Editorial
Die politischen Entwicklungen der vergangenen Wochen und Monate haben extreme Auswirkungen auf die Energiemärkte. Die Börsenpreise für Erdgas und Strom haben immer neue Höhen erklommen. Auch wenn zumindest beim Erdgas zuletzt wieder ein Abwärtstrend eingesetzt hat, hat die Sabotage der Gaspipelines die Preise erneut in die Höhe getrieben. Betroffen sind nicht nur große Teile der Wirtschaft, sondern alle Verbraucherinnen und Verbraucher – und damit die Gesellschaft insgesamt.
Auf europäischer, wie auf nationaler Ebene wird fieberhaft nach Möglichkeiten gesucht, einen Ausweg zu finden und Wege in die Zukunft aufzuzeigen. Dies betrifft sowohl die Diversifizierung der Energiebeschaffung (LNG-Terminals, Biogas, Wasserstoff, Ausbau der erneuerbaren Energien) als auch milliardenschwere Maßnahmen zur Deckelung der Energiepreise und zur finanziellen Unterstützung von Betroffenen.
Mit Beginn der kalten Jahreszeit wird sich zeigen, welche Auswirkungen die innerhalb kürzester Zeit – gefühlt wöchentlich – beschlossenen Gesetzesänderungen und Maßnahmen haben und wie gut gerüstet wir für die kommenden Monate sind.
Durch die aktuellen Entwicklungen rund um den Krieg in der Ukraine gerät der Transformationsprozess zur Energiewende in einen neuen Fokus. Ekardt zeigt in diesem Heft in seinem Beitrag 10 Thesen für Politik und Forschung anlässlich der strauchelnden Energiewende auf. Dabei wirbt er dafür, die Energiewende weder für sich allein noch reduziert auf einzelne ihrer Aspekte zu betrachten, sondern diese im Kontext mit dem anderen großen Transformationsprozess unseres Jahrhunderts – der Digitalisierung – zu sehen und auch die Tendenzen zur zunehmend bedrohten Demokratie nicht außer Acht zu lassen, damit die Transformation gelingt. Er zeigt die Chancen der Digitalisierung für die Energiewende auf, weist gleichzeitig auf die Gefahren durch Rebound-Effekte für letztere hin und macht deutlich, dass eine suffiziente Gestaltung der Digitalisierung unbedingt erforderlich ist. Für die Energiewende fordert er einen Ausbau der vorhandenen Cap-and-Trade-Systeme wie den EU-Emissionshandel mit einer festen Mengengrenze und plädiert für die Etablierung von Klimaclubs zur Einbindung möglichst vieler Staaten sowie für Ökozölle bei unwilligen Staaten. Zum neuen Freiheitsverständnis sollen im Anschluss an den Klimaschutzbeschluss des BVerfG vom 24. März 2021 (ZNER 3/2021, 262 ff.; vgl. auch BVerfG, Beschl. v. 24. 03. 2021, ZNER 2/2022, 154 ff., hierzu Ekardt/Heß, ZUR 2021, 579 ff.) die Freiheitsvoraussetzungen wie Leben, Gesundheit und Sicherheit sowie ein rationaler demokratischer Diskurs und auch der Schutz vor nicht nur staatlicher Gewalt, sondern auch vor Mitmenschen gehören. Fazit ist, dass Teil der Transformationen Postfossilität, Suffizienz, eine schrittweise global werdende Mengensteuerung schädlicher Faktoren und eine neue Interpretation des Freiheitsbegriffs in liberal-demokratischen Verfassungen sein müssen.
Einer praktischen Fragestellung der Energiewende widmet sich der Beitrag von Rath in diesem Heft, der die Voraussetzungen eines Anschluss- und Benutzungszwangs für Bestandsbauten an Nah- bzw. Fernwärmenetze über das Energiewendegesetz Berlin näher beleuchtet. Dabei wird gezeigt, dass dies durch Erlass einer entsprechenden Rechtsverordnung aufgrund von § 26 Energiewendegesetz Berlin unter besonderer Beachtung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes für gemeindeeigene Anlagen möglich ist.
Die aktuelle Rechtsprechung betrifft u. a. die vom BGH erörterte generelle Zulässigkeit von Preisänderungsklauseln von Fernwärmelieferverträgen als Fortführung der umfassenden Rechtsprechung zu dieser Thematik.
Mit einer Anmerkung von Christian Below und Annette König versehen hat ein Urteil zur gerichtlichen Überprüfung einer beabsichtigten Konzessionsvergabe nach § 46 EnWG Eingang in dieses Heft gefunden.
Auch Urteile zur Entschädigung bei Einspeisemanagement im Windpark, zur Stromsteuerbefreiung für Kleinanlagen bei Inanspruchnahme der EEG-Vergütung, zur Entnahmestelle i. S. d. § 2 Nr. 6 StromNEV sowie zur Rechtmäßigkeit des Widerrufs eines im Ausschreibungsverfahren Windenergie an Land erteilten Zuschlags wurden in das Heft aufgenommen.
Mit dem oben erwähnten Klimabeschluss des BVerfG setzt sich auch das BVerwG auseinander. Es gelangt zu dem Ergebnis, dass der Klimabeschluss keine Anhaltspunkte dafür bietet, eine Bebauungsplanung betreffend eine Windenergieanlage unter ein besonderes Beschleunigungsgebot zu stellen. Auch weitere verwaltungsgerichtliche Urteile haben Eingang in dieses Heft gefunden.
Hartwig von Bredow