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ZHR 184 (2020), 691-696
Mayen 

Öffentliches Recht als Bestandteil des Zivilrechts? Der Entwurf eines Gesetzes zur Vereinheitlichung des Stiftungsrechts des BMJV

Das geltende Stiftungsrecht ist durch ein “Nebeneinander von Bundes- und Landesrecht”1 geprägt, das in der Praxis als unbefriedigend empfunden wird, da es zu Rechtsunsicherheit führt. Dem will das BMJV jetzt abhelfen. Der am 16. 9. 2020 vorgestellte (Referenten-)Entwurf eines Gesetzes zur Vereinheitlichung des Stiftungsrechts soll “das Stiftungszivilrecht künftig abschließend im Bürgerlichen Gesetzbuch” regeln.2

Allerdings enthält der Referentenentwurf eine Reihe von Vorschriften, die man dem öffentlichen Recht zuordnen würde. Sie regeln die Aufgaben und Verwaltungsverfahren der nach Landesrecht zuständigen Behörden.3 Zudem sieht der Referenten-Entwurf ein neues bundesweites Stiftungsregister mit Publizitätswirkung vor, das beim Bundesamt für Justiz als Registerbehörde geführt werden soll; das als Art. 4 des Referentenentwurfs konzipierte Stiftungsregistergesetz (StiftRG) regelt Aufgaben, Verwaltungsverfahren und Verwaltungsorganisation der neuen Registerbehörde. Wie kann nun aber eine Regelung, die dem öffentlichen Recht zugeordnet ist, Teil eines Gesetzes sein, das das Stiftungszivilrecht vereinheitlichen soll?

I. Die Frage führt mitten in die Abgrenzung der Gesetzgebungskompetenzen von Bund und Ländern und damit zu dem wahren Grund für das bisherige Nebeneinander von öffentlichem Stiftungsrecht der Länder und privatem Stiftungsrecht des Bundes. Denn die Bestimmungen über das Verwaltungsverfahren und die Einrichtung der Verwaltungsbehörden einschließlich der Zuweisung der Verwaltungsaufgaben unterliegen der Gesetzgebungskompetenz der Länder, wenn diese – wie hier – Bundesgesetze in Landeseigenverwaltung aus-ZHR 184 (2020) S. 691 (692)führen: Art. 84 Abs. 1 S. 1 GG.4 Demgegenüber unterfällt das Stiftungszivilrecht der konkurrierenden Gesetzgebung des Bundes für das bürgerliche Recht nach Art. 74 Abs. 1 Nr. 1 GG. Allerdings sind privates und öffentliches Recht heute Gegensätze, die sich wechselseitig ausschließen. Man müsste also die Vorschriften des öffentlichen Stiftungsrechts umdefinieren können in solche des Stiftungszivilrechts, um sie nach überstandener Metamorphose im Bürgerlichen Gesetzbuch zusammenzuführen. Von der konkurrierenden Gesetzgebung kann der Bund auch nachträglich Gebrauch machen. Er könnte also auch – wie im Referentenentwurf vorgesehen – Regelungen über die Stiftungsaufsicht nachträglich auf die Bundesebene hieven, die bisher in den Stiftungsgesetzen der Länder geregelt waren.

Die Autoren des Referentenentwurfs unternehmen genau diese gedankliche Operation: Das Stiftungsrecht sei – so steht es in der Entwurfsbegründung – “mit seinen nach heutigem Verständnis öffentlich-rechtlichen Bestandteilen ein traditioneller Teil des bürgerlichen Rechts” i.S.v. Art. 74 Abs. 1 Nr. 1 BGB;5 in dieser Tradition stünden auch die neu geschaffenen verwaltungsbehördlichen Zuständigkeiten. Tatsächlich kann sich der Referentenentwurf hierfür im Ausgangspunkt auf die Rechtsprechung des BVerfG stützen. Nach seinem sog. historischen Ansatz ist als “bürgerliches Recht” die Zusammenfassung aller Normen zu verstehen, die herkömmlicherweise dem Zivilrecht zugerechnet werden. Danach können auch Regelungen, die heute als öffentlich-rechtlich zu qualifizieren sind, dem Art. 74 Abs. 1 Nr. 1 GG unterfallen. Entscheidend ist nicht ihre heutige Einordnung, sondern ob sich eine Einordnung als zivilrechtlich durch traditionelle Vorbilder in der Verfassungsgeschichte legitimieren lässt.6

Im Stiftungsrecht ist dieser Ansatz hingegen unergiebig, weil schon zu Zeiten der Weimarer Reichsverfassung die Bundesebene die Regelung der Stiftungsaufsicht gerade den Ländern überlassen hatte.7 Das überwiegende stiftungsrechtliche Schrifttum stellt daher nicht auf die Gesetzgebungskompetenz kraft Herkommens ab, wenn es darum geht, die Zuständigkeit des Bundesgesetzgebers für die §§ 80, 87 BGB zu begründen. Die historische Auslegung beziehe sich lediglich auf die generelle Abgrenzung des bürgerlichen Rechts vom öffentlichen Recht und nicht auf die Zuordnung einzelner Sachmaterien; für eine Zuständigkeit kraft Herkommens genüge es, dass eine “Traditionsanknüpfung für den Rechtsbereich des Stiftungsaufsichtsrechts insgesamt” bejaht werden müsse. Die eigentliche Kompetenzgrundlage für die §§ 80, 87 BGB soll hingegen auf einer “veränderten inhaltlichen Anschauung der Lehren des materiellen Rechts” beruhen; da die Stiftungserrichtung Ausübung grundrechtlicher Freiheit sei, gehörten “heute alle Voraussetzungen fürZHR 184 (2020) S. 691 (693) die Entstehung der Stiftung” – also auch die behördliche Genehmigung ihrer Errichtung – zum Regelungsbereich des bürgerlichen Rechts.8

Das allerdings verschärft das Problem nur noch. Denn diese Argumente haben einen Haken: Sie halten der verfassungsrechtlichen Prüfung nicht stand.

So steht es im offenen Widerspruch zur Rechtsprechung des BVerfG, wenn Reuter und Weitemeyer die Gesetzgebungskompetenz für das bürgerliche Recht anhand der veränderten Anschauungen der Lehren des materiellen Rechts bestimmen wollen. Vielmehr gebietet Art. 74 Abs. 1 Nr. 1 GG gerade eine “Rückschau in die Verfassungsgeschichte”. Veränderungen der Lehren des materiellen Rechts, auf die der Kompetenzbegriff “bürgerliches Recht” ursprünglich ausgerichtet war, sollen ausdrücklich nicht berücksichtigt werden, da “deren jeweils getreue Übernahme in die Kompetenzordnung zu Verwerfungen in der bundesstaatlichen Ordnung führen müsste”. Denn die Zuständigkeitsgrenzen zwischen Bund und Ländern bilden “den formalen Rahmen der Gesetzgebung im Bundesstaat” und bedürfen deshalb “als solche in hohem Maße der Festigkeit und Berechenbarkeit”. Maßgeblich ist deshalb, ob sich “unter dem übergeordneten Gesichtspunkt der Kontinuität der Kompetenzordnung eine Bestandsgarantie herausgebildet hat.”9 Und selbstverständlich geht es hierbei auch um die Zuordnung einzelner Sachmaterien zur Gesetzgebungskompetenz des Bundes nach Art. 74 Abs. 1 Nr. 1 GG – in den Worten des BVerfG, ob sich für das jeweils in Rede stehende Gesetz “eine Gesetzgebungsbefugnis des Bundes [. . .] durch traditionelle Vorbilder legitimieren lässt”.10

Aus verwaltungsrechtlicher ebenso wie aus verfassungsrechtlicher Sicht unhaltbar ist schließlich die These, aus der Ausübung grundrechtlicher Freiheit folge, dass alle Voraussetzungen für die Entstehung der Stiftung – also auch die behördliche Genehmigung ihrer Errichtung – zum Regelungsbereich des bürgerlichen Rechts gehörten. Mit derselben Berechtigung müsste man dann auch die Baugenehmigung, alle umweltrechtlichen Genehmigungen als Teil des Bürgerlichen Rechts anerkennen. Denn in allen Fällen ist die genehmigungspflichtige Tätigkeit Ausübung grundrechtlicher Freiheit. Dennoch wird weder die Baugenehmigung noch die BImSchG-Genehmigung auf den Kompetenztitel des Art. 74 Abs. 1 Nr. 1 GG gestützt. Der Grund ist einfach. Nach heutigem Verständnis ist das bürgerliche Recht in seinen Wirkungen auf den Mitbürger ausgerichtet, während dass öffentliche Recht die Beziehungen des Einzelnen zu den Trägern hoheitlicher Aufgaben zum Gegenstand hat.11 Ein Sachverhalt ist seiner Natur nach öffentlich-rechtlich, wenn sich die Beteiligten des Rechtsverhältnisses zueinander in einem hoheitlichen Verhältnis der Über- und Unterordnung gegenüberstehen und sich der Träger der hoheitli-ZHR 184 (2020) S. 691 (694)chen Gewalt der besonderen Rechtssätze des öffentlichen Rechts bedient.12 Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn der Träger der öffentlichen Gewalt befähigt ist, einseitig in die Rechte des Einzelnen einzugreifen.13 Alle diese Voraussetzungen sind im Falle der Maßnahmen der Stiftungsaufsicht erfüllt. Soweit die Behörde belastende Maßnahmen gegenüber der Stiftung anordnet, handelt es sich um den klassischen Fall des einseitigen Eingriffs durch Hoheitsakt. Erkennt sie die Errichtung der Stiftung an oder genehmigt Satzungsänderungen, greift sie zwar nicht in Rechte ein; sie tritt der Stiftung aber als Hoheitsträger gegenüber, der hierzu durch die gesetzliche Ermächtigungsgrundlage, einem Sonderrecht des Staates, befugt ist.

Für Verwaltungsverfahren wird vielfach angenommen, der Bund könne bereichsspezifische Verfahrensregeln als Annex zu eigenen Sachkompetenzen erlassen.14 Dieser Ansatz wird auch für die Stiftungsaufsicht herangezogen.15 Allerdings spricht vieles dafür, dass Art. 84 Abs. 1 GG für das Verwaltungsverfahren und die Einrichtung der Behörden konstitutive Ermächtigung ist, die der ungeschriebenen, nur zur Füllung sporadischer Lücken gedachten ungeschriebenen Annexkompetenz vorgeht.16 Sie steht allerdings unter dem Vorbehalt abweichender Gesetzgebung der Länder: Art. 84 Abs. 1 S. 2 GG. Andererseits setzt die Annexkompetenz voraus, dass die betreffende gesetzliche Regelung unerlässlich ist für die Regelung einer der Gesetzgebung des Bundes zugewiesenen Materie.17 Das BVerfG lässt es hierfür ausreichen, wenn eine Aufteilung in Regelungen für den Bund einerseits und die Länder andererseits zu erheblichen Effektivitätsverlusten führte.18 Das mag vielleicht noch der Fall sein, wenn die Anerkennung der Stiftungserrichtung nicht einheitlich durch Bundesgesetz geregelt wäre, nicht aber für die übrigen Maßnahmen der Stiftungsaufsicht. Auch wenn sie über die letzten Jahrzehnte der Gesetzgebungszuständigkeit der Länder zugewiesen waren, kann der Referentenentwurf offensichtlich keine erheblichen Effektivitätsverluste feststellen. Allein die im Referentenentwurf beschriebene Verunsicherung der Normadressaten genügt jedenfalls noch nicht für die Begründung einer ungeschriebenen Annex-Kompetenz.

II. Die Vorschläge des Referentenentwurfs für ein bundeseinheitliches, beim Bundesamt für Justiz geführtes Stiftungsregister berühren nicht nur Gesetzgebungs-, sondern auch Verwaltungskompetenzen der Länder. Die Ausführung der Bundesgesetze ist den Ländern gemäß Art. 83 GG als eigene An-ZHR 184 (2020) S. 691 (695)gelegenheit übertragen, soweit das Grundgesetz nichts anderes bestimmt oder zulässt. Das ist hier nicht der Fall.

Kämmerer und Rawert19 haben überzeugend dargelegt, dass die Verwaltungskompetenz des Bundes nicht auf das fakultative Zugriffsrecht des Bundes nach Art. 87 Abs. 3 S. 1 GG20 gestützt werden kann. Danach können einer selbstständigen Bundesoberbehörde nur solche Sachaufgaben übertragen werden, die sich zur zentralen Erledigung eignen, d.h. die der Sache nach für das ganze Bundesgebiet von einer Oberbehörde ohne Mittel- und Unterbau und ohne Inanspruchnahme von Verwaltungsbehörden der Länder – außer für reine Amtshilfe – wahrgenommen werden können.21 Der Referentenentwurf sieht nun aber gerade eine Inanspruchnahme von Verwaltungsbehörden der Länder vor: Nach § 10 Abs. 1 StiftRG-E müssen die für die Anerkennung der Stiftungserrichtung zuständigen Behörden der Registerbehörde bestimmte Mitteilungen machen.22

III. Vor diesem Hintergrund erweist sich nicht das Nebeneinander von Bundes- und Landesstiftungsrecht als Ursache von Streitfragen und Rechtsunsicherheit, sondern die Abgrenzung der Gesetzgebungskompetenzen von Bund und Ländern. Der Referentenentwurf erweist sich hier als veritabler Stich ins Wespennest! Kommt es zu einer verfassungsrechtlichen Überprüfung, drohen Kollateralschäden, die über das ehrgeizige Projekt eines bundeseinheitlichen Stiftungsrechts hinausgehen und alles auf den Prüfstand stellen. Der Reformgesetzgeber des Jahres 2002 hatte deshalb von einer abschließenden bundesrechtlichen Kodifikation des Stiftungsrechts und namentlich auch der Einführung eines bundesweiten Stiftungsregisters mit Publizitätswirkung23 Abstand genommen. Die Begründung des jetzt vorgelegten Referentenentwurfs lässt nicht erkennen, dass sich die Dinge seither entscheidend geändert hätten. Insoweit wirkt die Einschätzung von Weitemeyer, das Verhältnis von Bundes- und Landesstiftungsrecht sei “auch heute noch nicht vollständig geklärt”,24 wegen der darin enthaltenen Implikation einer doch überwiegenden Klärung zu optimistisch. Die im – vorwiegend zivilrechtlichen – Schrifttum vorgebrachten Argumente jedenfalls überzeugen verfassungsrechtlich nicht. Namentlich verwundert die Leichtigkeit, mit der man sich über die Rechtsprechung des BVerfG zu Art. 74 Abs. 1 Nr. 1 GG hinwegsetzt. Das ist schon beim Staatshaftungsgesetz nicht gutgegangen! Eines zeigt die Diskussion deutlich: Jenseits von Rückschauen in die VerfassungsgeschichteZHR 184 (2020) S. 691 (696) ist das öffentliche Recht nicht Teil des Zivilrechts, sondern eigenständige Materie, der auch im vom Grundsatz der Privatautonomie beherrschten Wirtschaftsrecht ein originärer Platz zukommt, der von darauf spezialisierten Vertretern des öffentlichen Rechts ausgefüllt werden muss.

Thomas Mayen

1

Staudinger/Hüttemann/Rawert, BGB, Neubearbeitung 2017, Vorbemerkungen zu §§ 80–88, Rdn. 22.

2

Referentenentwurf des Bundesministeriums der Justiz und für Verbraucherschutz eines Gesetzes zur Vereinheitlichung des Stiftungsrechts, Bearbeitungsstand 16. 9. 2020 (im Folgenden: Referentenentwurf 2020), S. 1.

3

So die derzeit in §§ 80, 87 BGB vorgesehene Anerkennung der Errichtung bzw. Aufhebung einer Stiftung (im Entwurf jetzt §§ 80, 87a BGB-E), ferner die – bisher landesgesetzlich geregelte – Genehmigung von Satzungsänderungen (§ 85a BGB-E) und von Zulegung und Zusammenlegung mehrerer Stiftungen (§ 86b BGB-E) oder die Befugnis zu Notmaßnahmen bei fehlenden Organmitgliedern (§ 84a BGB-E).

4

Stelkens/Bonk/Sachs/Schmitz, VwVfG, 9. Aufl. 2018, § 1 Rdn. 32.

5

Referentenentwurf 2020, S. 33 f.

6

BVerfGE 11, 199; ebenso für § 839 Abs. 1 BGB BVerfGE 61, 149, 176.

7

Nachweise bei Staudinger/Hüttemann/Rawert (Fn. 1), Rdn. 70 ff.

8

MünchKommBGB/Weitemeyer, 8. Aufl. 2018, § 80 Rdn. 39.

9

BVerfGE 61, 149, 175.

10

So für das Staatshaftungsgesetz BVerfGE 61, 149, 175.

11

BVerfGE 42, 20, 31.

12

GmS v. 10. 4. 1986 – GmS-OGB 1/85, BVerwGE 74, 368, 370; v. 10. 7. 1989 – GmS-OGB 1/88, BGHZ 108, 284.

13

BVerwGE 29, 159, 161 f.

14

Kopp/Ramsauer, VwVfG, 21. Aufl. 2020, Einführung I Rdn. 15; Stelkens/Bonk/Sachs/Schmitz (Fn. 4), § 1 Rdn. 32.

15

Kämmerer/Rawert, npoR 2020, 272, 276.

16

Maunz/Dürig/F. Kirchhof, GG, 61. Lfg. Stand Januar 2011, Art. 84 Rdn. 13.

17

BVerfGE 110, 33, 48; 106, 62, 115; 98, 265, 299.

18

BVerfGE 110, 33, 48; 98, 265, 299.

19

Kämmerer/Rawert, npoR 2020, 273, 277.

20

Hierzu BVerfGE 110, 33, 49.

21

BVerfGE 110, 33, Rdn. 87.

22

Demgegenüber verlangt die Aussetzung des Verfahrens vor der Registerbehörde wegen eines dort anhängigen vorgreiflichen Verfahrens (§ 13 StiftRG-E) keine Mitwirkung der für die Stiftung nach Landesrecht zuständigen Behörde (a.A. Kämmerer/Rawert, npoR 2020, 273, 278).

23

Dazu Hüttemann, ZHR 167 (2003) 35, , 44.

24

MünchKommBGB/Weitemeyer (Fn. 8), § 80 Rdn. 39 (bei Fn. 182).

 
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