Urlaub verjährt (nahezu) nicht
Und noch einmal hat das BAG „zugeschlagen“: In einem Grundsatzurteil hat dieses klargestellt, dass Urlaub – auch bei Krankheit des Arbeitnehmers – nur verjährt, wenn der Arbeitgeber zuvor seiner Mitwirkungspflicht nachgekommen ist (BAG, Urteil vom 20.12.2022, Az. 9 AZR 245/19). Dies will meinen: Auch einen kranken Mitarbeiter hat der Arbeitgeber aufzufordern, doch bitte Urlaub zu nehmen, wenn er nicht riskieren will, dass der Mitarbeiter den Urlaub über mehrere Jahre vor sich herschiebt. Im Streitfall ging es immerhin um Urlaub aus dem Jahr 2014, den ein Mitarbeiter bis zu einer Erkrankung, die ihn Ende des Jahres ereilte, nicht mehr nehmen konnte.
Nun sind Erkrankungen für niemanden erfreulich, am wenigsten für den bzw. die betroffenen Arbeitnehmer. Ob allerdings ein Urlaub, der im Falle einer lang andauernden Erkrankung – wie im Streitfall über mehrere Jahre – überhaupt noch einen Erholungswert hat, darf bezweifelt werden; „nachholen“ lässt sich Erholung ebenso wenig wie Schlaf. In den meisten Fällen wird es ohnehin nur um Geld gehen – in Form der Abfindung bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses. Spätestens dann aber, wenn der Anspruch auf „bezahlte Erholung“ in einen reinen Geldanspruch umgewandelt ist, dürfte jeder Erholungswert verloren gegangen sein.
Die Aufforderung des Arbeitgebers an den bzw. die kranken Mitarbeiter, doch bitte dafür zu sorgen, dass der Urlaub genommen wird, mag grotesk bis zynisch wirken; es wird noch einiger Entscheidungen bedürfen, bis das BAG deutlich gemacht hat, wie es sich eine Mitwirkungshandlung gegenüber einem erkrankten Mitarbeiter vorstellt. Bis dahin kann man Arbeitgebern nur raten, die Mitarbeiter – idealerweise schriftlich – spätestens am Jahresende immer wieder auf bestehende Urlaubsansprüche hinzuweisen und deren Aufbau zu verhindern.