Teure Besserstellung der Arbeitnehmer
von Cornelia Mönning, Aachen
Nimmt der starke vorläufige Insolvenzverwalter oder der Insolvenzverwalter nach Anzeige der Masseunzulänglichkeit die Arbeitsleistung in Anspruch, sind die Ansprüche des Arbeitnehmers auf Urlaubsvergütung und auf Abgeltung des Urlaubs uneingeschränkt als Masseverbindlichkeiten (§ 55 II 2 InsO) bzw. als Neumasseverbindlichkeiten (§ 209 II Nr. 3 InsO) zu berichtigen, wenn der Urlaub innerhalb dieses Zeitraums gewährt wird bzw. das Arbeitsverhältnis endet.
Dies gilt nach der nun geänderten Rechtsprechung des BAG auch für Ansprüche auf Urlaubsvergütung und Urlaubsabgeltung aus den Vorjahren, solange der Urlaubsanspruch fortbesteht, weil er nach § 7 III Satz 2 BUrlG (wenn dringende betriebliche oder in der Person des Arbeitnehmers liegende Gründe dies rechtfertigen) oder nach § 7 III Satz 4 BUrlG (wenn auf Verlangen des Arbeitnehmers ein wegen nicht erfüllter Wartezeit entstehender Teilurlaub auf das nächste Kalenderjahr zu übertragen ist) übertragen wurde oder die Voraussetzungen seiner Befristung nach § 7 III BUrlG nicht erfüllt sind (weil der Arbeitgeber nicht ausreichend auf den möglichen Verfall nicht genommener Urlaubstage hinweist) und der Urlaubsanspruch durchsetzbar ist.
Welcher Vorteil für die Arbeitnehmer mit welcher Auswirkung zu Lasten der Insolvenzmasse damit verbunden sein kann, zeigt folgendes Beispiel:
-
monatliche Arbeitszeit von 167 Stunden, verteilt auf sechs Werktage pro Woche, mithin eine arbeitstägliche Arbeitszeit von 6,42 Stunden
-
Stundenlohn in Höhe von 13,49 € brutto.
-
36 Urlaubstage pro Jahr
-
Eröffnung des Insolvenzverfahrens am 01.10.2019
-
Masseunzulänglichkeitsanzeige am 10.10.2019
-
Ende des Arbeitsverhältnisses am 31.10.2019
-
19 Arbeitstage nach der MU-Anzeige
-
8 Resturlaubstage bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses
Nach bisheriger Rechtsprechung hatte der Arbeitnehmer Anspruch auf anteiliges Urlaubsentgelt für nur 2,19 Urlaubstage in Höhe von 189,86 € brutto als Neumasseverbindlichkeit:
36 Urlaubstage/Jahr x 6,42 Std./Arbeitstag x 13,49 € brutto/Stunde = 3.117,80 € brutto jährliches Urlaubsentgelt
3.117,80 € brutto Urlaubsentgelt / 312 Arbeitstage (52 Wochen x 6 Tage) x 19 Arbeitstage nach der MU-Anzeige = 189,86 €.
Nach der aktuellen Rechtsprechung sind 8 Urlaubstage als Neumasseverbindlichkeit in Höhe von 692,85 € zu berichtigen.
Das BAG privilegiert damit die Arbeitnehmer im Insolvenzverfahren. Haben diese Urlaubsansprüche aus der Zeit vor der Masseunzulänglichkeit und arbeiten danach weiter, werden aus Altmasseverbindlichkeiten Neumasseverbindlichkeiten, die auszukehren sind. Aus dem vorgenannten Einzelbeispiel mit einem privilegiertem Zahlungsanspruch von ca. 500,00 € brutto bei (nur) 8 Resturlaubstagen und einem nicht sehr hohen Stundenlohn sind die doch erheblichen wirtschaftlichen Belastungen für die Fortführung von Unternehmen nach Verfahrenseröffnung schnell erkennbar.
Bessergestellt: Arbeitnehmer in masseunzulänglichen Verfahren!
Rechtsanwältin Cornelia Mönning verfügt über mehr als 25-jährige Expertise auf den Gebieten des Arbeitsrechts und des Insolvenzarbeitsrechts. Schwerpunkte ihrer Arbeit sind die Vorbereitung und Begleitung von Betriebsänderungen, Verhandlungen mit den Tarifvertragsparteien und natürlich auch die Vertretung von Arbeitgebern und Arbeitnehmern im arbeitsgerichtlichen Instanzenzug.