Der Widerrufsbutton kommt!
Dipl.-Wirtschaftsjurist Martin Rätze
Am 28.11.2023 wurde die neue Richtlinie (EU) 2023/2673 im Amtsblatt der EU veröffentlicht. Zentrales Anliegen dieser Richtlinie ist die Überführung der Regelungen über im Fernabsatz geschlossene Verträge über Finanzdienstleistungen in die Verbraucherrechterichtlinie (RL 2011/83/EU, VRRL) und deren teilweise Neuregelung. Die Richtlinie enthält aber auch eine Neuerung in Bezug auf andere Fernabsatzverträge: Künftig sollen Verbraucher einen über eine Online-Benutzeroberfläche geschlossenen Vertrag über eine Widerrufsfunktion widerrufen können.
Nachdem wir in Deutschland bereits den Kündigungsbutton in § 312k BGB kennen, wird ab 19.06.2026 (vgl. Art. 2 Abs. 1 RL (EU) 2023/2673) in jedem Online-Shop eine Widerrufsfunktion zu finden sein müssen. Bereits jetzt hat sich dafür der Begriff „Widerrufsbutton“ durchgesetzt (vgl. etwa Leischel/Buchmann, K&R Beilage 1/2023, 11; Becker/Rätze, WRP 2024, 280, 286.
Bereits heute gibt es das unnötige (vgl. Wendehorst, NJW 2023, 2155, 2175) Muster-Widerrufsformular (Anhang I B zur VRRL bzw. Anlage 2 zum EGBGB). Dieses muss Verbrauchern bei Fernabsatzverträgen zur Verfügung gestellt werden. Zusätzlich kann der Unternehmer nach aktuellem Recht dem Verbraucher die Wahl einräumen, entweder dieses Muster-Widerrufsformular oder eine entsprechend eindeutige Erklärung auf der Website des Unternehmers elektronisch auszufüllen und abzusenden (Art. 11 Abs. 3 VRRL, § 356 Abs. 1 BGB). Macht der Verbraucher von dieser Möglichkeit Gebrauch, hat der Unternehmer dem Verbraucher unverzüglich auf einem dauerhaften Datenträger eine Bestätigung über den Eingang eines solchen Widerrufs zu übermitteln.
Der Gesetzgeber hätte nun ganz einfach diese aktuell bestehende Möglichkeit in eine Pflicht umwandeln können. Das hätte nur der Änderung weniger Worte in Art. 11 Abs. 3 VRRL bedurft. Der EU-Gesetzgeber entschied sich stattdessen für die Schaffung eines Art. 11a VRRL mit fünf Absätzen und einer komplizierten, zweistufigen Widerrufsfunktion.
Die neue Regelung betrifft nur Fernabsatzverträge, die über eine Online-Benutzeroberfläche geschlossen wurden. Zur Definition des Begriffs verweist die Richtlinie auf Art. 3 lit. m der Verordnung (EU) 2022/2065. Dort wird allerdings die „Online-Schnittstelle“ definiert. Auf hiesige Eingabe teilte der Rat der Europäischen Union mit, dass es diesbezüglich noch ein Korrigendum geben wird. Aber selbst, wenn der Begriff noch in „Online-Schnittstelle“ umbenannt wird, bleibt der Anwendungsbereich unklar (vgl. Becker/Rätze, WRP 2024, 280, 287.
Ganz vereinfacht gesagt: Bestellt der Verbraucher in einem Online-Shop, muss ihm in diesem Online-Shop die Möglichkeit geboten werden, den Vertrag über die Widerrufsfunktion zu widerrufen. Hat der Verbraucher beim gleichen Unternehmen dagegen seine Bestellung per Post oder am Telefon getätigt, so muss ihm nicht die Möglichkeit geboten werden, diesen Vertrag über die Widerrufsfunktion auf der Website widerrufen zu können.
Die neue Widerrufsfunktion muss „während der gesamten Widerrufsfrist durchgehend verfügbar“ sein. Besucht aber Verbraucher X den Online-Shop, kann der Unternehmer – dem Datenschutz sei Dank – diesen Verbraucher nicht identifizieren und damit also gar nicht feststellen, ob er die Widerrufsfunktion anzeigen muss oder nicht. Nun könnte man pragmatisch sein und sagen: Diese Funktion wird immer angezeigt. Allerdings birgt dies wiederum die Gefahr einer Irreführung. Wenn auf der Website hervorgehoben (so ist es gesetzlich vorgeschrieben) steht „Vertrag widerrufen“, könnte der Verbraucher X denken, er kann seinen Vertrag widerrufen. Wenn aber die Widerrufsfrist bereits abgelaufen ist, wird er eventuell über das Bestehen seines – dann vermeintlichen – Widerrufsrechts in die Irre geführt. Eine Lösung dieser Frage ist noch nicht in Sicht.
Klickt der Verbraucher auf den Widerrufsbutton, der gut lesbar mit den Worten „Vertrag widerrufen“ oder einer entsprechenden eindeutigen Formulierung gekennzeichnet sein muss, muss ihm ermöglicht werden, eine Online-Widerrufserklärung abzusenden. Dies dürfte in der Regel so gelöst werden, dass sich mit dem Klick auf den Button eine neue Seite öffnet, auf der ein Formular bereitgehalten wird. In diesem Formular muss der Kunde verschiedene, genau benannte Informationen bereitstellen können. Der Button, mit dem das ausgefüllte Formular dann an den Unternehmer übermittelt wird, muss mit den Worten „Widerruf bestätigen“ oder einer entsprechenden eindeutigen Formulierung gekennzeichnet sein. Streng genommen ist diese Bezeichnung falsch. Denn der Widerruf wird in dem Moment erst übermittelt. Es wird gerade kein bereits erklärter Widerruf bestätigt.
Anschließend muss der Unternehmer dem Verbraucher eine Eingangsbestätigung auf einem dauerhaften Datenträger übermitteln.
Aus deutscher Sicht wird es also noch spannende Fragen zu klären geben: Auf einer Website, auf der der Verbraucher Abo-Verträge abschließen kann, muss bereits jetzt der Kündigungsbutton (beschriftet mit den Worten „Verträge hier kündigen“) vorgehalten werden. Zusätzlich muss künftig auch der Button „Vertrag widerrufen“ vorhanden sein. Will der Verbraucher seinen Abo-Vertrag widerrufen, klickt aber auf den Kündigungsbutton, hat dies eine andere Rechtsfolge: Der Verbraucher ist bis zum Kündigungsdatum weiter an den Vertrag gebunden.
Eine Notwendigkeit für die neue EU-Regelung kann nicht erkannt werden. Unternehmen werden neue Pflichten auferlegt, die keinen Mehrwert für den Verbraucher haben, die aber zu wettbewerbsrechtlichen Streitigkeiten führen werden.
Dipl.-Wirtschaftsjurist Martin Rätze, Mainz