Editorial zum Sonderheft „Das Pariser Abkommen und seine Folgen“ der Zeitschrift Umweltpolitik und Umweltrecht (ZfU)
Liebe Leserinnen und Leser,
das Pariser Abkommen ist ein Meilenstein der internationalen Klimapolitik, der nicht hoch genug eingeschätzt werden kann. Am 22. April 2016 unterzeichneten in New York 175 Vertragsstaaten das Übereinkommen. Diese Zahl von Unterzeichnungen an einem einzigen Tag stellt einen Rekord in der Geschichte der Vereinten Nationen dar. Sie belegt den klaren Willen der Staatengemeinschaft zum gemeinsamen Handeln gegen den Klimawandel.
Erstmalig haben nun fast alle Staaten der Erde nationale Klimaschutzziele definiert und sich völkerrechtlich verpflichtet, diese Ziele mit konkreten Maßnahmen zu erreichen. Drei übergeordnete Ziele hat sich die Staatengemeinschaft in Paris gesetzt: die Erderwärmung auf deutlich unter 2°C, möglichst sogar auf 1,5°C, zu begrenzen, die Widerstandsfähigkeit von Staaten zu stärken und Finanzflüsse in Einklang mit den Klimazielen zu bringen.
Das Paris-Abkommen ist ein Handlungsrahmen, den es in staatlicher Eigenverantwortung auszufüllen gilt. Jeder Staat muss seine selbst gesetzten Klimaschutzziele auch umsetzen. Das ist neu, trägt der Vielfalt der Staaten Rechnung und stärkt den Umsetzungswillen. Die von den Staaten in Paris vorgelegten nationalen Beiträge sind ein großer Gewinn. Sie reichen aber noch nicht aus, wenn wir die 2°C bzw. 1.5°C einhalten wollen. Die Staatengemeinschaft wird regelmäßig alle fünf Jahre auf globaler Ebene überprüfen, wie weit sie sich den Zielen angenähert hat. Und im Lichte dieser Erkenntnisse müssen die Staaten ihre Maßnahmen entsprechend verstärken.
Die erste Chance zur gemeinsamen Vorlage neuer oder verbesserter Ziele werden die Staaten im Jahr 2020 haben. Regelmäßige Berichte auf nationaler Ebene über den erzielten Fortschritt und ein Komitee zur Kontrolle der Umsetzung komplettieren das Regelwerk. Damit diese Verpflichtungen für alle Staaten erfüllbar sind, legt das Abkommen zugleich die Grundlage für globale Solidarität und Zusammenarbeit. Es sichert Ländern mit geringen Kapazitäten finanzielle Unterstützung beim Klimaschutz und bei der Anpassung an den Klimawandel zu. Diese finanzielle Hilfe wird durch Kapazitätsaufbau sowie Technologieentwicklung und -transfer flankiert.
Paris war der Anfang. Die eigentliche Arbeit fängt jetzt erst an. Jetzt geht es darum, den Vertragstext praktisch zum Leben zu erwecken, indem alle Staaten ihre nationalen Beiträge in konkreten Politiken und Programmen um- und durchsetzen. Das gilt für alle Bereiche des Abkommens: mindern, anpassen, finanzieren. Nur so wird der Schub aus Paris erhalten und gestärkt, und nur so können wir die noch bestehende Lücke schließen.
Die Botschaft des Paris-Abkommens ist klar: wir sind dabei, uns konsequent von fossilen Energieträgern zu verabschieden. Schritt für Schritt machen wir unsere Ökonomien und Gesellschaften treibhausgasneutral. Um diese ambitionierten Ziele zu erreichen, müssen alle Potenziale ausgeschöpft und darf kein Sektor ausgelassen werden. Es handelt sich um eine Aufgabe, an der alle Akteure auch jenseits der Regierungen mitwirken müssen. Unternehmen, Städte und Zivilgesellschaft werden beteiligt. Die folgenden Klimakonferenzen werden dafür eine Plattform bieten. Bei der COP21 in Paris startete dieser Prozess unter dem Titel „Lima-Paris-Action-Agenda“.
Dort kamen so viele verschiedene gesellschaftliche Kräfte zum Klimaschutz zusammen wie noch nie, und sie formulierten ihren konkreten Willen zu handeln. Diese „Action-Agenda“ soll auch zukünftig alle Akteure und Verhandler inspirieren. Sie soll zeigen, was schon möglich ist, und alle zu zusätzlichen Aktivitäten motivieren.
Wir brauchen kurzfristig wirkende Maßnahmen und gleichzeitig langfristige Weichenstellungen. Die Politik der kommenden Jahre entscheidet über unsere Erfolge in den kommenden Jahrzehnten. Es geht um eine umfassende Modernisierung unserer Wirtschaft und unserer Gesellschaft. Wir haben Nachholbedarf im Verkehrsbereich und den Wunsch vieler Menschen nach autofreien Innenstädten. Wir müssen die Landwirtschaft unter die Lupe nehmen, den Gebäudebestand, Industrie, Gewerbe, Handel und Dienstleistungen.
Dreh- und Angelpunkt bleibt aber die Energieversorgung. Wenn wir die Wärmeversorgung oder den Verkehr klimaneutral machen wollen, dann brauchen wir dafür Strom – und zwar aus erneuerbaren Energiequellen. Das Pariser Abkommen wird eine Dynamik für den Umstieg auf die Erneuerbaren auslösen, die wir uns momentan noch nicht vorstellen können: Bei Wissenschaftlern, bei Ingenieuren, bei Kreativen, bei Investoren und in den Unternehmen.
Zwei Gründe sprechen dafür, dass das fossile Zeitalter dem Ende entgegen geht. Erstens werden die erneuerbaren Energien wettbewerbsfähig, zum Teil sind sie es schon.
Es wird sich künftig einfach nicht mehr lohnen, in Kohlestrom zu investieren. Zweitens entscheidet nicht allein der Staat über die Struktur unseres Energiesektors, sondern auch private Investoren. Und wir beobachten seit längerem ein weltweites Divestment, also den Abzug von Geldanlagen aus dem fossilen Bereich hinein in die Erneuerbaren.
Das Pariser Abkommen bestätigt auch, dass wir mit der deutschen Klimapolitik auf dem richtigen Weg sind. Deutschland wird weiter mit großem Nachdruck an der Umsetzung seiner Klimaschutzziele arbeiten und damit als Vorbild vorangehen. Wir werden in diesem Jahr den Klimaschutzplan 2050 beschließen. Dieser Klimaschutzplan wird unser Fahrplan in Richtung einer treibhausgasneutralen Volkswirtschaft.
Damit wollen wir Orientierung geben, wie wir unsere Klimaziele bis zur Mitte des Jahrhunderts erreichen können. Wir werden unsere Ziele mit Maßnahmen für alle Bereiche in Wirtschaft und Gesellschaft konkretisieren. Dies kann nur gemeinsam gelingen. Daher erarbeiten wir den Plan in einem breiten Dialogprozess. Ein Prozess,
Auch international übernehmen wir Verantwortung für die Langfristziele des Paris-Abkommens. Unsere Partnerländer werden wir gezielt und engagiert bei ambitionierten Maßnahmen unterstützen, damit sie Emissionen mindern und sich an den Klimawandel anpassen können. Den verwundbarsten Staaten werden wir helfen, sich auf Folgen des Klimawandels vorzubereiten und die Schäden zu lindern. Dazu werden wir die Zusammenarbeit sowohl mit anderen Geber-Regierungen als auch mit Entwicklungsländern verstärken. Die G7-Initiativen für Erneuerbare Energien in Afrika, sowie für Klimarisikoversicherungen, müssen konsequent umgesetzt werden. Wir fördern solche Versicherungen, mit dem sich arme Menschen gegen Klimarisiken absichern können.
Wie im letzten Jahr angekündigt, werden wir bis 2020 die öffentlichen Mittel zur internationalen Klimafinanzierung auf rund 4 Milliarden Euro verdoppeln. Klar ist aber auch, dass die notwendige Transformation mit öffentlichen Mitteln allein nicht gelingen wird. Deutschland wird daher alles tun, private Finanzströme für den Klimaschutz umzulenken und zu mobilisieren. Das Paris-Abkommen legt auch den Grundstein für „shifting the trillions“, das heißt Investitionsströme auf die neuen Klimaschutzziele auszurichten.
Damit geben wir eine klare Richtung vor. Raus aus dem fossilen Zeitalter, raus aus einer Zeit, in der wir uns unsere Wirtschafts- und Lebensweise auf Kosten der Armen und der kommenden Generationen erkauft haben. Hinein in eine Zeit, in der wir unseren Lebensstil und unsere Wirtschaft so nachhaltig gestalten, dass wir die ökologischen Grenzen der Erde respektieren.
In diesem Sinne ist Paris mehr als nur ein Klimaabkommen. Es ist wie die Agenda 2030 ein Abkommen für eine globale Transformation, für einen treibhausgasneutralen und klimaresilienten Entwicklungspfad und für eine globale Klimaökonomie mit wirtschaftlichen Chancen für alle Länder.
Dr. Barbara Hendricks Bundesministerin für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit