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WRP 2022, I
Pohlmann/Peter 

Wie muss Google über das Presseverleger-Leistungsschutzrecht verhandeln?*

Abbildung 1

Prof. Dr. Petra Pohlmann

Abbildung 2

Christian Peter

Am 30.12.2021 hat das Bundeskartellamt festgestellt, dass die Alphabet Inc. einschließlich der Tochter Google eine „überragende marktübergreifende Bedeutung für den Wettbewerb“ i. S. v. § 19a Abs. 2 GWB hat. Damit ist, zumal Google auf Rechtsbehelfe verzichtete, die Grundlage geschaffen, das Verhalten Googles bei der Verwertung von Presseveröffentlichungen, vor allem den neuen Nachrichtendienst Google News Showcase (GNS), am Maßstab des § 19a Abs. 2 GWB zu prüfen. GNS ist ein Dienst, bei dem Google bestimmte Presseverleger für die Zulieferung von Inhalten bezahlt. In Deutschland sind bisher ca. 70 Publikationen über GNS auffindbar.

Das Verfahren ist nur die Spitze des Eisbergs der weltweite Dimension annehmenden Streitigkeiten zwischen Presseverlagen und ihren Verwertungsgesellschaften einerseits und den Big Techs andererseits über die Bedingungen der Online-Nutzung von Presseveröffentlichungen. Google als Betreiber der viele nationale Märkte beherrschenden Suchmaschine, aber auch das in vielen Ländern marktbeherrschende soziale Netzwerk Facebook des Meta-Konzerns mit seinen News-Diensten, nutzten bisher Presseveröffentlichungen unentgeltlich. Inzwischen ist die Position der Presseverleger in der EU, aber auch z. B. in Australien, durch den Gesetzgeber gestärkt worden. Seitdem setzt Google den Versuchen der Verlage, aus dem neuen Presseverleger-Leistungsschutzrecht Zahlungsansprüche geltend zu machen, das Bezahlmodell GNS entgegen. Die sonstige Nutzung von Presseinhalten wird von Google in Deutschland weiterhin nicht entgolten.

Hier forderte Corint Media Ende 2021 von Google 420 Mio. Euro, von Facebook 190 Mio. Euro für die Nutzung von Überschriften, Textausschnitten und Vorschaubildern allein für das Jahr 2022. Google lehnte ab: Zu groß sei Googles Nutzen für die Verlage, mit deren Inhalten sich zudem keine nennenswerten Werbeeinnahmen erzielen ließen. Einigen konnten sich die Parteien, wie etwa auch in Frankreich, bisher nicht. Die französische Kartellbehörde verhängte eine Buße i. H. v. 500 Mio. Euro gegen Google, insbesondere weil das Unternehmen weder konstruktiv noch redlich mit den Verlagen verhandelt habe und verhandlungsrelevante Informationen nicht zur Verfügung stellte. Am 12.01.2022 hat eine Untersuchungskommission der französischen Nationalversammlung ihren Bericht zur Evaluation des französischen Presseverleger-Leistungsschutzrechts vorgelegt (Assemblée Nationale, XVe législature N°4902). Das Ergebnis ist ernüchternd: Ungleich verteilte Macht und ungleich verteilte Informationen über die Bemessungsgrundlage der Vergütung machten den Verlegern freie, informierte Verhandlungen mit den großen Plattformen unmöglich. Angemessene Vergütungen würden nicht gezahlt.

Geht man richtig davon aus, dass eine behördliche oder gerichtliche Festsetzung eines Entgelts nicht der geeignete Weg ist, stellt sich die Frage, wie Google als Unternehmen mit überragender marktübergreifender Bedeutung für den Wettbewerb verhandeln muss. Ziel muss es sein, ein Verfahren zu entwickeln, das zu angemessenen Ergebnissen für beide Seiten führt. Eine solche Prozeduralisierung als Lösung materieller kartellrechtlicher Fragen ist von der Rechtsprechung zum kartellrechtlichen Zwangslizenzeinwand im Zusammenhang mit FRAND-Erklärungen entwickelt worden, um Immaterialgüterrechten Grenzen zu setzen. Hier geht es darum, ihnen Wirkung zu verleihen: Die Macht liegt nicht beim Inhaber, sondern beim Nutzer des Rechts. Daher fehlt der Sanktionsmechanismus des FRAND-Prozederes, einen Patentanspruch nicht gerichtlich durchsetzen zu können. Als Sanktion kommt aber ein kartellbehördliches Einschreiten gegen den mächtigen Nutzer in Betracht.

Ein Verhandlungsverfahren könnte etwa so aussehen: Angesichts der Marktmacht Googles und der verhandlungsrelevanten Informationen, über die nur Google verfügt, ist Google gehalten, den Verlagen ein faires, angemessenes und diskriminierungsfreies („FRAND“) Angebot zu machen und alle Informationen zu geben, die zur Beurteilung des Angebots notwendig sind. Das Angebot ist klar verständlich, inhaltlich aussagekräftig und konkret zu gestalten und muss die Art und Weise der Berechnung der angebotenen Vergütungshöhe enthalten. Es ist mit einer Begründung zu versehen, inwiefern das unterbreitete Angebot den FRAND-Bedingungen entspricht. Die Verlage haben die Möglichkeit, das Angebot anzunehmen oder es unter Abgabe eines den genannten Anforderungen entsprechenden Gegenangebots abzulehnen. Unter der Prämisse, dass für die Verlage eine Verwertungsgesellschaft verhandelt – was der Bericht an die Französische Nationalversammlung anregt, um der Macht Googles etwas entgegenzusetzen –, konkretisiert das Prozedere die Bestimmung des § 36 Abs. 1 S. 1 VGG des Verhandelns nach Treu und Glauben, auch wenn § 36 Abs. 2 VGG umgekehrt eine Angebotspflicht der Verwertungsgesellschaft normiert, d. h. die Macht eher auf dieser Seite sieht. Letztlich, falls keine Einigung gelingt, müsste eine spezielle Schlichtungsstelle, ein Schiedsgericht oder aber eine kartellrechtliche Instanz über die Höhe des Entgelts entscheiden; so auch der französische Vorschlag. Das deutsche VGG sieht ein Schiedsverfahren vor (§ 92 ff. VGG) und erklärt es zu einer Zulässigkeitsvoraussetzung für eine gerichtliche Geltendmachung (§ 128 Abs. 1 S. 1 VGG). Die beim DPMA angesiedelte Schiedsstelle ist zwar nicht letztentscheidend, unterbreitet den Beteiligten aber einen Einigungsvorschlag (§ 105 Abs. 1 S. 1 VGG).

Insgesamt wird man nicht umhinkommen, einer Einigung mit Hilfe eines klar strukturierten Verhandlungsverfahrens den Boden zu bereiten. Die internationalen Erfahrungen zeigen, dass die Verhandlungen zwischen Google und den Verlagen wenig konstruktiv ablaufen. Notwendig wird einmal mehr eine auch für die Praxis fruchtbare wissenschaftliche Debatte.

Prof. Dr. Petra Pohlmann und Wiss. Mit. Christian Peter, Münster

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Der Text entstand im Rahmen des von der DFG geförderten Sonderforschungsbereiches „Recht und Literatur“ im Teilprojekt „Literatur und Markt“.

 
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