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ZNER 2014, 229
 

Editorial

Das EEG 2.0 ist beschlossen; und das mit großer Mehrheit. Die Freunde der Energiewende und die EE-Industrien sind allerdings nicht zufrieden:

Wo stehen wir?

Das EEG 2.0 reagiert

  • auf die steigende EEG-Umlage: Sie betrug im Jahr 2009 noch 1,2 Cent je Kilowattstunde (kWh), im Jahr 2014 aber schon 6,24 Cent/kWh, eine Verfünffachung, und

  • auf zwei in der Begründung höchst problematische Beihilfeverfahren der EU, die vor allem die Befreiung der stromintensiven Industrien, die im internationalen Wettbewerb stehen, als europarechtlich verbotene Beihilfe einstufte.

Die Reaktionen sind aber sehr ungleichgewichtig ausgefallen:

Die privilegierten Industrien werden verwöhnt.

Die Erneuerbaren Energien (EE), die Investoren und die EE-Industrien werden diskriminiert.

Man hat den Eindruck, dass das Gesetz in erster Linie auf die Kräfte mit dem stärksten Lobbydruck, die stromintensive Industrie, in zweiter Linie auf die Angriffe in den Medien auf die Energiewende und erst in dritter Linie auf objektive Probleme reagiert. Und auf das wichtigste Problem – die Konstruktion der EEG-Umlage und damit die Vermarktung der EE – reagiert das Gesetz gar nicht.

Stattdessen schlägt das Gesetz beim Anwachsen der Einspeisevergütungen radikal zu: Ausbaukorridore für PV, Wind und Biomasse, Streichung des Grünstromprivilegs, Belastung des Eigenverbrauchs mit der EEG-Umlage, auch hier wieder ungleich: Die Industrie schneidet besser ab als die Gewerbetreibenden, die PV machen wollen. Wie dabei die Energiewende am Leben bleiben soll, ist unklar.

Bei dieser Gelegenheit: Es ist zynisch, wenn Medien und Institute, die die Energiewende bekämpfen, den Zugewinn an Arbeitsplätzen in den EE-Industrien schlechtreden. Die richtigen Zahlen finden sich in der amtlichen Begründung zum Gesetzentwurf (Referentenentwurf Stand 31. März 2014, S. 3 f.). Danach wies die Bruttobeschäftigung, die den EE zugeordnet werden kann, im Jahr 2012 rund 377.800 Personen auf. Wenn diese Industrien in Deutschland Probleme haben, dann auch deswegen, weil die schwarz/gelbe Regierung nach Kräften bemüht war, den EE-Ausbau regulatorisch zu diskriminieren und die Zuversicht der Investoren zu lähmen. Das wird ihnen auch noch in die Schuhe geschoben.

Aber wie ist die Lage, was muss man sehen?

Die EU hat das EEG mit zwei Beihilfeverfahren unter Druck gesetzt: dem gegen die Befreiung der stromintensiven Industrie von der EEG-Umlage und dem gegen das EEG insgesamt mit seinem System der festen Einspeisevergütungen. Auf beides hat Bundeswirtschaftsminister (und SPD-Vorsitzender) Gabriel reagiert. Er hat in Verhandlungen mit Kommissar Almunia erreicht, dass Deutschland an der Befreiung im Wesentlichen festhalten darf. Dieser Teil des Gesetzes muss bis August in Kraft treten. Dadurch entstand Zeitdruck, der noch dadurch verschärft wurde, dass die Gesetzesfassung zur besonderen Ausgleichsregelung mit gesondertem Kabinettsbeschluss nachgereicht worden war. Darauf konnten die Länder nicht mehr angemessen reagieren. Sie hätten daher besser darauf gedrungen, den Beschluss über die besondere Ausgleichsregelung vorzuziehen und das EEG 2.0 dann in Ruhe zu diskutieren. So sind faits accomplis geschaffen worden, die auf ihre Tragfähigkeit erst noch abgeklopft werden müssen. Stichwort: Übergang vom System der festen Einspeisevergütung zu einem Findungsverfahren über Ausschreibungen.

Bei der Umsetzung sind zwei sehr weitreichende Festlegungen getroffen worden:

Ein Vermittlungsverfahren sollte schon im Interesse des Zeitplans vermieden werden. Das setzte aber voraus, dass die Länder frühzeitig eingebunden wurden. Dabei mag getrickst worden sein, wenn etwa der Zubau für Windkraft onshore zunächst enger festgelegt wurde, was den „Nordlichtern“ die Möglichkeit eröffnete, mit der Berücksichtigung des Repowering einen Sieg einzufahren.

Die nächste Festlegung ist noch weitreichender. Die Energiewende soll nämlich die Legislaturperioden überdauern. Das setzt voraus, dass insbesondere die Grünen eingebunden wurden. Dem diente zunächst die Berufung des in früheren rot-grünen Koalitionen bereits eingesetzten Staatssekretärs Rainer Baake – Architekt des Atomausstiegs 2000/2001 – zum Staatssekretär in einer schwarz-roten Koalition. Außerdem wurde insbesondere das grün regierte Baden-Württemberg eingebunden.

Die EEG-Umlage reformieren

Seit dem 01.01.2010 wird die EEG-Umlage wie folgt berechnet: Untere Basis ist der Spotmarktpreis der Strombörse. Der obere Rand wird aus der Gesamtsumme der EEG-Vergütungen abgeleitet. Diese Konstruktion hatte fatale Konsequenzen:

Der Spotmarktpreis fällt und fällt

Er lag im ersten Quartal 2014 nur noch knapp über 3 Cent/kWh. Dazu tragen die EE bei, die die Übertragungsnetzbetreiber (ÜNB) wegen der gesetzlichen Regelung seit 01.01.2010 nur noch über den Spotmarkt der Börse verkaufen dürfen. Weiterer Grund: Die viel zu billigen CO2-Zertifikate. Rechtliche Basis: Fehlkonstruktionen des deutschen und des europäischen Gesetzgebers, beschämend!

Mit dem billigen Spotmarktpreis kann nur noch der Strom aus abgeschriebenen Kohlekraftwerken mithalten. Für diesen Strom gibt es sogar einen Verbrauchsvorrang, wenn sie ihn stundenweise den EEG-Anlagen abkaufen können. Der deutsche CO2-Ausstoß steigt, statt zu fallen. Ein Irrsinn: Die sauberen EE fördern die schmutzigste Stromerzeugung.

Weitere Konsequenz: Es ist zu viel Strom da, der in großem Umfang ins Ausland exportiert werden muss und dort Unmut erregt. In den ersten vier Monaten 2014 waren es 14 Milliarden kWh, noch dazu vorrangig EE-Strom, der so der deutschen CO2-Bilanz nicht hilft.

ZNER 2014 S. 229 (230)

Der obere Teil der EEG-Umlage muss ebenfalls angepackt werden:

Er enthält einen hohen Staatsanteil (Steuern u.ä.). Der Staat verdient bei jeder Umlagenerhöhung kräftig mit. Aber: □Strom ist so wichtig wie das tägliche Brot“ (Bundesverfassungsgericht). Brot wird aber nur mit sieben Prozent MWSt. belastet.

Die Befreiung der stromintensiven Industrie von der Umlage in Höhe von jetzt 5,3 Milliarden Euro p.a. muss von den Haushaltskunden, der nicht befreiten Industrie und dem Gewerbe ausgeglichen werden. Das könnte verfassungswidrig sein. Nach dem Kohlepfennig-Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 11. Oktober 1994 müssten öffentliche Aufgaben wie seinerzeit der Ausstieg aus der Steinkohleverstromung und jetzt die Förderung der Wettbewerbsfähigkeit der stromintensiven Industrie vom öffentlichen Haushalt getragen werden.

Die Marktintegration der EE muss reformiert werden!

Bis Ende 2009 wurden die EE über die Stromvertriebe vermarktet. Dieser Weg muss wieder geöffnet werden. Es ist nicht systemförderlich, wenn die Direktvermarkter den Strom lediglich an der Börse losschlagen. Die Vertriebe können ihn viel besser verwenden. Diese Aufgabe muss unbedingt im EEG 3.0 angepackt werden.

Experimentierklausel für alternative Direktvermarktung

Nach § 88 EEG 2014 mit seiner Verordnungsermächtigung zum Ausgleichsmechanismus können Übertragungsnetzbetreiber berechtigt werden, mit Anlagenbetreibern im Vertragswege alternative Vertriebsformen zu eröffnen. Die Ausgleichsmechanismusverordnung sieht allerdings einen Zwang der ÜNB zur Vermarktung des aufgenommenen EE-Stroms über den börslichen Spotmarkt vor. Diese Regelung hatte zu den oben beschriebenen negativen Folgen geführt. Zahlreiche Vertriebe kommen aber mit den fluktuierenden Einspeisungen aus EE gut zurecht. Warum sollen sie nicht EE-Strom von den ÜNB abnehmen können? Deswegen muss die Ausgleichsmechanismusverordnung um eine Experimentierklausel ergänzt werden, nach der Vertriebe, die das schon jetzt können und auch wollen, mit den Anlagenbetreibern die Abnahme von EE-Strom vereinbaren können. Damit kann ein wichtiger Teil des neuen Strommarktdesigns ab sofort erprobt werden! Allerdings: Der Bundesrat müsste eingebunden werden.

Keine Ablösung der festen Einspeisevergütungen durch Ausschreibung

Das Gesetz sieht die Ablösung des Systems fester Einspeisevergütungen durch Ausschreibungen vor (§ 2 Abs. 5). Damit geht das Gesetz weit über den Koalitionsvertrag hinaus. Ausschreibungen führen aber zu einer direkten Mengensteuerung. Diese vermittelt Unplanbarkeit und Verunsicherung. Energiegenossenschaften und mittelständische Unternehmen werden aus der Energiewende herausgedrängt. Dieser Systemwechsel ist abzulehnen.

Das EEG ist viel zu komplex:

Das Stromeinspeisungsgesetz hatte nur sechs Paragrafen, das EEG 2000 zwölf, das EEG 2012 schon 100, darin 30 Übergangsbestimmungen. Das neue Gesetz enthält 99 Paragrafen, vier Anlagen und zahlreiche Artikel zu Folgeänderungen sowie fast 20 Übergangsbestimmungen. Da steigt keiner mehr durch. Auch deswegen ist die Energiewende so angreifbar. Also: Die Komplexität reduzieren; etwa durch Einarbeitung der geltenden Regelungen in das Gesetz. Die Redaktion wird dieses Thema vorrangig anpacken.

Werben für die Energiewende

Die Energiewende hat einen Kulturkampf ausgelöst, wie an den Angriffen in den Medien erkennbar. Es sollte der Versuch gemacht werden, nicht nur die Bürger, sondern auch diese Medien von der Energiewende zu überzeugen.

Die Redaktion der ZNER

 
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