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ZNER 2010, 5
Becker 

Editorial

„BGH-Urteil erschüttert Wasserversorger“ titelt die ZfK in ihrer Januarausgabe. Und in der Tat: Der Beschluss des BGH vom 02.02.2010 (in diesem Heft) ebnet den Kartellbehörden – in der Regel – der Länder den Weg zur kartellrechtlichen Kontrolle von Wasserpreisen. Der Inhaber des Leitungsnetzes verfüge nach wie vor über ein natürliches Monopol. Daher habe der Gesetzgeber Beweiserleichterung für die Kartellbehörden geschaffen und zwar insbesondere auch für den „Marktmissbrauch“. Geht die Kartellbehörde nach dem Vergleichsmarktprinzip vor, komme es für zum Vergleich herangezogene Unternehmen nur auf eine „grobe Sichtung unter den als Vergleichsunternehmen in Betracht kommenden Versorgungsunternehmen“ an. Hier hatte die Behörde 18 Vergleichsunternehmen herangezogen und einen Mittelwert angesetzt. Das hat der BGH akzeptiert. Bei der sachlichen Rechtfertigung könne sich der Versorger nur auf solche Kostenfaktoren berufen, die auch jedes andere Unternehmen in der Situation des Betroffenen vorfinden würde und nicht beeinflussen könne. Individuelle, allein auf eine unternehmerische Entschließung oder auf die Struktur des Versorgungsunternehmens zurückgehende Umstände hätten außer Betracht zu bleiben.

Damit hat die hessische Kartellbehörde, die – wie man hört – über die Strukturdaten zahlreicher Wasserversorger verfügt, eine Basis für zahlreiche gleichartige Verfahren. Außen vor bleiben nur Unternehmen, die die Wasserversorgung über einen Gebührenhaushalt betreiben. Die anderen haben jetzt ein Problem. Dabei hätte es gar nicht so weit kommen müssen. Die hessische Kartellbehörde hatte nämlich zuvor versucht, mit den aufgegriffenen Versorgern zu einem Arrangement zu kommen. Das haben die Unternehmen abgelehnt – wahrscheinlich in Verkennung der Entschlossenheit des BGH-Kartellsenats, die rechtlichen Vorgaben entsprechend dem Willen des Gesetzgebers zur Anwendung zu bringen. Dies war klar spätestens seit dem Beschluss des BGH vom 28.06.2005 (Netzentgelte Mainz), mit dem der BGH eine Missbrauchsverfügung des Bundeskartellamts gebilligt und verschiedene Methoden zur Festlegung eines wettbewerbsanalogen Preises akzeptiert hatte. Betroffene Unternehmen sollten auf die Kartellbehörde zugehen und den Kompromiss suchen.

Ähnlich prekär steht es um – insbesondere – Gasversorger, deren Preisanpassungsklauseln der BGH auf breiter Front kassiert hat. Wie klar die Lage inzwischen ist, ergibt sich nicht nur aus dem einschlägigen Urteil vom 28.10.2009 (Bremen, in diesem Heft), sondern insbesondere aus dem Beschluss vom 27.10.2009 (in diesem Heft), in dem der BGH die Nichtannahme einer zugelassenen Revision mit der abschließenden Klärung der Rechtsfragen begründet: Insbesondere dürfen Preisanpassungsklauseln nicht nur ein Recht des Klauselverwenders vorsehen, Erhöhungen der eigenen Kosten an die Kunden weiterzugeben. Sie müssen auch die Verpflichtung vorsehen, bei gesunkenen eigenen Kosten Preise für die Kunden herabzusenken.

Die eigentliche Gefahr für die Versorger liegt darin, dass sie den betroffenen Kunden in breitem Umfang Schadenersatzansprüche ermöglichen. Diese haben es nur noch nicht gemerkt. Was passiert, wenn sie sich organisieren und ihre Ansprüche einklagen?

Im Urteil des Amtsgerichts Winsen/Luhe (in diesem Heft) findet sich eine präzise Auflistung der von einem Gasversorger geforderten und bei unwirksamer Anpassungsklausel nur geschuldeten Beträge. Dieses Urteil könnte die betroffenen in ähnlicher Lage, hinter denen in einigen Fällen die Verbraucherzentralen stehen, motivieren, ihrerseits Ansprüche gegen den Versorger einzuklagen. Voraussetzung ist allerdings, dass der Kunde der Preiserhöhung widersprochen hat.

Ähnlich weitreichende Folgen könnte die Entscheidungsserie haben, mit denen Gaskunden der entega im Ergebnis erfolgreich durchgesetzt haben, nur Gaspreise zahlen zu müssen, wie sie die Konzerntochter e-ben der entega von den Kunden forderte. Die Kunden schulden nur einen Preis, der um 12 % unter dem von der entega geforderten liegt. Das OLG Frankfurt hat mit seinem Urteil vom 15.12.2009 (in diesem Heft) überraschend schnell entschieden, nachdem der BGH den Klägern mit Urteil vom 23.06.2009 (ZNER 2009, 384) Recht gegeben hatte. In derselben Lage wie die erfolgreichen Kläger sind viele Tausend andere. Was wird jetzt passieren?

Alle Entscheidungen signalisieren Rückenwind für Kartellbehörden und Verbraucher. Beide Wege zur Durchsetzung ihrer Rechte hatten Erfolg. Energie- und Wasserversorger müssen ihre Rechtsbeziehungen zu Verbrauchern auf den Prüfstand stellen und auf Schwachstellen abklopfen. Für die aufgrund der Entscheidungen betroffenen Versorger stellt sich somit das Problem, wie sie sich jetzt verhalten wollen: Abwarten und einigeln oder auf die Verbraucher zugehen? Wichtige strategische Fragen.

In eigener Sache machen Verlag und Redaktion darauf aufmerksam, dass die Abonnenten statt der bisher vier nunmehr sechs Hefte zu erwarten haben. Diese Stoffmenge erzwingt einen solchen Schritt. Deswegen ließ sich leider auch die zum Jahreswechsel vorgenommene Preiserhöhung nicht vermeiden. Aber die Abonnenten können auch mit einer steigenden Qualität der Hefte rechnen. Die ZNER verfügt nämlich seit Januar 2010 über einen Wissenschaftlichen Beirat, in dem Wissenschaftler und forensische Praktiker Einfluss auf die Gestaltung der Hefte nehmen können. So soll eine Rückmeldung erreicht werden, die es Redaktion und Verlag erlaubt, die Hefte noch aktueller und spannender zu machen. Aber auch eine Rückmeldung von Ihnen würde uns freuen. Kritik und Anregungen sind hoch willkommen!

Peter Becker

 
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