Mitarbeiterbeteiligung: Ein Thema nicht nur für Start-ups
von Dirc Fröschen, Aachen
In der Start-up Szene sind Mitarbeiterbeteiligungsprogramme als Instrument zur Mitarbeiterbindung in aller Munde. Doch nicht nur in der Gründungsphase eines Unternehmens ist es von essenzieller Bedeutung, Schlüsselpersonen an das Unternehmen zu binden. Gerade auch in schwierigen Zeiten gilt es, das richtige Team an Bord zu halten. Deshalb ist es sinnvoll, im Rahmen von Restrukturierungen Mitarbeiter durch Teilhabe am angestrebten Erfolg zusätzlich zu motivieren. Dies hilft zudem, die Liquidität in der Restrukturierungsphase zu schonen.
Die Ausgestaltung eines solchen Programms kann als Kapital- oder Erfolgsbeteiligung erfolgen. Kapitalbeteiligungen können echte, gesellschaftsrechtliche Beteiligungen sein oder sog. virtuelle Beteiligungen auf schuldrechtlicher Basis. Letztere sind frei gestaltbar und nicht an gesellschaftsrechtlich gesteckte Grenzen gebunden. Sie vermitteln aber in der Regel keine Mitsprache- oder Kontrollrechte. Die Beteiligung ist allein finanzieller Natur und oft auf eine Exit-Strategie ausgerichtet.
Die Beteiligung eines Mitarbeiters als Gesellschafter räumt diesem dagegen auch die damit verbundenen gesellschaftsrechtlich und -vertraglich verankerten Rechte ein. Hierzu gehören vor allem Stimm- und Auskunftsrechte. Auch wenn diese üblicherweise weder Mehrheits- noch Vetorechte vermitteln, schaffen sie eine andere (Ein)Bindungsqualität als rein finanzielle Beteiligungen. Dies ist vor allem in der Restrukturierung, wenn das Unternehmen Kräfte bündeln muss, ein starkes Instrument. Auch steuerlich sind Einkünfte aus echten Beteiligungen in der Regel für beide Seiten attraktiver. Neben der Sozialversicherungsfreiheit von Beteiligungseinkünften sind vor allem Beteiligungen an Kapitalgesellschaften nur mit 25 % Abgeltungssteuer belastet. Schuldrechtliche Erfolgsbeteiligungen werden dagegen wie normaler Arbeitslohn behandelt.
Bislang waren die echten Mitarbeiterbeteiligungsmodelle aufgrund der Besteuerungssystematik im Ausgabezeitpunkt für Mitarbeiter weniger attraktiv. Wurden ihnen die Anteile unentgeltlich oder vergünstigt überlassen, war der Differenzbetrag zwischen dem Verkehrswert der Anteile und dem Bezugswert als sog. Sachbezug sofort zu versteuern, ohne dass dem auch ein Liquiditätszufluss entgegenstand (sog. trockenes Einkommen – „dry income“).
Um diesem Nachteil entgegenzuwirken und damit die Attraktivität echter Beteiligungen zu stärken, hat der Gesetzgeber die Regelungen des § 19a EStG mit Wirkung vom 01. Juli 2021 grundlegend überarbeitet.
Zur Vermeidung der Besteuerung von dry income im Zeitpunkt der Ausgabe von Anteilen wird der Zeitpunkt der Besteuerung in die Zukunft verschoben.
Voraussetzung hierfür ist zunächst, dass die Beteiligung unmittelbar am Unternehmen des Arbeitgebers besteht. Die Zwischenschaltung einer Mitarbeiterbeteiligungsgesellschaft, in der mehrere Mitarbeiter gebündelt werden, schließt die Anwendung von § 19a EStG aus.
Liegt eine unmittelbare Beteiligung vor, wird die Steuer auf einen vorliegenden Sachbezug erst dann fällig, wenn die Beteiligung entweder
-
ganz oder teilweise veräußert oder verwertet oder
-
das Arbeitsverhältnis beendet wird,
-
spätestens aber nach Ablauf von 12 Jahren.
Anwendbar ist die Vorschrift allerdings nur für Unternehmen, die nach Maßgabe der europäischen Schwellenwerte als KMU einzustufen und nicht älter als 12 Jahre sind.
Damit ist die Regelung vor allem auf relativ junge Unternehmen ausgerichtet. Gleichwohl machen gerade diese in den Insolvenzstatistiken die Mehrheit aus. Die Neuregelung des § 19a EStG ist damit nicht nur für Start-ups von Interesse, um Mitarbeiter stärker zu binden, sondern durchaus auch im Rahmen der Restrukturierung noch junger Unternehmen.
Zudem sind steuerliche Nachteile in der Restrukturierung eines Unternehmens durch voraussichtlich eher geringe Verkehrswerte von Anteilen und damit verbunden auch Sachbezügen gemildert. Gerade diese Kombination von geringem Sachbezug bei gleichzeitiger Steuerstundung macht die echte Mitarbeiterbeteiligung im Rahmen der Restrukturierung zusätzlich attraktiv und kann dazu beitragen, die richtigen Menschen auch in kritischen Phasen im Unternehmen zu binden und das Überleben zu sichern.
Steuerberater und Wirtschaftsprüfer Dirc Fröschen ist Partner bei Dr. Neumann, Schmeer und Partner, Aachen. Er ist zertifizierter Experte für steuerliche und betriebswirtschaftliche Beratung im Zusammenhang mit Sanierung, Restrukturierung und Insolvenzverwaltung. Weitere Schwerpunkte sind die laufende steuerliche und betriebswirtschaftliche Beratung sowie Prüfung von Unternehmen unterschiedlicher Branchen, insbesondere der öffentlichen Hand, öffentlich-rechtlicher Körperschaften und von Forschungseinrichtungen.