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SRNL 2023, 15
Ehling 

Zwischen Kostendruck und Fürsorge – Herausforderungen in der ambulanten Pflege

von Michael Ehling, Greven

Abbildung 17

Kann gute Pflege wirtschaftlich sein?

Die Pflegedienste in Deutschland stehen derzeit vor einer Vielzahl von Herausforderungen, die es zu bewältigen gilt. Besonders im Fokus standen zuletzt die Probleme im Zusammenhang mit der Tarifpflicht. In den letzten Jahren hat sich der Bedarf an qualifizierten Pflegekräften aufgrund der alternden Bevölkerung und steigender Pflegebedürftigkeit deutlich erhöht. Dennoch sind die Arbeitsbedingungen in vielen Pflegediensten nach wie vor prekär, und die Bezahlung der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter spiegelt oft nicht die schwere und anspruchsvolle Natur ihrer Arbeit wider.

Die Verpflichtung für Pflegeeinrichtungen, sich entweder einer Tarifpartei anzuschließen oder zumindest die Vergütung der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter an einen bestehenden, in der Region anwendbaren Tarifvertrag anzulehnen, stellt einen zentralen Aspekt dieser Problematik dar. Seit dem 1. September des vergangenen Jahres mussten entsprechende Entlohnungen für Pflegekräfte umgesetzt sein – zu einem Zeitpunkt, als eine in Aussicht gestellte Anpassung der Vergütung von Pflegeleistungen durch die Kranken- und Pflegekassen noch nicht feststand. Für viele kleinere Pflegedienste, für die bislang tarifliche Verpflichtungen nicht bestanden, war die Anbindung an tarifvertragliche Vereinbarungen häufig mit deutlichen Personalkostensteigerungen verbunden. Erschwerend kommt hinzu, dass die Konditionen einzeln zwischen den Kostenträgern und den Tarifparteien verhandelt werden. Ein Prozess, der sich bislang noch zieht und eine valide Planung erschwert.

Die finanzielle Situation vieler Pflegedienste war bereits vorher angespannt. Die Budgets sind begrenzt, und es fehlt häufig an ausreichenden finanziellen Mitteln, um die Tarifanpassungen umzusetzen. Die Pflegedienste stehen vor der Herausforderung, die steigenden Kosten zu decken, ohne die Qualität der Pflegeleistungen zu beeinträchtigen oder gar Insolvenz anmelden zu müssen.

Darüber hinaus stellt auch der Fachkräftemangel eine große Herausforderung für die Pflegedienste dar. Es fehlt an ausgebildeten Pflegekräften, welche die steigende Nachfrage nach Pflegeleistungen bewältigen könnten. Die Situation wird durch die niedrige Attraktivität des Pflegeberufs, bedingt durch hohe SRNL 2023 S. 15 (16)Arbeitsbelastung, schlechte Bezahlung und mangelnde Karriereperspektiven, verschärft. Dies führt zu einer hohen Fluktuation und Erschwernissen bei der Rekrutierung neuer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter.

Weiter zugespitzt wird die Personalsituation zudem durch Personaldienstleister. Auf dem Arbeitsmarkt werben die Dienstleister Mitarbeiter mit höheren Vergütungen und mit „flexibleren“ Arbeitszeitmodellen. So kann beispielsweise ein Mitarbeiter eines Personaldienstleisters vertraglich ausschließen, Wochenendarbeit oder Nachtschichten zu leisten. Diese Vereinbarungen machen Personaldienstleister als Arbeitgeber teils deutlich attraktiver als beispielsweise kleine ambulante Pflegedienste. Für die Pflegedienste bedeutet die Beschäftigung von Leiharbeitern erhöhte Kosten, die durch die Vergütung der Pflegeleistungen kaum noch gedeckt sind.

Um diesen Herausforderungen entgegenzuwirken ist unter anderem die Bindung von Mitarbeitern im Betrieb von herausragender Bedeutung. Eine bessere Bezahlung und attraktivere Arbeitszeiten lassen sich höchstens durch ein gutes Betriebsklima und einen Zusammenhalt im Team ansatzweise aufwiegen. Vielleicht noch stärker als in anderen Berufen, ist die persönliche Wertschätzung ein wichtiger Mehrwert im Arbeitsklima. Die konsequente Rücksichtnahme auf private Rahmenbedingungen und Wünsche lässt Personaldienstleister im Schatten stehen.

Trotz der erfolgten Anpassungen der Vergütungsstrukturen bleibt der Kostendruck für die Pflegeeinrichtungen unverändert hoch. Dem können die Unternehmerinnen und Unternehmer nur durch den effizienten Einsatz der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter entgegenwirken. In der ambulanten Pflege stellt dabei die Tourenplanung einen wichtigen Baustein dar. Die durchschnittliche Vergütung einer Pflegeleistung liegt bei 16,00 €. Lange Fahrzeiten zwischen den Patienten müssen vermieden werden, da diese nicht vergütet werden. Es macht daher Sinn, bei der Aufnahme von Patienten die eigenen, bestehenden Einsatzgebiete im Auge zu behalten. Patienten in „städtischen Randlagen“ können so kaum wirtschaftlich betreut werden.

Abbildung 18

Michael Ehling ist Vorstand der BURK AG und Geschäftsführer der BURK EHLING Finance GmbH. Als Sparkassenbetriebswirt und zertifizierter Sanierungsexperte ist er in allen Fragestellungen rund um die Themen Fördermittelberatung, Restrukturierung, Interimsmanagement und Finanzierungen erfahren. Dabei stehen die Beratung bei Existenzgründungen genauso in seinem Fokus, wie die Unterstützung von Unternehmen in wirtschaftlichen Schwierigkeiten.

 
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