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SRNL 2021, 15
Fröschen 

Steuerliche Fallstricke beim Darlehensverzicht durch Gesellschafter als Sanierungsmaßnahme

von Dirc Fröschen, Aachen

Abbildung 17

Forderungsverzicht – ein steuerlich schwieriges Feld

1. Einführung

Liquiditätsengpässe bei Kapitalgesellschaften werden häufig zunächst durch Gesellschafterdarlehen gedeckt. In der start-up Phase gehören sie zum Standard-Instrumentarium der Kapitalisierung. In der Krise der Gesellschaft steht der Verzicht auf solche Darlehensforderungen zur Sanierung der Gesellschaft ebenfalls an erster Stelle. Finanzwirtschaftlich führt dies auf Ebene der Gesellschaft zur Verbesserung der Kapitalstruktur, steuerlich kann das auf Ebene von Gesellschaft und Gesellschafter aber sehr unterschiedliche und zum Teil überraschende Folgen haben. Insbesondere mit Neueinführung des § 17 Abs. 2a EStG und Änderung des § 20 Abs. 6 EStG durch das Gesetz zur steuerlichen Förderung der Elektromobilität vom 12.12.2019 und das Gesetz zur Einführung einer Pflicht zur Mitteilung grenzüberschreitender Steuergestaltungen vom 21.12.2019 wurden gesetzliche Regelungen zur Geltendmachung von Darlehensverlusten im Privatvermögen auf Gesellschafterebene neu gefasst.

2. Auswirkungen auf Gesellschaftsebene

Der reine Forderungsverzicht führt auf Ebene der Gesellschaft regelmäßig zu einem Buchgewinn durch Wegfall der Verbindlichkeit. Erfolgt dies zum Zwecke der Sanierung der Gesellschaft stellt sich die Frage nach der steuerlichen Begünstigungsfähigkeit dieses Gewinns als Sanierungsgewinn.

Die Steuerfreistellung eines Sanierungsgewinns ist in § 3a EStG geregelt. Hiernach gelten als Sanierungsertrag Betriebsvermögens-mehrungen oder Betriebseinnahmen aus einem Schuldenerlass zum Zwecke einer unternehmensbezogenen Sanierung.

Eine unternehmensbezogene Sanierung liegt dann vor, wenn der Steuerpflichtige für den Zeitpunkt des Schuldenerlasses die Sanierungsbedürftigkeit und die Sanierungsfähigkeit des Unternehmens, die Sanierungseignung des betrieblich begründeten Schuldenerlasses und die Sanierungsabsicht der Gläubiger nachweist.

SRNL 2021 S. 15 (16)

Der aus einem Forderungsverzicht resultierenden Gewinn auf Ebene der Schuldnerin kann grundsätzlich diese Voraussetzungen erfüllen.

Der Nachweis des Vorliegens einer unternehmensbezogenen Sanierung erfolgt in der Regel über entsprechende Sanierungsgutachten durch einen Restrukturierungs- oder Insolvenzplan.

Problematisch ist der Nachweis der betrieblichen Begründung des Schuldenerlasses dann, wenn ausschließlich Gesellschafter auf Forderungen verzichten. Wenn außer Gesellschaftern kein fremder Dritter auf eine Forderung verzichtet, vermutet die Finanzverwaltung eine gesellschaftsrechtliche Veranlassung und verneint die betriebliche Begründung. Rechtsfolge ist, dass die durch die Ausbuchung der Verbindlichkeit auf Ebene der Gesellschaft resultierende Gewinnerhöhung nicht durch § 3a EStG freigestellt werden kann.

Von einer gesellschaftsrechtlichen Veranlassung ist auch dann auszugehen, wenn die Forderung des Gesellschafters wegen § 39 InsO nachrangig und nicht mehr durchsetzbar ist. Privatschriftliche Rangrücktrittserklärungen sind vor diesem Hintergrund ebenfalls kritisch zu würdigen.

Sollten dagegen außer Gesellschaftern auch fremde Dritte auf Forderungen gegenüber der Gesellschaft in der Absicht der Sanierung verzichten, wird im Umkehrschluss die betriebliche Begründung des Schulderlasses durch die Gesellschafter unterstellt.

Verzichten nur Gesellschafter auf ihre Forderung, wäre anderweitig nachzuweisen, dass fremde Dritte dies unter denselben Umständen auch getan hätten, was erfahrungsgemäß schwerfällt.

Ferner ist zu beachten, dass ein Sanierungsertrag erst mit sämtlichen steuerlichen Verlustvorträgen ohne Rücksicht auf die Mindestbesteuerung zu verrechnen ist. Nur der nach Verlustverrechnung überschießende Teil des Sanierungsertrages unterliegt der Freistellung nach § 3a EStG.

3. Auswirkungen auf Gesellschafterebene bei Beteiligungen im Privatvermögen

Ist der Gesellschafter zu mehr als 1% in den letzten 5 Jahren unmittelbar oder mittelbar an der Kapitalgesellschaft beteiligt, fällt die Beteiligungen auf Ebene des Gesellschafters unter die Regelungen des § 17 EStG.

60% der Veräußerungsgewinne aus solchen Beteiligungen wären als Einkünfte aus Gewerbebetrieb zu beurteilen und unterlägen der Besteuerung nach dem sogenannten Teileinkünfteverfahren.

Der Veräußerungsgewinn errechnet sich als Differenz zwischen Veräußerungspreis und Anschaffungskosten der Beteiligung.

Zu diesen Anschaffungskosten gehören alle Aufwendungen, die geleistet werden, um die Anteile zu erwerben, auch sogenannte nachträgliche Anschaffungskosten. Dies sind insbesondere nach dem neu eingeführten § 17 Abs. 2a EStG offene oder verdeckte Einlagen (§ 17 Abs. 2a Satz 3 Nr. 1 EStG) sowie Darlehensverluste, soweit die Gewährung des Darlehens oder das Stehenlassen des Darlehens in der Krise der Gesellschaft gesellschaftsrechtlich veranlasst war (Vgl. § 17 Abs. 2a Satz 3 Nr. 2 EStG).

Verdeckte Einlagen können in Übereinstimmung mit bisheriger BFH Rechtsprechung nur in Höhe des werthaltigen Teils einer Forderung vorliegen.

Zur Ermittlung der Höhe der Anschaffungskosten im Falle der Einlage äußert sich das Gesetz nicht. Nach der bisherigen Rechtsprechung vor Einführung des § 17 Abs. 2a EStG führte der Verlust von Finanzplandarlehen und in der Krise gewährten Darlehen zu nachträglichen Anschaffungskosten i. H. d. Nennwertes. Anders war dies zu beurteilen bei Darlehen, die in der Krise stehen gelassen wurden. In diesen Fällen entstanden nachträgliche Anschaffungskosten nur in Höhe des gemeinen Werts, den das Darlehen bei Kriseneintritt hatte, was regelmäßig weniger als der Nennwert der Forderung sein wird. Diese Bewertungsgrundsätze dürften auch weiterhin gelten.

Ebenfalls zu nachträglichen Anschaffungskosten führen Darlehensverluste, soweit die Gewährung des Darlehens oder das SRNL 2021 S. 15 (17)Stehenlassen des Darlehens in der Krise der Gesellschaft gesellschaftsrechtlich veranlasst war.

Der Gesetzgeber geht dabei von einer gesellschaftsrechtlichen Veranlassung aus, wenn ein fremder Dritter das Darlehen bei sonst gleichen Umständen zurückgefordert oder nicht gewährt hätte (§ 17 Abs. 2a Satz 4 EStG). Dies müsste auch einen nichtwerthaltigen Teil eines Forderungsverzichts betreffen, mithin müsste auch dieser als nachträgliche Anschaffungskosten nach § 17 Abs. 2a Satz 3 Nr. 2 gelten.

Letzteres wird zumindest in der Literatur kontrovers erörtert. Es wird ebenfalls vertreten, dass in Höhe des nicht werthaltigen Teils des Forderungsverzichtes Verluste nach § 20 Abs. 2 EStG vorliegen.

Da § 17 Abs. 2a Satz 3 Nr. 2 EStG nur gesellschaftsrechtlich veranlasste Verzichte aus Darlehensforderungen umfasst, stellt sich auch die Frage nach dem Verhältnis zur Beurteilung nach § 3a EStG. Wenn dort eine betriebliche Veranlassung und damit „keine gesellschaftsrechtliche“ bei gleichzeitigen Verzichten durch Drittgläubiger unterstellt wird, ist dann in diesen Fällen für den Gesellschafter in Bezug auf nicht werthaltige Darlehen(teile) § 17 Abs. 2a EStG einschlägig oder ist in diesen Fällen der Forderungsverlust nach § 20 Abs. 2 EStG geltend zu machen? Auch diese Frage wird im Schrifttum noch diskutiert.

Weiterhin ist zu beachten, dass hier nur Verluste aus dem Verzicht auf Darlehen erfasst werden. Verzichtet der Gesellschafter auf andere Forderungen, bspw. aus Lieferungen und Leistungen, fallen diese auch dann nicht in den Anwendungsbereich §§ 17 und 20 EStG, wenn sie langfristig gestundet wurden. Solche Forderungen sind ggfs. vorher in echte Darlehen umzuwandeln, falls ihr Verlust nicht anderweitig steuerlich geltend gemacht werden kann.

Die Finanzverwaltung hat sich zur Anwendung der neu eingeführten Vorschriften bisher noch nicht in Form von Anwendungserlassen geäußert.

Folge der Berücksichtigung als nachträgliche Anschaffungskosten ist, dass im Zeitpunkt des Verzichtes zunächst keine, das Einkommen betreffende Folgen eintreten, sondern „nur“ eine Erhöhung der Anschaffungskosten der Beteiligung. Dies vermindert einen etwaigen späteren Gewinn aus der Veräußerung von Anteilen an dieser Gesellschaft. Die steuerliche Auswirkung des Forderungsverzichtes tritt damit erst zeitverzögert ein.

Dagegen bewirkt eine Berücksichtigung des Darlehensverlustes nach § 20 Abs. 2 EStG die sofortige Kürzung anderer, positiver Einkünfte aus Kapitalvermögen bis zu einem Maximalbetrag von 10.000 EUR. Überschießende Verluste können, ebenfalls maximiert auf jeweils 10.000 EUR mit positiven Kapitaleinkünften in Folgejahren verrechnet werden. Die Verrechnung mit anderen positiven Einkünften, beispielsweise aus Gewerbebetrieb oder nichtselbständiger Tätigkeit ist nicht möglich.

Die Qualifizierung als nachträgliche Anschaffungskosten oder nicht hat demnach Einfluss auf den Zeitpunkt und die Höhe der Geltendmachung im Rahmen der persönlichen Einkommensbesteuerung.

4. Fazit

Der Verzicht auf Gesellschafterdarlehen zu Sanierungszwecken ist in der Krise Standardwerkzeug und formal unkompliziert zu erledigen. Wie die kurze Betrachtung zeigt, sind sie steuerlich dagegen ein schwieriges Feld. Auch wenn der Forderungsverzicht durch Gesellschafter unmittelbar auf Gesellschaftsebene den gewünschten betriebs- und finanzwirtschaftlichen Erfolg zeitigt, sollten die steuerlichen Auswirkungen und mögliche Kontraindikationen deshalb sorgfältig betrachtet und beratend begleitet werden, damit ungewünschte Mehrbelastungen vermieden und Steuervorteile möglichst optimal genutzt werden. Offen bleiben mögliche schenkungsteuerliche Aspekte, die sich ergeben können, wenn bei mehreren Gesellschaftern nicht alle Gesellschafter ganz oder teilweise gleichmäßig verzichten.

Abbildung 18

Steuerberater und Wirtschaftsprüfer Dirc Fröschen ist Partner bei Dr. Neumann, Schmeer und Partner, Aachen. Er ist zertifizierter Experte für steuerliche und betriebswirtschaftliche Beratung im Zusammenhang mit Sanierung, Restrukturierung und Insolvenzverwaltung. Weitere Schwerpunkte sind die laufende steuerliche und betriebswirtschaftliche Beratung sowie Prüfung von Unternehmen unterschiedlicher Branchen, insbesondere der öffentlichen Hand, öffentlich-rechtlicher Körperschaften und von Forschungseinrichtungen.

 
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