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ZNER 2018, 297
Becker 

Editorial

Das größte Problem der Energiewende ist ihre Komplexität. Es ist deswegen kein Wunder, dass sich in den Tages- und Wochenzeitungen immer wieder Artikel und Leserbriefe finden, in denen sich – ausgehend von einem der zahlreichen Probleme der Energiewende – Traktate finden, in denen vermeintlich schlüssig nachgewiesen wird, dass die Energiewende nicht funktionieren kann. Ein beliebtes Beispiel ist die Volatilität der Stromerzeugung durch Wind und Sonne. Aber die Leute kennen den Atomausstieg und zunehmend auch den Kohleausstieg. Also fragen sich die Bürger sorgenvoll, was passiert, wenn der Wind nicht weht und die Sonne nicht scheint. Viele rufen nach Speichern, die es aber (noch) nicht gibt. Ergebnis: Das System muss zusammenbrechen.

Oder das Phänomen, dass an Tagen mit hoher Produktion an Strom aus EE Anlagen abgeregelt werden müssen, und zwar nicht nur Kohlekraftwerke, sondern auch Wind- und Sonnenkraftwerke, die uns doch gerade so viel Geld kosten. Der Gesetzgeber des EEG hat aber – verständlicherweise – geregelt, dass Betreiber, deren Anlagen abgeregelt werden müssen, für den Einnahmeausfall entschädigt werden. So kommt es zu dem vermeintlichen Irrsinn, dass stillstehende Anlagen auch noch Anspruch auf Entschädigung haben. In welchem Umfang dies geschieht, was es kostet und vor allem wer das Geld aufbringen muss, ist weitgehend unbekannt.

Oder die Probleme der EEG-Umlage, die natürlich in erster Linie die Aufgabe hat, die Investoren für die ihnen zustehenden Einspeisevergütungen abzusichern. Sie hat zugleich zwei Nebeneffekte, über die kräftig gestritten wird:

  • Der erste ist die Entscheidung des Gesetzgebers, dass die Übertragungsnetzbetreiber den von ihnen aufgenommenen Strom an der EPEX Spot in Paris vermarkten müssen; mit dem Effekt, dass der Spotmarktpreis ständig sinkt und mit diesem niedrigen Preis nur noch abgeschriebene Braunkohlekraftwerke mithalten können, die boomen. Ergebnis: Eines der Hauptziele des EEG, nämlich den CO2-Ausstoß zu minimieren, wird zunehmend verfehlt.

  • Oder die Entscheidung des Gesetzgebers, stromintensive Industrien bei der EEG-Umlage zu entlasten und diese Subvention von der nicht privilegierten Industrie, dem Gewerbe und den Haushaltskunden bezahlen zu lassen. Auf den ersten Blick einleuchtend. Aber die Begründung für die Entlastung der stromintensiven Industrien, nämlich der Erhalt ihrer Wettbewerbschancen im Ausland, wirft zugleich verfassungsrechtliche Fragen auf: Warum müssen ausgerechnet die nicht entlasteten Kunden, vor allem die Haushalte, für die Erhaltung der stromintensiven Industrien im Ausland sorgen? Der Verfasser sieht darin einen Verstoß gegen den Gleichheitssatz; mit dem Ergebnis, dass eine zentrale Regelung des EEG mit hohen monetären Konsequenzen seit über einem Jahrzehnt in der Verfassungswidrigkeit operiert.

Das Problem ist, dass Journalisten und Leserbriefschreiber ohne großen Aufwand kaum Chancen haben, die Zusammenhänge in ihrer Komplexität einfach dargestellt zu erhalten. Deswegen unternimmt die ZNER in Person ihres Schriftleiters, der sich als Generalist versteht, den Versuch, die Energiewende in ihrer Komplexität darzustellen.

Ein Hauptproblem ist die wundersame Paragrafenvermehrung. Das Stromeinspeisungsgesetz, mit dem die deutsche Energiewende anfing, hatte nur sechs Paragrafen, das aktuelle EEG 104, mit fünf völlig unübersichtlichen Übergangsregeln, die ZNER-Autoren veranlasste, von der „Wunderwelt der Übergangsregeln“ zu schreiben.

Eines der Probleme, für das wunderbarerweise eine Lösung auf dem Tisch liegt, ist eine Regelung, die zugleich die EEG-Umlage und die unübersichtlichen steuerlichen Regeln der Energiewende zu lösen versucht, gewissermaßen eine eierlegende Wollmilchsau. Das ist die CO2-Abgabe, die inzwischen sogar von großen Teilen der Industrie gefordert wird. Ein wichtiger Effekt: Die räumt auf mit vielen unübersichtlichen Regeln und bewirkt zugleich Gerechtigkeit. Was will man mehr?

Peter Becker

 
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