Stabilisierung: Ein kompliziertes Unterfangen!
von Prof. Dr. Rolf-Dieter Mönning, Aachen
Brüchige Stabilität.
Mit dem am 01.01.2021 in Kraft getretenen StaRuG erhalten Unternehmen ein Instrument, das es ihnen ermöglichen soll, die Verhandlungen über einen Restrukturierungsplan eigenverantwortlich zu führen und den Plan in eigener Regie zur Abstimmung zu stellen. Wer davon Gebrauch macht, hat – möglicherweise auf der Grundlage eines unternehmensinternen Frühwarnsystems – Krisenzeichen erkannt, denen er frühzeitig begegnen will. Es darf noch keine Insolvenzantragspflicht aufgrund eingetretener Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung bestehen. Allenfalls drohen darf die Zahlungsunfähigkeit, die auf einem Zeitstrahl von 18 Monaten in eine Zahlungsunfähigkeit umschlagen kann, wenn nicht gehandelt wird. Das ist die Ausgangslage.
Jetzt sind, so verlangt es das neue Gesetz, Transparenz, Kommunikation und Verhandlungsgeschick gefordert, um für einen fundierten, ausgewogenen und nachvollziehbaren Reorganisationsplan die Zustimmung der Gläubiger zu erhalten. Aber nicht alle Beteiligten lassen sich durch gute Worte überzeugen und davon abhalten, für berechtigt gehaltene Ansprüche auf eigene Faust zu verfolgen und durchzusetzen. An dieser Stelle greifen Vollstreckungs- und Verwertungssperren zur Wahrung der Erfolgsaussichten eines Restrukturierungsvorhabens. Der Prozess muss stabilisiert werden. Wie das geschieht, ist in den §§ 49 ff. StaRuG geregelt. Das Gesetz sieht Stabilisierungsanordnungen vor. Diese ordnet das Restrukturierungsgericht auf Antrag des Schuldners an. Die Art dieser Anordnungen sind schon aus der Insolvenzordnung bekannt. So kann das Gericht Maßnahmen der Zwangsvollstreckung gegen den Schuldner untersagen oder einstweilen einstellen, also eine Vollstreckungssperre verfügen. Diese Anordnung leuchtet auf den ersten Blick wenig ein. Denn wenn schon vollstreckt wird, dann wackelt die Behauptung, es läge lediglich drohende Zahlungsunfähigkeit vor. Ein Gläubiger, der vollstrecken will oder bereits vollstreckt, muss zwangsläufig im Besitz eines Titels sein, den der Schuldner zuvor nicht erfüllen konnte oder wollte. Systemgerecht ist daher allenfalls die prophylaktische Untersagung zukünftiger Zwangsvollstreckungen.
Auch der Insolvenzordnung entliehen ist die weitere Stabilisierungsanordnung, dass Gläubiger keine Sonderrechte (Aus- und Absonderungsrechte) an Gegenständen geltend machen können, die für die Fortführung des Unternehmens benötigt werden. Auch hier stellt sich die Frage, wie hoch die Bereitschaft von Gläubigern ist, sich auf einen Restrukturierungsplan des Schuldners einzulassen, wenn sie zugleich darüber nachdenken, unter Eigentumsvorbehalt gelieferte Ware, Miet- oder Leasinggegenstände wegzunehmen. Ob diese Regelungen einen praktischen Nutzen haben, muss sich daher erweisen.
Hinzu kommt, dass anders als bei den vorläufigen Maßnahmen der Insolvenzordnung ein ganzes Bündel von Voraussetzungen erfüllt sein muss, um in den Genuss einer Stabilisierungsanordnung zu gelangen. So muss der Schuldner dem Antrag eine aktualisierte Restrukturierungsplanung beifügen, die auch noch vollständig und schlüssig sein muss und es dürfen keine Um¬
Jeder, der das liest, weiß, wie kompliziert und verschachtelt dieses Verfahren ist. Wer auf gerichtliche Anordnungen setzen muss, um obstruierende Gläubiger zur Vernunft zu bringen, sieht daher am besten gleich vom Stabilisierungs- und Restrukturierungsrahmen als Sanierungsinstrument ab und wählt den einfacheren und klareren Weg: Das Verfahren zur Vorbereitung einer Sanierung, landläufig Schutzschirmverfahren genannt, gemäß § 270 d InsO.
Aber es wird noch detaillierter. Die Stabilisierungsanordnungen können sich auf einen einzigen Gläubiger, mehrere Gläubiger oder alle Gläubiger erstrecken. Sie können inhaltlich erweitert oder zeitlich über die Regeldauer von bis zu 3 Monaten verlängert werden. Und können auch wieder neu angeordnet werden. Endgültig Schluss ist erst nach 8 Monaten.
Und sind die Angaben in dem Antrag auf Anordnung von Stabilisierungsmaßnahmen auch nur fahrlässig unrichtig, dann müssen Geschäftsführer Schadenersatz leisten, wenn beteiligte Gläubiger durch die Anordnung von Stabilisierungsmaßnahmen Schäden erleiden. Wenigstens ein Trost bleibt. Anträge von Gläubigern auf Eröffnung eines Insolvenzverfahrens werden während der Dauer von Stabilisierungsmaßnahmen ausgesetzt. Aber welcher Gläubiger sollte denn einen Insolvenzantrag stellen können, wenn der Schuldner bei Einleitung eines Restrukturierungsverfahrens lediglich drohend zahlungsunfähig ist?
Bereits im Gesetzgebungsverfahren hatten einige Parlamentarier erkannt: StaRuG ist kein Instrument für klein- und mittelständische Unternehmen (KMU). Es ist auf Großunternehmen zugeschnitten. Deren wirtschaftliche Macht und das daraus resultierende Interesse beteiligter Gläubiger an seinem Erhalt bewirkt die Stabilisierung vermutlich automatisch. Wenn nicht werden große Unternehmen in der Lage sein, mit Hilfe von Beraterteams die gesetzlichen Rahmenbedingungen zu nutzen und auszuschöpfen. Ein einzelner Geschäftsführer dürfte damit völlig überfordert sein.
Fazit: Ohne Beratung funktioniert die Stabilisierung nicht.
Professor Dr. Rolf-Dieter Mönning (Mönning Feser Partner) gründete 1980 die Kanzlei Mönning& Georg und zählt zu den führenden Verwaltern und Restrukturierungsberatern (erneut: „Beste Anwälte im Bereich Restrukturierung und Insolvenz“ Handelsblatt 2020). Er wird seit 1979 mit der Abwicklung von Konkurs-, Vergleichs-, Gesamtvollstreckungs- und Insolvenzverfahren und der Beratung von Krisenunternehmen beauftragt und hat bis heute über 3.500 Verfahren aller Größenordnungen mit Schwerpunkt Fortführung und Sanierung bearbeitet. Er veröffentlicht und referiert regelmäßig im In- und Ausland zu insolvenzrechtlichen Themen und ist u.a. Herausgeber und Autor des Handbuchs „Betriebsfortführung in Restrukturierung und Insolvenz“. Bis zur Emeritierung war er Professor für Unternehmensrecht an der Fachhochschule Aachen.