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ZFWG 2019, 101
Kalhamer 

Glücksspiel oder Denksport? Oder beides?

Abbildung 1

Wohl keine andere Frage wird in Poker-Deutschland öfter und kontroverser diskutiert als die, nach dem Wesen von Poker: Reines Glücksspiel oder strategischer Denksport? Oder vielleicht doch irgendetwas dazwischen?

Wer immer sich hierzulande zu Poker bekennt, erntet in der Mehrzahl der Fälle mindestens einen schiefen Blick, oft gefolgt von dem Klassiker nach „Haus und Hof“. Einen wirklich guten Ruf konnte sich Poker also noch nicht erarbeiten. Trotz der Medieneuphorie um Pius Heinz und dessen Triumph beim wichtigsten Turnier des Jahres 2011. Selbst die dauerhaft überragenden Ergebnisse deutscher Spieler auf der Welttour – angeführt von Fedor Holz über Steffen Sontheimer oder Christoph Vogelsang – sind der öffentlichen Wahrnehmung entweder entgangen oder aber egal.

So ist es nach wie vor eine Frage des persönlichen Geschmacks, auf welcher Seite man steht. Oder aber vom kurzfristigen Ausgang des Spiels. Verliert man, war es nur Pech. Gewinnt man, lag es am eigenen Genie. Aber so kann man natürlich nicht argumentieren.

Schauen wir uns an, was es an rechtlichen Rahmenbedingungen dazu gibt und wie der Staat sich zum Thema verhält:

Zunächst einmal wäre da die ganz klare strafrechtliche Seite: In § 284 StGB steht ganz eindeutig, dass das Veranstalten von öffentlichen Glücksspielen strafbar ist, ebenso das Bereitstellen von Örtlichkeiten für dergleichen (Abs. 1). Selbst das Werben dafür steht unter Strafandrohung (Abs. 4). Im darauffolgenden § 285 StGB wird dann auch noch die Teilnahme an einem öffentlichen Glücksspiel (nach § 284 StGB) strafwürdig gekennzeichnet.

Zu den Fragestellungen, wann Poker als Glücksspiel nach dem Glücksspielstaatsvertrag einzuordnen ist und illegales Glücksspiel darstellt, hat beispielsweise das Bundesverwaltungsgericht mit Urteil vom 22.1.20141 entschieden sowie das Verwaltungsgericht Leipzig mit Urteil vom 13.11.2014.2

Damit bewegt man sich also strafrechtlich gesehen immer in diesen Gefilden und alle Versuche, legale Angebote für Pokerspieler zu schaffen, damit sie sich nach Feierabend treffen und spielen können, werden mehr und mehr unmöglich gemacht. Die Länder verabschiedeten dazu in den letzten Monaten – beispielsweise in Sachsen oder NRW – neue, und vor allem verschärftere Erlasse zu diesem Thema.

Doch was so eindeutig aussieht vonseiten des Staates, ändert sich dann ganz plötzlich, wenn man auf die steuerrechtliche Seite wechselt. Die Finanzämter haben sich in den letzten Jahren vermehrt darauf gestürzt, professionelle Pokerspieler ausfindig zu machen und dort entgangene Abgaben an den Fiskus einzufordern.

Die Argumentation der Finanzämter lautet dabei vereinfacht gesagt: Wenn jemand mit Poker Gewinne erzielt, muss es sich dabei um vorhandenes Geschick desjenigen handeln. Er hat also Fähigkeiten erworben, die den vorhandenen Glücksfaktor überwiegen und damit ist Poker in diesem konkreten Einzelfall kein Glücksspiel mehr.

Die Crux dabei: Einnahmen und Gewinne aus Glücksspielen sind bekanntermaßen steuerfrei, betreibt man aber kein Glücksspiel und erzielt dabei Gewinne, möchte das Finanzamt seinen Anteil davon abhaben.

Bereits in 2012 erging das erste dieser vielbeachteten Urteile vor dem Finanzgericht Köln.3 Kurz zur Erinnerung: Die Richter aus Köln entschieden, dass Gewinne aus Pokerspielen steuerpflichtig sind. Und das sieht auch der Bundesfinanzhof so: „Gewinne aus der Teilnahme an Pokerturnieren als Einkünfte aus Gewerbebetrieb [können] der Einkommensteuer unterliegen“.4 Einige Jahre später ging das Finanzgericht Münster sogar noch einen Schritt weiter: In den Augen der Richter dort unterliegen Poker-Gewinne sogar der Umsatzsteuer.5 Das Urteil wurde allerdings vom Bundesfinanzhof später aufgehoben.6

ZfWG 2019 S. 101 (102)

Vereinfacht gesagt gilt also, dass es ein Glücksspiel ist, solange man (dauerhaft) verliert. Sobald man aber besser spielt als seine Gegner und Gewinne einfährt, wird es vom Glücks- zum Geschicklichkeitsspiel und ähnelt einem Beruf wie Zahnarzt oder Lehrer.

Inhaltlich ist damit natürlich niemandem geholfen. Nahezu alle wirklich erfolgreichen professionellen Pokerspieler aus deutschen Landen haben sich längst andere Wohnsitze gesucht: London, Wien, Malta usw. Nur für den gemeinen Pokerfreund wird es immer schwieriger, in geselliger Runde ein Turnier zu spielen. Es sei denn, er wohnt grenznah zu Tschechien, Holland oder Österreich. Und ja, es gibt auch ein paar Enklaven staatlicher Casinos, wo gepokert werden kann. Nur dort oft mit wenig Verve und zu teuren Tarifen.

Einzig in einem besonderen sportlichen Wettbewerb kann man aktuell ohne jegliche Einsätze oder sonstige (materielle) Gewinnaussicht einen Deutschen Meistertitel erspielen, der DPSB HeadsUp Live Liga. Allein Ruhm und Ehre gilt es zu erstreiten, für sich und seine Team-Kameraden.

Dabei verfängt man sich ganz bestimmt nicht im Glücksspiel-Wirrwarr. Denn wo kein Einsatz, da kein Glücksspiel. Doch diese Angebote sind rar in Poker-Deutschland. Blickt man übers Land, findet man viele engagierte Menschen, die Angebote schaffen und Menschen zusammenbringen, um ihrem Hobby nachzugehen: Nämlich Poker zu spielen. Und zwar nicht versteckt und ausgegrenzt, sondern im öffentlichen Raum und als normaler Teil der Gesellschaft.

Solange das aber nicht möglich ist, und jedem Engagierten immer wieder neue Hürden vorgestellt werden, werden Pokerspieler immer wieder schiefe Blicke ernten und früher oder später mit der berühmten Frage nach „Haus und Hof“ konfrontiert werden.

Leider zeigt die Politik keinerlei Interesse, daran etwas zu ändern. Es bleibt also vorrangige Aufgabe, aufzuklären und die „Materie Poker“ transparenter zu machen. Denn wer sich einmal ernsthaft damit befasst, wird sehr schnell erkennen, dass man Poker sehr wohl abgrenzen kann und muss von den anderen, im Glücksspielstaatsvertrag behandelten Themen. Poker kann und muss eigenständig bewertet werden. Denn es hat nichts gemein mit Spielautomaten, mit Sportwetten oder Lotto.

Man kann – wie auch von Gerichten schon entschieden – beim Poker sein Geschick in die eigenen Hände nehmen und besser werden. Und wer besser spielt als seine Kontrahenten, der wird auch langfristig bessere Ergebnisse erzielen. Die Antwort auf die Frage „Glück oder Geschick“ scheint also klar, dennoch fehlt es noch an Mut, diese anzuerkennen.

Stephan Kalhamer, Regensburg*

1

BVerwG, 22.1.2014 – 8 C 26.12, ZfWG 2014, 202.

2

VG Leipzig, 13.11.2014 – 5 K 499/12.

3

FG Köln, 31.10.2012 – 12 K 1136/11, ZfWG 2013, 51.

4

BFH, 16.9.2015 – X R 43/12, ZfWG 2016, 37.

5

FG Münster, 15.7.2014 – 15 K 798/11 U.

6

BFH, 30.8.2017 – XI R 37/14, ZfWG 2018, 25.

*

Auf Seite III erfahren Sie mehr über den Autor.

 
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