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ZHR 166 (2002), 375-382
Baums 

Anlegerschutz und Neuer Markt

I. Die wirtschaftsrechtliche Abteilung des diesjährigen Deutschen Juristentages wird sich mit dem Thema Anlegerschutz und Förderung des Finanzplatzes Deutschland befassen. Die beiden Gutachter haben die Schwierigkeiten ihrer Aufgabe bravourös bewältigt1. Diese Schwierigkeiten erklären sich aus der Breite des Themas, seiner Aktualität und den vielfachen rechtspolitischen und regulatorischen Bemühungen hierum auf verschiedenen Ebenen, nämlich der Europäischen Union mit ihrem anspruchsvollen „Aktionsplan Finanzdienstleistungen“, des Bundesgesetzgebers (Viertes Finanzmarktförderungsgesetz) und der Börse (Änderungen des Regelwerks Neuer Markt; Entwicklung eines Kapitalmarktkodex). Dies alles ließ das Thema für die Autoren zu einem „moving target“ werden und erforderte Ab- und Ausgrenzungen. Behandelt wird nicht allgemein der Anlegerschutz im Recht der Kapitalanlage2 bis hin zum Investmentrecht3 oder gar zum grauen Kapitalmarkt. Die Gutachten beschränken sich auf das börsengehandelte Wertpapier. Das Gutachten Fleischer erörtert vor allem die transaktionsrechtlichen Aspekte, nimmt sich aber auch der Informationsintermediäre (Analysten und Ratingagenturen) an, während Merkt den institutionellen Teil, insbesondere das Börsenrecht, abdeckt.

Ein Editorial kann die Fülle an Einsichten und Vorschlägen, die von den Gutachtern unterbreitet werden, nicht darstellen oder gar angemessen würdigen. Die Diskussion der Vorschläge im Einzelnen wird Gegenstand der Referate, der zu erwartenden Aufsätze und der Debatte auf dem Juristentag sein. An dieser Stelle soll der Blick stattdessen auf die Vorgänge am Neuen Markt gelenkt werden, die die Frage nach einem angemessenen Anlegerschutz derzeit wohl am drängendsten aufwerfen. Zeigt sich hier Regulierungsbedarf, was ist bereits geschehen, was bleibt noch zu tun, und was tragen die Gutachten dazu bei? Die Empfehlungen der Gutachter gehen gerade in diesem Punkt in bemerkenswerter Weise auseinander. Während Merkt explizit formuliert: „Durchgreifende gesetzliche Maßnahmen zur Bewältigung der Krise des Neuen Marktes empfehlen sich nicht“4, wird diese Auffassung von seinem ZHR 166 (2002) S. 375 (376)Mitgutachter Fleischer, wie dessen Vorschläge ausweisen, offenbar nicht geteilt.

II. 1. Die Krise des Neuen Marktes wird von Merkt selbst mit eindrucksvollen Zahlen belegt5: Der Index ist von einem Höchststand von knapp 8600 Punkten am 10. März 2000 auf einen Stand von unter 1000 Anfang März 2002 gefallen; dies entspricht einem Wertverlust von 90%. In absoluten Zahlen ging dabei ein Wert von etwa 200 Milliarden Euro verloren. Ende März 2000 setzte ein Schrumpfen der Börsenumsätze am Neuen Markt auf bis zu 1% der Spitzenumsätze ein. Zugleich nahm die Zahl der notierten Unternehmen ab, aufgrund Delisting, Insolvenz, Verschmelzung oder Übernahme („kaltes Delisting“) oder wegen Wechsels in den geregelten Markt. Ist dies nun alles nur die Folge einer spekulativen Überhitzung infolge irrationalen Anlegerverhaltens („Herdenverhalten“)6, einer spekulativen Blase, die sich unvermeidlich in gewissen Phasen am Aktienmarkt aufbaut, nicht durch regulatorische Maßnahmen zu vermeiden ist und auch nicht bekämpft werden sollte, weil der Markt selbst wieder zum Ausgleich findet, die Börsenpreise von sich aus wieder die Nähe zu den Fundamentaldaten suchen? Dann wäre der gegenwärtig zu beobachtende Zustand nur eine – hoffentlich bald von selbst wieder vorbeigehende – Phase einer notwendigen Abkühlung, die schlichtes Abwarten erheischen würde. Merkt selbst empfiehlt denn auch nur, der Börse das Recht zu verleihen, einseitig das Regelwerk „Neuer Markt“ ändern zu können7. Als Beleg für seine These kann Merkt immerhin auf vergleichbare Entwicklungen an anderen internationalen Börsensegmenten für Wachstums- und Technologiewerte verweisen8.

2. Richtig ist zweifellos der Ausgangspunkt, dass regulatorische Eingriffe grundsätzlich nur dort gerechtfertigt erscheinen, wo sich Marktversagensprobleme zeigen, die der Markt auch längerfristig nicht selbst lösen kann9.

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Einzuräumen ist ferner, dass eine systematische und umfassende Aufarbeitung der geschilderten Entwicklung am Neuen Markt bisher leider fehlt10. Die vorhandenen Untersuchungen und Presseberichte legen freilich – außer dem plausiblen Hinweis auf eine spekulative Überhitzung – doch weitere Schlussfolgerungen nahe. Beobachtet werden konnte nahezu die gesamte Palette von Anlegerschädigungen, die für junge und dynamische, zugleich aber eben auch nicht hinreichend regulierte Aktienmärkte charakteristisch zu sein scheinen. Dies beginnt bei unzulänglichen Zulassungsprospekten11 und intransparenten Zuteilungsverfahren; setzt sich fort in häufigem Bruch von Marktschutzvereinbarungen („lockups“) und zu spät oder gar nicht veröffentlichten „directors’ dealings“; in Insidergeschäften und verschiedenen Formen der Kursmanipulation; in falschen, nichtssagenden, unterlassenen oder zu spät vorgenommenen Ad-hoc-Mitteilungen und in sonstigen falschen kapitalmarktbezogenen Mitteilungen, sei es in Pressekonferenzen, Aktionärsbriefen, Hauptversammlungen oder bei Analystentreffen; in flächendeckenden Verstößen gegen Rechnungslegungsstandards12 bis hin zu Bilanzfälschungen und falschen Prüfertestaten; und endet schließlich in den bekannten Schwierigkeiten der Börse, die Vorschriften des Regelwerks Neuer Markt durchzusetzen13.

III. 1. Letzterem wird künftig allerdings dadurch abgeholfen werden können, dass die Börse auf der Grundlage des neuen § 50 Abs. 3 Börsengesetz eine entsprechende öffentlich-rechtliche Börsenordnung auch für den Neuen Markt als Segment des geregelten Markts beschließt. Damit hat sich zugleich die Empfehlung, der Börse gesetzlich ein Recht zum Eingriff in das privatrechtlich aufzufassende bisherige „Regelwerk Neuer Markt“ zu geben14, erledigt15.

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2. Was die Zulassungsprospekte anbetrifft, so hat die Deutsche Börse Going Public-Grundsätze vorgelegt16, die in einen Kapitalmarktkodex einmünden sollen. Flankierend enthält das Gutachten Fleischer, der diese neuere Entwicklung noch nicht berücksichtigen konnte, Anregungen zu Prospektinhalt, Prospektbegriff und Prospekthaftung17. Was von diesen Vorschlägen und vom Kapitalmarktkodex in das Börsenrecht übernommen werden sollte, mag dann aus Anlass der Umsetzung der Prospektrichtlinie der EU18 geprüft werden.

3. Die Zuteilungspraxis ist in der Literatur mehrfach kritisiert worden19. Das Regelwerk Neuer Markt macht inzwischen den Emittenten zur Pflicht, die Grundsätze der Börsensachverständigenkommission, die auf Transparenz der Zuteilungspraxis hinwirken sollen20, zu befolgen21. Sollte dies künftig in einer Börsenordnung für den Neuen Markt gemäß § 50 Abs. 3 BörsenG n.F.

verankert werden, wäre auch für ausreichende Sanktionsmechanismen gesorgt.

4. Was Marktschutzvereinbarungen (lock ups) angeht, so hatte der Regierungsentwurf des Vierten Finanzmarktförderungsgesetzes noch vorgesehen, dass Wertpapiere künftig nur zugelassen werden sollten, wenn bei Vorliegen einer solchen lock up-Abrede „durch Anordnungen der Zulassungsstelle“ (z.B. Verwahrung in einem Sperrdepot) sichergestellt sei, dass eine solche Marktschutzvereinbarung auch beachtet werde22. Der Finanzausschuss hat dies geändert. Für den Handel im amtlichen Markt wird künftig die Börsenzulassungsverordnung Anforderungen hinsichtlich solcher Marktschutzvereinbarungen einschließlich der Maßnahmen, welche die Parteien selbst zu ihrer Durchsetzung zu treffen haben, vorsehen können23; überdies sind die Angaben hierüber künftig im Prospekt zu publizieren24. Für die Zulassung zum geregelten Markt (und damit für den Neuen Markt) kann die Börsenordnung Entsprechendes anordnen.

5. Zu Geschäften von Organmitgliedern in Wertpapieren der Gesellschaft (directors’ dealings) enthält künftig § 15a WpHG eine Pflicht zur unverzüg¬ZHR 166 (2002) S. 375 (379)lichen Veröffentlichung im Nachhinein25. Wünschenswert wäre hier eine Vorabveröffentlichung mit einer de minimis-Regelung gewesen, gekoppelt mit einem Handelsverbot („closed period“) für den sensiblen Zeitraum vor der Veröffentlichung der Unternehmensergebnisse26 sowie mit einer Gewinnherausgabepflicht bei Verstößen hiergegen27.

6. Das regulatorische Defizit im Bereich der Kurs- und Marktpreismanipulation wird durch die neuen Vorschriften der §§ 20a, b WpHG behoben28, die freilich noch der Konkretisierung durch eine entsprechende Verordnung bedürfen29. Offen ist bisher der Schutzgesetzcharakter (§ 823 Abs. 2 BGB) dieser Vorschriften30. Eine – bedenkenswerte – öffentliche Bekanntmachung von Sanktionen wegen Kurs- und Marktpreismanipulationen könnte im Zusammenhang mit der Umsetzung der Marktmissbrauch-Richtlinie der EU31 erwogen werden32.

7. Für vorsätzlich oder grob fahrlässig unterlassene oder falsche Ad-hoc-Mitteilungen, nicht aber für sonstige Fälle bewusster oder grob fahrlässiger falscher Kapitalmarktinformation, sehen die §§ 37b, c WpHG n.F. eine Schadensersatzhaftung des Emittenten, also der Gesellschaft selbst, vor. Diese Vorschriften sind im Entwurf vielfach zu Recht kritisiert worden, freilich ohne dass diese Kritik den Gesetzgeber beeindruckt hätte: Die Regelung ist nur auf einen, wenn auch zweifellos wichtigen, Fall falscher Kapitalmarktinformation bezogen. Die Haftung der Gesellschaft statt der verantwortlichen Organmitglieder führt dazu, dass die Anleger den Schadensersatz aus der eigenen Tasche bezahlen müssen, und wirft Fragen des Vorrangs des Gläubigerschutzes auf. Häufig wird die Haftung der Gesellschaft gerade bei kleinen am Neuen Markt gelisteten Unternehmen auch nicht zum Ziele führen; ob jeweils ein Rückgriff auf die eigentlich verantwortlichen Organmitglieder möglich und durchführbar ist, ist zweifelhaft. Die Regelung wirft ferner erhebliche Fragen und Schwierigkeiten hinsichtlich Kausalität und Schadensnachweis auf. Außerdem ist der praktisch wichtige Fall, dass ein Anleger aufgrund der falschen Adhoc-Meldung dazu verleitet worden ist, in der Gesellschaft zu verbleiben, nicht erfasst. Und schließlich kommt hinzu, dass die Regelung keinen Kollektivvertretungsmechanismus vorsieht.

Die Regierungskommission „Corporate Governance“ hat mit ihrem Vorschlag ein Alternativmodell entwickelt, das ausländischen Vorbildern nachge¬ZHR 166 (2002) S. 375 (380)arbeitet ist, und versucht, die Defizite des Modells der §§ 37b, c WpHG zu vermeiden33. Fleischer spricht sich in seinem Gutachten dafür aus, beide Ansätze zu verbinden34. Jedenfalls kann es bei den §§ 37b, c WpHG nicht bleiben.

8. Was Verstöße gegen Rechnungslegungsstandards angeht, so fehlt es bisher in Deutschland an einem – dem US-amerikanischen (S.E.C.) oder britischen (FRRP) Vorbild vergleichbaren – „Enforcement“35. Die Vorschläge der Regierungskommission „Corporate Governance“ dazu36 und abweichende Thesen37 liegen auf dem Tisch. Die EU-Kommission hat ebenfalls wissen lassen, dass ein effizientes Enforcement-System unabdingbar sei38.

Bilanzfälschungen sind freilich nicht allein ex post mit Hilfe eines – privatwirtschaftlich organisierten (Panel) oder hoheitlich verfassten (BAFin) – Enforcement-Systems und ergänzenden Straf- und Haftungssanktionen zu erfassen. Wie eine Analyse der Bilanzfälschungs-Skandale, die derzeit den US-amerikanischen Kapitalmarkt erschüttern, lehrt39, ist hier präventiv anzusetzen. Im Kern getrieben wurden diese Bilanzfälschungen offenbar durch falsch strukturierte und geradezu abenteuerlich überzogene Aktienoptionsprogramme für die Manager, die dadurch den Anreiz erhielten, unentwegt gute Nachrichten zu publizieren, die Risiken dagegen zu verstecken40. Ähnliches ist für Einzelfälle vor allem am Neuen Markt auch in Deutschland nicht auszuschließen; hier kommt in der Frühphase nach dem IPO der Wunsch nach einem günstigen Verkauf des eigenen Aktienpakets hinzu. Es besteht ein erhebliches Interesse der Anleger wie des Finanzplatzes insgesamt daran, dass dem entschieden entgegengearbeitet wird, und dass die unzureichenden – gegenüber den Empfehlungen der Regierungskommission „Corporate Governance“41 leider in den entscheidenden Punkten verwässerten – Vorkehrungen des Deut¬ZHR 166 (2002) S. 375 (381)schen Corporate Governance-Kodex42 hier alsbald nachgebessert werden. Notwendig erscheint vor allem eine korrekte Information der Hauptversammlung vor Beschlüssen gemäß §§ 71 Abs. 1 Nr. 8, 192 Abs. 2 Nr. 3 AktG über den Wert eines Programms; eine detaillierte Offenlegung von Struktur und Wert solcher Programme in Prospekten und Jahresabschlüssen; ein Ausschluss von „windfall profits“ und Belohnung trotz Underperformance, wie sie insbesondere bei Orientierung ausschließlich an der eigenen Kursentwicklung eintreten können; die Festsetzung eines Höchstbetrages des Gewinns („cap“) aus einem solchen Programm seitens des Aufsichtsrats und die Offenlegung dieses cap; und schließlich ein klarer Ausweis des Verwässerungseffekts in der GuV oder im Anhang dazu43. Aktienrecht (Corporate Governance) und Kapitalanlegerschutz lassen sich insofern nicht trennen. Das gilt auch für die Regulierung der Interessenkonflikte der mit der Abschlussprüfung befassten Wirtschaftsprüfer44. Die beiden Juristentagsgutachten schweigen sich hierzu freilich aus, mit Recht, da dies doch zu weit außerhalb ihrer Aufgabenstellung liegt.

9. Wertpapieranalysten und Ratingagenturen gehören zu den unabhängigen Informationsintermediären des Kapitalmarktes, die die Vermögens-, Finanz- und Ertragslage der kapitalnachfragenden Unternehmen einschätzen und dem Anleger helfen sollen, ein Urteil über ein Investment fällen zu können. Überlegungen zur Kapitalmarktregulierung zum Schutz der Anleger haben sich daher auch mit dem Zustandekommen der Urteile dieser Informationsintermediäre zu befassen.

Von Interessenkonflikten beeinflusste Analystenempfehlungen sind seit geraumer Zeit Gegenstand vielfältiger Reformüberlegungen und -schritte im In- und Ausland. Im Mai 2001 war ein freiwilliger Verhaltenskodex vorgelegt worden45, dessen Vorstellungen jetzt im Wesentlichen ins Wertpapierhandelsgesetz übernommen worden sind. Nach § 34b WpHG n.F. werden künftig Analysten verpflichtet, die Analyse „mit der erforderlichen Sachkenntnis, Sorgfalt und Gewissenhaftigkeit zu erbringen und Interessenkonflikte in der Wertpapieranalyse offen zu legen“. Der Finanzausschuss des Bundestages hat dies noch durch die Aufzählung von drei Regelbeispielen verschärft46, die nicht abschließend sind47. Es ist zu wünschen, dass die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) die Pflichten der Analysten alsbald durch eine Richtlinie (§ 35 Abs. 6 WpHG) präzisiert.

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10. Fleischer spricht sich darüber hinaus für eine vorsichtige Regulierung von Rating-Agenturen aus48. Dazu sollen Verhaltensregeln zur Sicherstellung der Rating-Qualität, Vorkehrungen zur Vermeidung von Interessenkonflikten und Vorschriften zur Gewährleistung ihrer Unabhängigkeit gehören. Außerdem seien Grundsätze ordnungsmäßiger Rating-Tätigkeit und Rating-Berichterstattung auszuarbeiten.

Hier sei dem Juristentag Zurückhaltung angeraten. (Freiwillige) Grundsätze ordnungsgemäßer Rating-Tätigkeit bestehen bereits49. Reputationseffekte haben bisher offenbar nennenswerte Interessenkonflikte verhindert50. Ein zentrales Problem im vorliegenden Zusammenhang scheint zu sein, dass Rating-Agenturen mit der Herabstufung auf ein „non investment-grade“ zögern, weil dies nach den Anleihe- und Kreditbedingungen (jedenfalls in den USA) eine sofortige Fälligkeit von Krediten bzw. eine Veräußerungspflicht für Anleihen auslöst und damit das Unternehmen erst recht in Schwierigkeiten bringt51. Dieses Problem ist durch eine Regulierung nur schwer zu bewältigen und wird überdies inzwischen vom Markt selbst einer Lösung nähergebracht52. Werden Urteile von Rating-Agenturen künftig verstärkt für regulatorische Zwecke in Anspruch genommen (Stichwort: Basel II), könnte sich eine Anerkennungslösung nach US-amerikanischem und schweizerischem Vorbild empfehlen53.

IV. Der knappe Überblick hat nur ein Schlaglicht auf die am Neuen Markt zu beobachtenden Defizite werfen und die Reaktionen einzelner Marktakteure und des Gesetzgebers hierauf nur andeuten können, allerdings auch auf verbliebene Petita hingewiesen. Zu wünschen bleibt, dass der Deutsche Juristentag sich dieser Petita annimmt und sich nicht mit der Empfehlung bescheidet, dass Maßnahmen zur Bewältigung der Krise am Neuen Markt nicht angezeigt seien.

Theodor Baums

1

Fleischer/Merkt, „Empfiehlt es sich, im Interesse des Anlegerschutzes und zur Förderung des Finanzplatzes Deutschland das Kapitalmarkt- und Börsenrecht neu zu regeln?“, Gutachten F und G zum 64. Deutschen Juristentag, Berlin 2002; Abdruck der Thesen in der NJW-Beilage 23/2002 S. 37ff. (Fleischer); S. 41ff. (Merkt).

2

Zu Begriff und Abgrenzung etwa Assmann in: Assmann/Schütze, Handbuch des Kapitalanlagerechts, 2. Aufl. 1977, § 1.

3

Gerade hier steht eine grundsätzliche Neuredaktion (des KAGG) an.

4

Merkt, Gutachten G, a.a.O., zu 18. (G 140).

5

A.a.O., G 106.

6

Eingehend dazu mit Nachweisen Fleischer, a.a.O., F 29f.

7

A.a.O., G 113.

8

A.a.O., G 106f.

9

Allgemein zum Marktversagen und den Gründen für Regulierung Cooter/Ulen, Law and Economics, 2. Aufl. 1997, S. 38ff.; Pindyck/Rubinfeld, Microeconomics, 1992, S. 608ff.; Fritsch/Wein/Ewers, Marktversagen und Wirtschaftspolitik: mikroökonomische Grundlagen staatlichen Handelns, 2. Aufl. 1996. – In seinem elegant geschriebenen Essay zum Anlegerschutz, den Fleischer seinem Gutachten voranstellt (a.a.O., F 19ff.), führt er als ökonomische Legitimationsgrundlage staatlichen Handelns lediglich die Informationsasymmetrie und Interessenkonflikte an. Aber gerade im Kapitalmarktrecht spielen doch wohl auch die anderen klassischen Marktversagensgründe (externe Effekte; Kollektivhandlungsprobleme von Anlegern; öffentliche Güter; Marktmacht) eine Rolle; zu externen Effekten im Kapitalmarktrecht s. etwa Beaver, „The Nature of Mandated Disclosure“, in: Posner/Scott (Hrsg.), Economics of Corporation Law and Securities Regulation, 1980, S. 317, 320ff.; zu Kollektivhandlungsproblemen grundlegend Olson, The Logic of Collective Action, 1965; Nachweise zur gesellschafts- und kapitalmarktrechtlichen Literatur bei Baums, Gutachten F zum 63. DJT, 2000, F 24f.; zu öffentlichen Gütern allgemein etwa Bernholz/Breyer, Grundlagen der Politischen Ökonomie, 1984, S. 95ff.

10

S. aber immerhin die instruktiven Jahresberichte des Bundesaufsichtsamtes für den Wertpapierhandel, zuletzt 2001 (www.bawe.de/down/jb01.pdf.), sowie die Hinweise in den nachfolgenden Fußnoten. Auch die Entscheidungsgründe verschiedener erstinstanzlicher Urteile sind in diesem Zusammenhang aufschlussreich.

11

S. dazu Deutsche Börse AG (Hrsg.), Neuer Markt-Report (2002); Baums/Hutter, Die Information des Kapitalmarkts beim ersten Börsengang (IPO); Arbeitspapier Nr. 93, 2002 (www.uni-frankfurt.de/fb01/baums/).

12

Vgl. dazu die Untersuchung des Deutschen Aktieninstituts, Rechnungslegung der Unternehmen am Neuen Markt (Studien des DAI, Heft 17), 2002.

13

Vgl. OLG Frankfurt a.M., ZIP 2002, 803.

14

Dafür Merkt, a.a.O., G 113.

15

Es sei denn, dass sich der Juristentag der von Merkt mit Verve verfochtenen Vollprivatisierung der deutschen Börsen anschließen möchte (vgl. Gutachten a.a.O., G 68ff.), was freilich nicht nur eine Befragung der Marktteilnehmer hierzu, sondern auch eine detaillierte Untersuchung sämtlicher Folgefragen einer solchen Vollprivatisierung erfordern würde (Börse als Nonprofit? Repräsentanz der Marktteilnehmer in den Unternehmensorganen? Verlagerung der Wertpapierzulassung auf das BA-Fin? Behandlung der Handelsüberwachungsstellen? Zu Letzterem eingehend Merkt, a.a.O., G 120ff.). Vgl. dazu auch die ausgezeichnete Dissertation von Mues, Die Börse als Unternehmen, 1999, S. 161ff.

16

Deutsche Börse AG, Going Public-Grundsätze i.d.F. vom 24. 4. 2002; dazu aus der Lit. Baums/Hutter, a.a.O. (Fn.11).

17

A.a.O., F 41ff.

18

Vgl. den Vorschlag der Prospektrichtlinie der Kommission vom 30. 5. 2001, KOM (2001) 280 endg.

19

S. nur Escher-Weingart, AG 2000, 164ff.; Brandner/Bergmann, FS Peltzer, 2001, S. 17ff.; Williamowski, WM 2001, 653ff.

20

Börsensachverständigenkommission, „Grundsätze für die Zuteilung von Aktienemissionen an Privatanleger“ (2000); vgl. auch das im Juni 2001 vorgelegte Beratungsdokument der FESCO (FESCO Stabilization and Allotment. A European Supervisory Approach. Second Consultative Document).

21

Regelwerk Neuer Markt Ziff. 3.14.

22

§§ 29 Abs. 3 Nr. 4, 50 Abs. 1 Nr. 4 BörsG i.d.F. des RegE (BT-Drucks. 14/8017).

23

§ 31 Abs. 1 Nr. 2 BörsenG i.d. F. der Beschlüsse des 7. Ausschusses, BT-Drucks. 14/8600.

24

§ 16 Abs. 1 Nr. 14 BörsenZulVO n.F.

25

Vgl. auch Ziff. 6.6 Deutscher Corporate Governance Kodex.

26

Rudolph, BB 2002, 1036, , 1040 m. Nachw.

27

Vgl. Fleischer, a.a.O., F 143 Nr. 16 („bedenkenswert“).

28

Umfassende Vorarbeit hierzu durch Lenzen, Unerlaubte Eingriffe in die Börsenkursbildung (Frankfurter wirtschaftsrechtliche Studien Bd. 38), 2000.

29

Anregungen dazu bei Rudolph, BB 2002, 1036, , 1040f.

30

Lenzen, FinanzBetrieb 2001, 603, 608.

31

Vorschlag für eine Richtlinie über Insider-Geschäfte und Marktmanipulation (Marktmissbrauch) vom 30. 5. 2001, KOM (2001) 281 endg.

32

Dafür Fleischer, a.a.O., F 143 Nr. 13.

33

Baums (Hrsg.), Bericht der Regierungskommission Corporate Governance, 2001, Rdn. 181–190.

34

Fleischer, a.a.O., F 95ff.; zuletzt dazu Rieckers, BB 2002, 1213ff.

35

Eingehend Tielmann, Durchsetzung ordnungsmäßiger Rechnungslegung, 2001.

36

Baums (Hrsg.), Bericht der Regierungskommission, a.a.O. (Fn. 33) Rdn. 277–278.

37

Insbes. Hommelhoff in: WPg-Sonderheft „Reformbedarf in der deutschen Corporate Governance im globalen Wettbewerb“, 2001, 39ff.

38

Mitteilung vom 13. 6. 2000 an den Rat und das Europäische Parlament „Rechnungslegungsstrategie der EU: Künftiges Vorgehen“, KOM (2000) 359 vom 13. 6. 2000; dazu eingehend auch van Hulle, WPg-Sonderheft 2001 (Fn. 37), 30ff.

39

S. dazu nur Schwarcz, Essay: Some Thoughts on the Enron Bankruptcy (erscheint in der Cincinnati Law Review, 2002); Macey, Efficient Capital Markets, Corporate Disclosure & Enron, Working Paper Cornell Law School, 2002; Gordon, What Enron Means for the Management and Control of the Modern Business Corporation: Some Initial Reflections, University of Chicago Law Review (erscheint demnächst).

40

S. S. London, Financial Times, 1. 7. 2002, S. 13, zu den Optionsprogrammen bei Enron und Tyco.

41

Vgl. Baums (Hrsg.), Bericht der Regierungskommission, a.a.O. (Fn. 33), Rdn. 41– 47 und Rdn. 257–260.

42

Vgl. Ziff. 4.2.3 und 4.2.4 sowie Ziff. 5.4.5 Deutscher Corporate Governance Kodex.

43

Noch weitergehend die Studie von Adams dazu: „Vorstandsvergütungen“, Arbeitspapier Nr. 96, 2002 (www.uni-frankfurt.de/fb01/baums/).

44

Vgl. dazu jetzt Ziff. 7.2.1. Deutscher Corporate Governance Kodex; Überblick zu internationalen Reformbemühungen (IFAC; EU; S. E.C.) bei Hagemeister, DB 2002, 333ff., sowie die Beiträge im WPg-Sonderheft (Fn. 37).

45

v. Rosen/Gerke, Kodex für anlegergerechte Kapitalmarktkommunikation, 2001.

46

Vgl. § 34b WpHG i.d.F. des Vorschlags des 7. Ausschusses, BT-Drucks. 14/8600.

47

Vgl. das Beispiel bei Rudolph, BB 2002, 1036, , 1039.

48

Vgl. die Empfehlungen in Gutachten F, a.a.O., F 144.

49

DVFA-Kommission Rating Standards (Hrsg.), DVFA-Rating Standards, 2001.

50

Eingehend dazu zuletzt Schwarcz, Private Ordering of Public Markets: The Rating Agency Paradox, University of Illinois L.R. 2002, 1ff.; aus der deutschen Literatur v. Randow, ZBB 1995, 140ff.; Kübler in: Hadding u.a. (Hrsg.), Bankrechtstag 1996, 1997, S. 115ff.

51

Vgl. Bottin, San Diego L.R. 30 (1993), 579ff., 583 „Lethargy in downgrading a rating“; Macey, a.a.O. (Fn. 39), S. 17 („… a downgrade by a rating agency is like a corporate nuclear bomb“).

52

Vgl. Financial Times, 12. 7. 2002, S. 13.

53

Dazu Fleischer, a.a.O., F 134f.

 
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