktteilnehmer geschützt werden. Zugleich wird auch das Funktionieren des übrigen Wirtschaftssystems flankiert, weil in einem Insolvenzverfahren der Insolvenzverwalter die betrieblichen Arbeitspapiere, die notwendigen Buchhaltungs¬SRNL 2022 S. 6 (7)arbeiten, die Steuererklärungen etc. erstellt und für eine ordnungsgemäße Beendigung der schuldnerischen Unternehmung sorgt. Ein weiterer Aspekt ist, dass durch die Marktbereinigung zugleich der Boden für das Entstehen von neuen Unternehmen geebnet wird.

Wenn staatliche Hilfspakete und -maßnahmen seit der Covid-19- und der Ukraine-Krise mittlerweile recht inflationär (und mit inflationären Folgen) eingesetzt und auch weitreichende, zukünftige Eingriffe des Staates in die Marktmechanismen gefordert werden, ist zwar nachvollziehbar, dass der Staat nach Instrumenten sucht, die (vermeintlich) verhindern, dass sein Wirtschaftssystem insgesamt zusammenbricht. Jedoch beinhalten solche Beihilfen zur Insolvenzvermeidung zugleich ein Misstrauensvotum gegen das deutsche Insolvenz- und Sanierungsrecht, dem man offensichtlich nicht zutraut, die Krisen zu bewältigen. Im Übrigen können solche Instrumente – so gut sie auch gemeint sein mögen – auch zu katastrophalen Folgen für die Gesamtwirtschaft führen. Mehr noch, es bedarf einer sehr überzeugenden Begründung dafür, dass Maßnahmen ergriffen wurden und werden, die absehbar noch auf mehrere Nachfolgegenerationen erhebliche Auswirkungen haben werden. Denn die breitflächigen Subventionsmaßnahmen finanzieren sich nicht nur aus einer anderweitigen Mittelverwendung der vorhandenen Steuereinnahmen des Bundes, so dass diese Steuermittel dann nicht mehr für den ursprünglichen Zweck und die ursprüngliche Zielsetzung zur Verfügung stehen, sondern sind – anders als in der Vergangenheit – künftig aufgrund steigender Zinsen mit Steuereinnahmen in erheblicherem Umfang gegenzufinanzieren. Sie belasten folglich die nachfolgenden Generationen, für die die derzeitige Generation Verantwortung übernehmen muss. Nicht viel anderes gilt für die Überflutung des Marktes mit billigen Krediten. Denn diese führt – wie dies derzeit unübersehbar ist – zur Inflation und wird damit ebenfalls die Nachfolgegenerationen schwerwiegend belasten. Zudem wurden und werden durch die eher grobmaschigen Subventionsleistungen viele Unternehmen vor einer Insolvenz bewahrt, die ohne die Covid-19- und Ukraine-Krise nicht erhaltungswürdig waren oder sind. Für den redlichen Unternehmer, der ordnungsgemäß wirtschaftet und gewirtschaftet hat, kann und wird sich nicht erschließen, dass auch die unredlichen Mitbewerber ebenso gestützt wurden und werden, wie er selbst. Auch dem Steuerzahler wird nicht einleuchten können, aus welchem Grund seine Steuerzahlungen verwandt werden, solche Unternehmen in ihrem Überlebenskampf zu unterstützen. Der Unmut der redlichen Unternehmer, aber auch eines jeden Steuerzahlers im Übrigen muss wachsen, wenn das Bundeskriminalamt verlautbaren lässt, dass die Wirtschaftskriminalität in Pandemiezeiten deutlich angestiegen ist, was auf Delikte im Zusammenhang mit Coronahilfen jeglicher Art zurückzuführen ist.

Art und Umfang der teilweise noch andauernden Eingriffe in die Wirtschaftsordnung (Corona-Soforthilfen, Corona-Kredite, Kurzarbeitergeld, Aussetzen und Aufweichen von Insolvenzantragspflichten etc.) wurden und werden damit gerechtfertigt, dass es sich bei der Covid-19- und der Ukraine-Krise jeweils um tiefgreifende, systemgefährdende Krisen handele. Jedoch ist die Definition einer Krise naturgemäß subjektiv gefärbt, eröffnet damit weite Interpretationsspielräume, und ist damit per se kein geeignetes Kriterium dafür, ab welchem Zeitpunkt die Notwendigkeit gegeben sein soll, staatlicherseits regulierend einzugreifen.

Begründet wurden und werden die intensiven Eingriffe in die Marktwirtschaftsordnung auch damit, dass diese Krisen – was zutrifft – nicht selbstbestimmt geschaffen wurden. Dies kann jedoch bei genauerer Betrachtung keine alleinige Rechtfertigung für die intensiven staatlichen Eingriffe in die Wirtschaftsordnung sein. Denn in der Rechtswirklichkeit fanden und finden viele Insolvenzverfahren statt, die im Wesentlichen auf exogene Krisenursachen zurückzuführen sind. Beispielsweise weil der Hauptauftraggeber zuvor in Zahlungsschwierigkeiten geriet, Beschaffungsprobleme am Markt bestehen oder aufgrund von Konjunktureinbrüchen. Bei näherer Betrachtung steht die Bundesrepublik, abgesehen von Themen wie Klimawandel, bereits jetzt vor einer Zukunftskrise in Bezug auf die Entwicklungen des Marktwirtschaftssystems. Diese Zukunftskrise ist zu einem großen Teil selbst geschaffen.

Die Besonderheiten der Pandemie und auch der Ukraine-Krise wurden darin gesehen und die staatlichen Eingriffe in das Marktwirtschaftssystem dadurch gerechtfertigt, dass sie flächendeckend prinzipiell sämtliche Unternehmen getroffen hat bzw. trifft. Aber auch das ist keine taugliche Erklärung für die fortwährenden Subventionierungen und Eingriffe in die Marktwirtschaft, da es Tatsache und in der Natur der Sache liegend ist, dass auch außerhalb von Pandemien und Kriegen jedes Unternehmen prinzipiell von einer Krise betroffen sein kann. Gemäß den bisherigen, mittlerweile jedoch stark aufgeweichten, Rahmenbedingungen der Wirtschaftsordnung überleben die Unternehmen im Wettbewerb, die am innovativsten und flexibelsten auf geänderte Marktumstände reagieren.

Das Vorhaben des Staates, der Wirtschaft helfen zu wollen, verwässert bisweilen die marktwirtschaftlichen Grundsätze: In dem Dokument „Ergebnis des Koalitionsausschusses vom 23.03.2022“, heißt es, auch wenn dies – zugegebenermaßen – etwas aus dem Zusammenhang gerissen ist, in der Überschrift Nr. 3 programmatisch: „Wettbewerbs- und Ordnungsrahmen stärken“. Bezeichnend ist, dass die natürlichen Antagonisten Wettbewerb einerseits, Ordnungsrahmen andererseits, dort als gleichzeitig ertüchtigungsfähig angesehen werden, was widersprüchlich erscheint. Staatliche Eingriffe in den Markt gleich welcher Form verhindern eher Wettbewerb, als dass sie diesen fördern. Je länger und weitreichender solche Maßnahmen eingesetzt werden, desto nachhaltiger wird die Gesamtwirtschaft nicht gestützt, sondern geschädigt. Denn die Gefahr steigt, dass sich an nicht überlebensfähigen Unternehmen andere, an sich gesunde, Unternehmen infizieren. Insbesondere wird ein Unternehmer weniger Leistungs- und Risikobereitschaft zeigen, desto weniger er von seinem erhofften wirtschaftlichen Erfolg profitieren kann. Daher sind die Forderungen nach einer Homogenisierung und Umverteilung von Vermögen kaum nachvollziehbar, SRNL 2022 S. 6 (8)wird doch die treibende Kraft der Wirtschaft – der Wettbewerb, das Gewinnstreben, die Gier – letztlich ausgebremst. Der Wettbewerb mit all seinen Chancen und (auch Insolvenz-)Risiken ist es, der zu einer hohen Leistungsbereitschaft und Wohlstand führt. Wettbewerb wird nun einmal getragen von Gewinnstreben. Ludwig Erhard beschrieb den Zusammenhang beeindruckend einfach: „‚Wohlstand für alle‘ und ‚Wohlstand durch Wettbewerb‘ gehören untrennbar zusammen; das erste Postulat kennzeichnet das Ziel, das zweite den Weg, der zu diesem Ziel führt.“.

Wer fordert, der Staat solle weiterhin leitend und unterstützend agieren, Steuern erhöhen, Vermögen abschöpfen wie auch umverteilen und die Marktmechanismen ausschalten, der muss sich bewusst sein, dass dies den Wirtschaftsstandort Deutschland noch weiter schwächen und den eigenen Wohlstand beeinträchtigen würde. Denn in erster Linie wäre die ohnehin bereits erodierte Mittelschicht betroffen, für die kaum Anreize verblieben, leistungs- und gewinnorientiert zu wirtschaften sowie unternehmerische Risiken einzugehen in dem Streben nach Gewinnen. Dabei ist es diese Mittelschicht, die einen Großteil des Steueraufkommens aufbringt und dafür sorgt, dass Sozialstaat und Wohlstand gesichert sind. Und diese Mittelschicht wird gestärkt durch einen stärkeren Wettbewerb sowie die Befreiung des Marktes von ansteckenden bis toxischen Unternehmen. Im Übrigen ist es auch diese Mittelschicht, die es empfindlich treffen würde, wenn nach den derzeitigen Entwicklungen im Wesentlichen lediglich ausgewählte Großunternehmen in den Genuss der Klimaverträge, also milliardenschwerer Subventionsleistungen, kommen sollen.

Abbildung 5

Dr. Franc Zimmermann ist Fachanwalt für Insolvenz- und Sanierungsrecht und Partner der Kanzlei Mönning Feser Partner. Er ist spezialisiert auf die Sanierung und Restrukturierung von Unternehmen und wird seit 2008 überregional mit Schwerpunkten in Niedersachsen und Berlin als Insolvenzverwalter und Sachwalter bestellt. Seitdem hat Zimmermann mehr als 2.000 Insolvenz- und Restrukturierungsverfahren betreut.

 
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