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ZHR 174 (2010), 517-524
Dolde 

Staatlich finanzierte Produktkritik Privater

1. Der Staat nimmt in vielfältiger Weise an der marktbezogenen Kommunikation teil: ein Bundesministerium warnt vor dem Genuss glykolhaltiger Weine,1 ein Regierungspräsidium vor angeblich mikrobiell verunreinigten Nudeln,2 das Bundesumweltministerium empfiehlt den Kauf von Mehrwegverpackungen oder das Umweltbundesamt rät aus Gründen des Gewässerschutzes von Dächern und Dachrinnen aus Kupfer und Zink ab.3 Mit solchen Äußerungen erreicht der Staat seine Ziele nicht mit den klassischen Instrumenten obrigkeitlichen Handelns, also Geboten und Verboten in Gestalt von Gesetzen, Rechtsverordnungen oder Verwaltungsakten, sondern durch die Lenkung des Verbraucherverhaltens mittels Appellen und Überzeugungsarbeit. Durch das informale Handeln könnte sich der Staat den rechtlichen Bindungen, die den förmlichen Verfahren zugeordnet sind, entziehen und dadurch den Rechtsschutz der Betroffenen verkürzen.

Rechtsprechung4 und Literatur5 haben sich, ausgelöst durch die zum Teil spektakulären Warnungsfälle im Lebensmittelrecht, intensiv mit der staatlichen Informationstätigkeit befasst. Dabei wurden dem Staat Grenzen aufgezeigt, auf die noch einzugehen ist.

Weit weniger beachtet, aber von großer Bedeutung, ist die jährlich millionenschwere staatliche Förderung privater Organisationen, die durch ihre Äußerungen Marktmacht ausüben können. Die Verbraucherzentrale Bundes¬ZHR 174 (2010) S. 517 (518)verband e.V. könnte ohne staatliche Finanzierung nicht existieren,6 für die Verbraucherzentralen in den Ländern gilt dasselbe.7 Empfehlungen der Verbraucherzentralen können die wirtschaftliche Betätigungsfreiheit der betroffenen Unternehmen massiv treffen. Das Bundesministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz (BMELV) will als Reaktion auf die Diskussion über Lebensmittelimitate wie „Analogkäse“ oder „Schinkenersatz“ ein Internetportal initiieren und finanzieren, das durch die Verbraucherzentrale betrieben wird. Die Verbraucher können über das Portal Produkte melden, die sie als täuschend empfinden. Der Hersteller des Produkts soll Gelegenheit haben, zu dem Täuschungsvorwurf Stellung zu nehmen. Anschließend werden Informationen über das Produkt, die Kritik des Verbrauchers, die Stellungnahme des Herstellers und eine Bewertung des konkreten Vorwurfs durch die Verbraucherzentrale im Internet veröffentlicht. Dieses Modell des staatlich finanzierten „Meckerkastens“8 könnte über die Lebensmittelwirtschaft hinaus auf die Bewertung der Beratung von Verbrauchern durch Banken und Versicherungen, die Leistungen von Fluggesellschaften und auf alle Arten von Produkten wie Kraftfahrzeuge, Haushalts- und Elektrogeräte oder Kinderspielzeug angewendet werden. Nachdem die Verbraucherzentralen die „Rechte und Interessen der Verbraucher“ vertreten,9 ist kaum damit zu rechnen, dass die Produkte in diesen Portalen eine zurückhaltende und neutrale Bewertung erfahren werden. Andererseits wird gerade die Beteiligung eines Bundesministeriums an einem Internetportal durch die Inanspruchnahme „behördlicher Autorität“ den Eindruck besonderer Glaubwürdigkeit bei den Benutzern erwecken. Die betroffenen Banken, Versicherungen oder Produkthersteller hätten deshalb trotz der Veröffentlichung ihrer Stellungnahme keine gleichberechtigte Chance, ihre Sicht der Dinge zu vermitteln. Sie erleiden eventuell Umsatzeinbußen, obwohl ihre Produkte oder Dienstleistungen möglicherweise den rechtlichen Vorschriften entsprechen und nach diesem Maßstab nicht zu beanstanden sind. Auch die von der Bundesrepublik Deutschland errichtete und mit jährlichen Zuschüssen in Millionenhöhe unterstützte Stiftung Warentest übt mit den von ihr vertriebenen Zeitschriften „Test“ und „Finanztest“ große Marktmacht aus. Ein schlechtes Testergebnis kann zu massiven Umsatz- und Imageverlusten bei dem betroffenen Unter¬ZHR 174 (2010) S. 517 (519)nehmen führen.10 Dies wirft die Frage auf, ob und unter welchen Voraussetzungen private Vereine, die sich kritisch mit konkreten Produkten oder Dienstleistungen auseinandersetzen, mit öffentlichen Mitteln gefördert werden dürfen.

2. Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts kann der Staat seine rechtlichen Bindungen bei der Informationstätigkeit nicht dadurch abstreifen, dass er sich der Hilfe eines privaten Vereins versichert und diesen finanziert.11 Gegenstand des vom Bundesverwaltungsgericht entschiedenen Falls war die institutionelle und projektbezogene Förderung eines Vereins mit Mitteln aus dem Bundeshaushalt. Nach seiner Satzung verfolgte der Verein das Ziel, sich kritisch mit den so genannten „Jugendreligionen“ auseinanderzusetzen. Das Bundesverwaltungsgericht bewertete die Förderung wegen der gezielten, kritischen Auseinandersetzung des Vereins mit konkreten Religionsgemeinschaften als Eingriff in die durch Art. 4 GG geschützte Religions- und Weltanschauungsfreiheit. Da die Förderung in die Grundrechte der Kläger aus Art. 4 GG eingreife, bedürfe es hierfür einer gesetzlichen Grundlage. Die der Förderung zu Grunde liegenden Ansätze im Bundeshaushaltsplan i.V.m. dem Haushaltsgesetz seien keine ausreichenden Ermächtigungsgrundlagen für den Eingriff in Grundrechte der Kläger. Das Bundesverwaltungsgericht stellte klar, dass sich die Bundesregierung ihren rechtlichen Bindungen nicht dadurch entziehen kann, dass sie ihre Informationsaufgaben nicht selbst erfüllt, sondern die Informationstätigkeit privater Vereine finanziert. Die Bundesregierung kann damit im Ergebnis nur solche Informationstätigkeit privater Vereine finanziell unterstützen, die sie selbst durchführen könnte. Soweit mit der Informationstätigkeit Grundrechtseingriffe verbunden sind, handelt es sich um „echte Verwaltungstätigkeit“, für die eine gesetzliche Grundlage erforderlich ist.

Das Bundesverfassungsgericht hat die Anforderungen an Informationen eines Bundesministeriums über Lebensmittel unter Nennung des Herstellernamens im Glykolwein-Beschluss klargestellt.12 In der bestehenden Wirtschaftsordnung betreffe das Freiheitsrecht des Art. 12 Abs. 1 GG zwar insbesondere das berufsbezogene Verhalten einzelner Personen oder Unternehmen. Es schütze aber nicht vor der Verbreitung zutreffender und sachlich gehaltener Informationen am Markt, die für das wettbewerbliche Verhalten der Marktteilnehmer von Bedeutung sein können, selbst wenn die Inhalte sich auf einzelne Wettbewerbspositionen nachhaltig auswirken. Die Bundesregierung habe jedoch die rechtlichen Vorgaben für Informationshandeln zu wahren. Verfassungsrechtlich von Bedeutung seien hierbei das Vorliegen einer staatli¬ZHR 174 (2010) S. 517 (520)chen Aufgabe und die Einhaltung der Zuständigkeitsordnung sowie die Beachtung der Anforderungen an die Richtigkeit und Sachlichkeit von Informationen. Die Befugnis zur Information der Öffentlichkeit über glykolhaltige Weine folgert das Bundesverfassungsgericht aus der Aufgabe der Staatsleitung der Regierung. Die Zuständigkeit der Bundesregierung folge aus Art. 65 GG. Die Bundesregierung sei überall dort zur Informationsarbeit berechtigt, wo ihr eine gesamtstaatliche Verantwortung zukommt, die mit Hilfe von Informationen erfüllt werden kann. Bei der „Glykolweinliste“ bejahte das Bundesverfassungsgericht Aufgabe und Zuständigkeit der Bundesregierung wegen des Auslandsbezugs und der bundesweit krisenhaften Entwicklung im Weinmarkt. Diese Grundsätze gelten nicht, wenn die Informationsmaßnahme „Ersatz für staatliche Eingriffsmaßnahmen“ ist und wenn nicht nur marktrelevante Informationen verbreitet werden. In diesen Fällen ist nicht die Bundesregierung, sondern die staatliche Lebensmittelüberwachung der Länder für die eingriffsersetzenden Informationsmaßnahmen zuständig.13 Der Schutzbereich des Art. 12 Abs. 1 GG wird danach nicht in verfassungswidriger Weise beeinträchtigt, solange die Bundesregierung entsprechend ihrer staatlichen Aufgabe unter Einhaltung der Zuständigkeitsordnung sachlich im erforderlichen Umfang und mit angemessener Zurückhaltung marktbezogen über konkrete Produkte informiert. Der betroffene Unternehmer hat einen Abwehranspruch gegen inhaltlich unzutreffende hoheitliche Äußerungen und gegen Wertungen, die auf sachfremden Erwägungen beruhen und herabsetzend formuliert sind.

Erfolgt die Information durch einen privaten Verein, der aus Mitteln des Bundeshaushalts gefördert wird, ist die Förderung rechtswidrig, wenn die Anforderungen an Zuständigkeit, Richtigkeit und Sachlichkeit nicht gewahrt sind.

3. Diesen verfassungsrechtlichen Anforderungen hält die Förderungspraxis des Bundes bei privaten Verbraucherinformationen nicht in allen Fällen stand: Für die Förderung von Internetportalen, die von privaten Organisationen betrieben werden und die sich kritisch mit Produkten oder Dienstleistungen auseinandersetzen, fehlt dem Bund regelmäßig die Informationskompetenz. Eine Informationskompetenz kann aus der Aufgabe der „Staatsleitung der Regierung“ folgen. Die Bundesregierung ist danach überall dort zur Informationsarbeit berechtigt, wo ihr eine „gesamtstaatliche Verantwortung der Staatsleitung“ zukommt, die mit Hilfe von Informationen erfüllt werden kann. Dies ist der Fall, wenn Vorgänge wegen ihres Auslandsbezugs oder ihrer länderübergreifenden Bedeutung überregionalen Charakter haben und eine bundesweite Informationsarbeit der Regierung die Effektivität der Problembewältigung fördert. Der Beschluss des Bundesverfassungsgerichts zur Glykolweinliste macht deutlich, dass die Informationskompetenz der Bundesregierung vor allem zur „Krisenbewältigung“ besteht.14 Der Bereich der Staatsleitung ZHR 174 (2010) S. 517 (521)wird verlassen, wenn der Bund dazu übergeht, die von ihm allgemein angenommenen Gefahren mit Blick auf Einzelfälle zu bekämpfen. Stellt sich die Informationstätigkeit der Bundesregierung als typisch auf den Einzelfall bezogenes (Verwaltungs-)Handeln dar, kann sie nicht mehr auf die Kompetenz für die Staatsleitung gestützt werden.15 In diesen Fällen muss die Bundesregierung die Abwehr von Rechtsverstößen den zuständigen Landesbehörden überlassen.

Wenn in Internetportalen eine Bewertung der von Verbrauchern gerügten Produkte oder Dienstleistungen durch die Verbraucherzentralen oder andere Organisationen erfolgt, die nach ihren Satzungen nicht neutral sind, sondern vorrangig Verbraucherinteressen wahrnehmen, können die Anforderungen an staatliche Informationstätigkeit nicht eingehalten werden. Das Bundesverfassungsgericht hat klargestellt, dass Art. 12 Abs. 1 GG den Hersteller oder Dienstleister nicht vor der Verbreitung von inhaltlich zutreffenden und unter Beachtung des Gebots der Sachlichkeit sowie mit angemessener Zurückhaltung formulierten Informationen durch einen Träger der Staatsgewalt schützt.16 Insoweit stellt das Bundesverfassungsgericht einen gewichtigen Unterschied zu Informationen durch Private heraus. Der Staat unterliegt dem Sachlichkeitsgebot, während Private sich auf das Grundrecht der Meinungsfreiheit aus Art. 5 Abs. 1 S. 1 GG berufen können; nicht mehr von der Meinungsfreiheit gedeckt ist nur die Verbreitung bewusst unwahrer Tatsachen und von Werturteilen, die die Grenze der Schmähkritik überschreiten.17 Der Staat muss sich richtig und sachlich äußern, er darf nicht „parteiisch“ sein. Die öffentliche Gewalt ist kein gleichberechtigter Mitspieler im „Konzert der Meinungen“.18 Hoheitliche Äußerungen genießen in der Öffentlichkeit wegen der rechtlichen, insbesondere grundrechtlichen Bindungen der öffentlichen Hand, besondere Autorität. Mit dieser besonderen Autorität und Glaubwürdigkeit verträgt es sich nicht, wenn die öffentliche Gewalt durch eine „Flucht ins Privatrecht“ über die Finanzierung privater Vereine Informationen verbreiten lässt, die nicht als staatliche Informationen verbreitet werden könnten. Der Staat kann die rechtlichen Bindungen seines Äußerungsrechts nicht dadurch abstreifen, dass er sich der Hilfe eines privaten Vereins versichert, der die ihm zustehende, grundrechtlich verbürgte Meinungsfreiheit bis zur Grenze der Schmähkritik nutzen kann. Die damit den Staat treffende Pflicht, bei Förderungsmaßnahmen strikt auf Neutralität zu achten, führt zur Notwendigkeit einer speziellen gesetzlichen Ermächtigungsgrundlage im grundrechtsrelevanten Bereich.19

ZHR 174 (2010) S. 517 (522)

Dies bedeutet allerdings nicht, dass die gesamte Förderung der Verbraucherzentralen durch Bund und Länder rechtswidrig wäre. Die staatliche Förderung wird erst dann rechtlich problematisch, wenn der geförderte Private in die Grundrechte eines Unternehmens aus Art. 12 GG eingreift. Dies setzt voraus, dass die Nachteile für die Unternehmen aus der Informationsarbeit nicht nur mehr oder weniger zufällig oder nebenbei auftreten, sondern das zwangsläufige und sichere Ergebnis, gleichsam die „Kehrseite“ der erstrebten Beeinflussung der Öffentlichkeit sind.20 Allgemeine Empfehlungen und Aufklärungsarbeit, zum Beispiel über die Rechtsprechung zu den Pflichten, die Geldinstitute bei Beratung und Aufklärung erfüllen müssen,21 erfolgen ohne Bezug zu einem konkreten Grundrechtsträger und sind deshalb keine mittelbar-faktischen Grundrechtseingriffe. Ähnliches wird z.B. für die allgemein gehaltene Aufklärung über die Risiken bestimmter Geldanlagen gelten. Art. 12 GG schützt nicht vor der Verbreitung solcher allgemein gehaltenen sachlichen Informationen am Markt, selbst wenn sich die Informationen auf einzelne Wettbewerbspositionen nachteilig auswirken können. Anders liegt der Fall bei kritischen Äußerungen zu bestimmten Grundrechtsträgern unter Nennung von Art und Herkunft von Produkt oder Dienstleistung, die gezielt dazu dienen sollen, den Absatz bestimmter Produkte oder Dienstleistungen zu beeinträchtigen. Solche Informationen greifen mittelbar-faktisch in Grundrechte ein. Der Staat darf Private bei der Verbreitung solcher Informationen nur fördern, wenn die Anforderungen an staatliche Informationstätigkeit erfüllt sind. Werden durch die geförderte Organisation pauschal abwertende, herabsetzend formulierte Stellungnahmen über konkrete Unternehmen verbreitet, die nach ihrem Inhalt darauf gerichtet und auch dazu geeignet sind, die von dem Unternehmen angebotenen Produkte bzw. Leistungen nicht nachzufragen, ist die Grenze der zulässigen staatlichen Öffentlichkeitsarbeit überschritten.22 Solche Stellungnahmen können nur durch die Meinungsfreiheit aus Art. 5 Abs. 1 GG gerechtfertigt werden, der Staat darf sie nicht finanziell fördern.23

Die Finanzierung der Stiftung Warentest mit öffentlichen Mitteln ist mit den verfassungsrechtlichen Anforderungen vereinbar. Die Stiftung Warentest wurde im Jahr 1964 errichtet. Sie bestreitet ihren Haushalt zum Großteil aus Eigenmitteln, erhält aber nach wie vor regelmäßige Zuschüsse durch das ZHR 174 (2010) S. 517 (523)BMELV.24 Unmittelbarer Zweck der Stiftung ist es u.a., die Öffentlichkeit über objektivierbare Merkmale des Nutz- und Gebrauchswertes sowie der Umweltverträglichkeit von Waren und privaten sowie öffentlichen Leistungen zu unterrichten. Der Stiftung obliegt nicht die politische Vertretung von Verbraucherinteressen.25 Der BGH geht seit seiner Grundsatzentscheidung aus dem Jahr 197526 davon aus, die Stiftung Warentest sei bei ihrer Verbraucherinformation durch das Grundrecht auf freie Meinungsäußerung geschützt. Andererseits unterwirft er die Stiftung einem strengeren Sorgfaltsmaßstab als andere Einrichtungen, weil sie „in der Öffentlichkeit das Vertrauen als staatliche Einrichtung in Anspruch“ nehme.27 Das Kuratorium der Stiftung ist paritätisch mit Vertretern der Verbraucher, der anbietenden Wirtschaft und neutralen Mitgliedern, unter anderem von Bundesinstituten und Hochschulen besetzt. Dies gewährleistet strukturell, dass die Tätigkeit der Stiftung Warentest objektiv und neutral erfolgt. Sie erfüllt damit selbst dann die Anforderungen an staatliche Informationstätigkeit, wenn konkrete Produkte bewertet werden. Offen bleibt die Frage, ob der Bund für die Gründung der Stiftung Warentest zuständig war, nachdem man sich im Bundestag bei der Gründung darüber einig war, „dass die Durchführung und Veröffentlichung vergleichender Warentests nicht Aufgabe des Staates ist“.28 Wenn es an einer staatlichen Aufgabe fehlt, fehlt es auch an der Zuständigkeit für die Finanzierung.29 Insoweit ist allerdings seit Gründung der Stiftung Warentest vor mehr als 45 Jahren ein Sinneswandel eingetreten. Der Verbraucherschutz durch Informationen wird heute allgemein auch als Staatsaufgabe angesehen.30 Problematisch ist weiter, ob der Bund für die Erfüllung dieser Aufgabe durch die Gewährung jährlicher Zuschüsse an die Stiftung Warentest zuständig ist. Ob die institutionelle Förderung noch mit der Aufgabe der „Staatsleitung“ gerechtfertigt werden kann, ist bisher nicht geklärt. Allein die Tatsache, dass eine Aufgabe länderübergreifende Bedeutung hat, begründet noch keine „natürliche Bundeszuständigkeit“.31 Es ist ein für den Bundesstaat entscheidender Unterschied, ob sich die Länder einigen, eine Aufgabe von überregionaler Bedeutung ge¬ZHR 174 (2010) S. 517 (524)meinsam zu erfüllen oder ob der Bund eine Angelegenheit gegebenenfalls auch gegen den Willen der Länder oder einzelner Länder wahrnehmen kann.

4. Die Förderung privater Informationstätigkeit aus öffentlichen Mitteln unterliegt nach alledem rechtlichen Grenzen. In der Praxis ist nicht immer gewährleistet, dass diese Grenzen gewahrt werden. Während die Stiftung Warentest sowohl durch ihre Organisation als auch durch die Bindungen der Rechtsprechung des BGH die Gewähr dafür bietet, dass ihre Äußerungen im Wesentlichen auch als „amtliche“ Äußerungen zulässig wären, ist dies bei der Förderung der Verbraucherzentralen nicht gewährleistet. Bund und Länder haben wohl auch wenig Möglichkeiten, die Verbraucherzentralen zur Neutralität zu verpflichten, dies wäre mit deren Satzungszweck nicht vereinbar. Handfeste verfassungsrechtliche Probleme treten auf, wenn die geförderten Privaten bei ihren Veröffentlichungen die ihnen zustehende Meinungsfreiheit voll ausschöpfen und das für die öffentliche Hand geltende Sachlichkeitsgebot verletzen. Dann ist auch die Förderung aus öffentlichen Mitteln rechtswidrig. Vor diesem Hintergrund gehen die Tendenz in den Ländern, die Zuwendungen an Verbraucherorganisationen zurückzufahren,32 und das Bestreben der Verbraucherzentralen, andere Finanzierungsquellen zu erschließen, um von öffentlichen Zuschüssen unabhängiger zu werden,33 in die richtige Richtung.

Klaus-Peter Dolde

1

BVerfGE 105, 252ff.; dazu Murswiek, NVwZ 2003, 1; Porsch, ZLR 2003, 175.

2

LG Stuttgart NJW 1989, 2257; OLG Stuttgart NJW 1990, 2690 – Birkel; dazu Ossenbühl, ZHR 155 (1991) 329; vgl. auch Dolde, Behördliche Warnungen vor nicht verkehrsfähigen Lebensmitteln, 1987.

3

Zu solchen allgemein gehaltenen Äußerungen ausführlich von Danwitz, Verfassungsfragen staatlicher Produktempfehlungen, 2003; vgl. auch Ossenbühl, Umweltpflege durch hoheitliche Produktkennzeichnung, 1995, zu staatlichen „Auszeichnungen“ für umweltfreundliche Produkte.

4

BVerfGE 105, 252; BVerwGE 87, 37 – Glykolweinliste; BVerfGE 105, 279 – Osho; BVerwGE 71, 183 – Arzneimitteltransparenzliste; BVerwGE 82, 76 – Transzendentale Meditation, bestätigt von BVerfG NJW 1989, 3269; BVerwG NJW 1996, 3161 – Veröffentlichung von Warentests durch eine Landwirtschaftskammer.

5

Aus der kaum mehr überschaubaren Literatur ohne jeden Anspruch auf Vollständigkeit: Gusy, NJW 2000, 977; Huber, JZ 2003, 290; Ossenbühl, ZHR 155 (1991) 329; monographisch Philipp, Staatliche Verbraucherinformationen im Umwelt- und Gesundheitsrecht, 1989.

6

Der Kernhaushalt der Verbraucherzentrale Bundesverband e.V. im Haushaltsjahr 2009 umfasste 9,3 Mio. €. Die institutionelle Förderung durch das BMELV betrug 8,7 Mio. €. Darüber hinaus wurde der Projekthaushalt mit einem Finanzvolumen von 15,8 Mio. € durch Zuwendungen des BMELV in Höhe von insgesamt 1,13 Mio. € gefördert; vgl. Jahresbericht Verbraucherzentrale Bundesverband, 2009/2010, zum download auf der Homepage: http://www.vzbv.de.

7

Die Länder geben durchschnittlich 0,49 € pro Einwohner an Zuschüssen für die Verbraucherzentralen aus.

8

So bezeichnet Der Tagesspiegel vom 18. 9. 2009 das geplante Internetportal.

9

Vgl. § 2 Abs. 1 a der Satzung der Verbraucherzentrale Bundesverband e.V.

10

Im Heft „Finanztest“ (August 2010) wurden Beratungsleistungen von Banken getestet, sechs Institute erhielten die Note „mangelhaft“, kommentiert mit der Headline: „Wie Anlageberater das Gesetz missachten“.

11

BVerwGE 90, 112; dazu Badura, JZ 1993, 37.

12

BVerfGE 105, 252ff.; dazu Murswiek, NVwZ 2003, 1; Porsch, ZLR 2003, 175.

13

BVerfGE 105, 252, 273.

14

BVerfGE 105, 252, 271.

15

BVerwG NJW 2006, 1303.

16

BVerfGE 105, 252, 272.

17

Vgl. z. B. BVerfG NJW-RR 2004, 1710 – gerlach-report.

18

Philipp (Fn. 5), S. 144f.

19

BVerwGE 90, 112, 114.

20

BVerwGE 190, 112, 120f.; zur Problematik des mittelbar-faktischen Eingriffs BVerfGE 105, 279, 304f.; Ossenbühl, ZHR 155 (1991) 321, , 334.

21

Vgl. z. B. die Informationen auf der Homepage der Verbraucherzentrale Baden-Württemberg: http://www.vz-bawue.de, Rubrik: Finanzen.

22

Vgl. dazu in Abgrenzung zur privaten Meinungsäußerung BVerfG NJW-RR 2004, 1710, 1712f.

23

Ein Beispiel für als staatliche Information nicht mehr zu rechtfertigende Öffentlichkeitsarbeit ist die „Mogelpackungsliste“ der Verbraucherzentrale Hamburg, http://www.vzhh.de.

24

Derzeit jährlich 6 Mio. € als Ausgleich für den Verzicht auf Werbeeinnahmen; vgl. zur Arbeit der Stiftung Warentest ausführlich Philipp (Fn. 5), S. 28 ff.

25

§ 2 Abs. 1 und 2 der Satzung, abrufbar bei: http://www.test.de, Rubrik: Über uns/Geschichte/Struktur und Satzung.

26

BGHZ 65, 325, ständige Rechtsprechung, vgl. BGH NJW 1997, 2593, 2594.

27

BGH NJW 1987, 2222, 2224.

28

BT-Drs. IV/2728, S. 2; dazu Philipp (Fn. 5), S. 28 f.

29

Vgl. BVerwGE 110, 9, 12; Jarass/Pieroth, GG, 10. Aufl. 2009, Art. 104a GG Rdn. 3; in der Literatur wird diese Frage nicht problematisiert, vgl. Philipp (Fn. 5), S. 30ff.

30

BVerfGE 105, 252, 269 und 273f.; Borchert, ZRP 2008, 118.

31

So schon das Bundesverfassungsgericht im ersten Rundfunk-Urteil, BVerfGE 12, 205, 251.

32

Kritisch Borchert, ZRP 2008, 118.

33

Vgl. http://www.vzbv.de, Rubrik: Wir über uns/Stiftung; der Bund der Versicherten arbeitet ohne öffentliche Zuschüsse, vgl. http://www.bundderversicherten.de, Rubrik: Wir über uns.

 
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