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WRP 2024, I
Alexander 

Grüner werben

Abbildung 1

Prof. Dr. Christian Alexander

Die Richtlinie 2005/29/EG über unlautere Geschäftspraktiken im Binnenmarkt (UGP-RL) begeht 2025 ihren 20. Geburtstag. Für eine Richtlinie zum Schutz der Verbraucher ist das ein respektables Alter. Unter dem Gesichtspunkt der Nachhaltigkeit könnte man von einem gut erhaltenen und noch immer gebrauchsfähigen Produkt sprechen. Ihre Mechaniken und Strukturen sind nach wie vor intakt, sie ist funktionstüchtig und erfüllt ihren Zweck.

Die jüngsten Anpassungen und Erweiterungen durch die Richtlinie (EU) 2024/825 vom 28.02.2024 zur Änderung der UGP-RL und der Richtlinie 2011/83/EU hinsichtlich der Stärkung der Verbraucher für den ökologischen Wandel durch besseren Schutz gegen unlautere Praktiken und durch bessere Informationen sollen die UGP-RL ertüchtigen. Dies dient dem Schutz der Verbraucher insbesondere vor unlauteren Geschäftspraktiken im Zusammenhang mit Aussagen zum Umwelt- und Klimaschutz sowie zur Nachhaltigkeit (Erwägungsgrund 1).

Hinter dem recht sperrigen amtlichen Titel der „empowering consumers for the green transition“-Richtlinie – oder kurz „EmpCo“ – verbirgt sich eine Folgemaßnahme des „Green Deal“. Von der Vorstellung des Kommissionsentwurfs (COM(2022) 143 final mit Annex, 30.03.2022) bis zur Veröffentlichung der Richtlinie im Amtsblatt (Nr. L vom 06.03.2024) dauerte es rund zwei Jahre. Die Richtlinie ist am 26.03.2024 in Kraft getreten und setzt den Mitgliedstaaten eine Frist zur Umsetzung bis zum 27.03.2026. Die neuen Vorschriften sind ab dem 27.09.2026 anzuwenden.

Kurz gesagt sollen die Änderungen der UGP-RL insbesondere „Greenwashing“-Praktiken unterbinden. Dabei geht es allerdings – zumindest aus deutscher Sicht – überwiegend nicht um das Schließen von bedenklichen Schutzlücken, die zu Tage getreten wären. Denn die Leitlinien der Kommission zur Auslegung und Anwendung der UGP-RL aus dem Jahr 2021 (2021/C 526/01) enthalten bereits einen umfangreichen Abschnitt zu solchen Praktiken (Abschnitt 4.1, S. 72 ff.). Auch die Rechtsprechung in Deutschland hat sich seit vielen Jahren mit verschiedenen Facetten der Umwelt- und Nachhaltigkeitswerbung beschäftigt (z. B. BGH, 20.10.1988 – I ZR 219/87, WRP 1989, 160 – Umweltengel; BGH, 19.02.2014 – I ZR 230/12, WRP 2014, 697 – Umweltengel für Tragetasche; aktuell ist beim BGH ein Verfahren zur Werbung mit dem Begriff „klimaneutral“ anhängig, I ZR 98/23, Verkündungstermin ist vorgesehen für den 27.06.2024). Ebenso hatten die zur Rechtsdurchsetzung berufenen Verbände das Thema im Blick (siehe nur Kisseler, WRP 1994, 149). Der Unionsgesetzgeber sah jedoch offenbar Handlungs- und Nachschärfungsbedarf.

In der Änderungsrichtlinie manifestieren sich Regelungstendenzen, die in der neueren Unionsgesetzgebung an vielen Stellen zu beobachten sind. Insbesondere zeigen sich klare Trends zu immer kleinteiligeren Vorgaben und zu unschönen Doppelregelungen. Art. 6 und 7 UGP-RL sind bereits von Haus aus keine schlanken, schnell zugänglichen und leicht verständlichen Normen. Die Änderungsrichtlinie bringt Erweiterungen, über deren Mehrwert man streiten kann.

Sicher ist es eine nützliche Klarstellung, dass Irreführungen über „ökologische und soziale Merkmale“ sowie „Zirkularitätsaspekte wie Haltbarkeit, Reparierbarkeit oder Recyclingfähigkeit“ untersagt sind. Nur war dies auch vor der entsprechenden Ergänzung von Art. 6 Abs. 1 lit. b UGP-RL nicht zweifelhaft. Art. 6 Abs. 2 lit. d und Art. 7 Abs. 7 UGP-RL überbieten sich geradezu in einem Regelungs-Kleinklein. Diese Detailverliebtheit könnte auf ein Misstrauen gegenüber der Leistungsfähigkeit von offenen und generalklauselartigen Tatbeständen zurückzuführen sein. Eine Ursache dafür mag wiederum in der – indes zwangsläufigen – Unterschiedlichkeit des gelebten Rechts in den 27 Mitgliedstaaten liegen.

Weiterhin kann die Kleinteiligkeit dem Bemühen geschuldet sein, möglichst klare und einheitliche Vorgaben im Binnenmarkt zu schaffen. Indessen bringen mehr Details keineswegs automatisch mehr Klarheit. Mitunter werfen die neuen Tatbestände mehr Fragen auf als sie Antworten geben. Beispielsweise muss man grübeln, was der neue Art. 6 Abs. 2 lit. e UGP-RL eigentlich verbieten will. Antwort: Die Norm richtet sich gegen schlicht unsinnige Werbeaussagen, was die Beispiele in Erwägungsgrund 5 (glutenfreies Wasser; kunststofffreie Papierblätter) zeigen.

Die „Schwarze Liste“, also der Anhang I UGP-RL, erhält mit zwölf neuen Tatbeständen stattlichen Zuwachs. Einige dieser Vorschriften schreiben ebenfalls nur fest, was ohnehin schon gilt. Selbstverständlich ist es auch jetzt schon irreführend, unzutreffende Angaben über die Haltbarkeit (Nr. 23g Anhang UGP-RL) oder die Reparierbarkeit (Nr. 23h Anhang UGP-RL) zu machen. Auch die in Nr. 4a, 4b, 10a, 23d, 23e, 23i und 23j Anhang I UGP-RL geregelten Verhaltensweisen lassen sich ohne große Mühe bereits mit dem Instrumentarium von Art. 6 und 7 UGP-RL erfassen. Nr. 2a Anhang I UGP-RL dürfte sich mit den Anwendungsbereichen von Nr. 2 und 4 Anhang I UGP-RL zumindest großflächig überschneiden.

Die wohl interessanteste Neuerung gelangte erst im weiteren Verlauf des Gesetzgebungsverfahrens in den Katalog des Anhangs I. Stets unzulässig ist nach Nr. 4c Anhang UGP-RL das „Treffen einer Aussage, die sich auf der Kompensation von Treibhausgasemissionen begründet und wonach ein Produkt hinsichtlich der Treibhausgasemissionen neutrale, verringerte oder positive Auswirkungen auf die Umwelt hat.“ Erwägungsgrund 12 nennt als Beispiele solcher Aussagen Begriffe wie „klimaneutral“, „zertifiziert CO2-neutral“, „CO2-positiv“, „mit Klimaausgleich“, „klimaschonend“ und „mit reduziertem CO2-Fußabdruck“. Solche Aussagen sollen nur zulässig sein, wenn sie auf den tatsächlichen Auswirkungen auf den Lebenszyklus des betreffenden Produkts beruhen und sich nicht auf die Kompensation von Treibhausgasemissionen außerhalb der Wertschöpfungskette des Produkts beziehen. Insoweit schafft der Unionsgesetzgeber tatsächlich mehr Klarheit und beseitigt Unsicherheiten.

Insgesamt bleibt der mit „EmpCo“ verbundene Zugewinn überschaubar. Die Änderungsrichtlinie ist in erster Linie ein umwelt- und verbraucherpolitisches Signal. Sie verpasst der UGP-RL lediglich einen grünen Anstrich.

Prof. Dr. Christian Alexander, Jena

 
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