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Schalast 

Deal-Maker vs. Deal-Killer: M&A im Jahr 2023

Abbildung 1

Mega-Deals sind in einem schwierigeren Zinsumfeld kompliziert, was bedeutet, dass es – genauso wie 2008 – eine Rückkehr zu “small is beautiful” gibt.

Wenn man den aktuellen Berichten zu den Mergers & Acqusitions- (M&A-)Perspektiven 2023 glauben will, hat sich spätestens seit Mitte 2022 Kater-Stimmung breitgemacht – und das bei allen Beteiligten, seien es Strategen oder Finanzinvestoren, Akteure klassischer M&A-Transaktionen oder Public M&A. Dies überrascht schon ein bisschen, denn die Erfahrungen der vergangenen zwei Jahre waren doch eher positiv. Als in Europa im Februar und März 2020 die Pandemie zu umfassenden Lockdowns führte, stand der M&A-Markt – wie die Wirtschaft insgesamt – innerhalb kürzester Zeit im Standby-Modus. Doch das änderte sich – für Viele überraschend – innerhalb weniger Monate. Schließlich begann spätestens Mitte 2020 eine Rallye, die zu einem Allzeithoch für M&A-Transaktionen im Dezember 2021 führte.

Man fragt sich aus heutiger Sicht: Wie war das möglich? Noch niemals hatte eine Pandemie im industriellen Zeitalter derart gravierende Auswirkungen auf das Wirtschaftsleben und nicht zuletzt auf globalisierte Lieferketten. Doch eine ganze Reihe von wichtigen ökonomischen Rahmenbedingungen hatte sich zunächst nicht verändert. Ganz vorne dabei als Deal-Maker war die weiter andauernde Niedrigzinspolitik aller wichtigen Zentralbanken und damit die Verfügbarkeit von “billigem” Geld, nicht zuletzt für Unternehmensübernahmen. Dies spielte insbesondere Private Equity in die Hände. Weiter blieb der Markt – wiederum zur Überraschung Vieler – ein Verkäufermarkt, und Bewertungen gingen nicht relevant zurück, soweit die Geschäftsmodelle nicht wegen der Lockdowns beeinträchtigt wurden.

Darüber hinaus war Covid-19 geradezu ein Katalysator für die weitere Digitalisierung, und Online-Commerce-Geschäftsmodelle gingen quasi durch die Decke. Zu Recht sprach man von einer M&A-Welle, wobei der M&A-Markt schon immer durch ein solches Auf und Ab gekennzeichnet war; die letzten signifikanten Wellen wurden durch die New Economy und das Dotcom-Geschäft sowie die erste Private-Equity-Blase in den 2000er Jahren geprägt. Interessant ist dabei, dass die Finanzkrise ab 2007 zwar zu einem spürbaren Rückgang führte, der aber nicht zu vergleichen war mit dem früheren Platzen von Blasen, wie etwa 2000/2001. In den 2010er Jahren ging es dann nur noch nach oben, bis zum finalen Rekord Ende 2021.

Vermutlich dachten Viele, dass sich die Entwicklung zur Zeit des Ausbruchs der Coronapandemie nach dem russischen Angriff auf die Ukraine am 24.2.2022 wiederholen würde. Das hätte bedeutet: ein kurzer Stillstand und dann wieder zurück auf das bekannte “Normal”-Niveau. Dafür gab es auch gute Gründe, denn noch nie seit 1945 hatte ein Krieg eine signifikante Auswirkung auf Unternehmensübernahmen.

Doch genau dies ist nicht eingetreten. Wir sahen im Jahr 2022 einen merklichen Rückgang des M&A-Geschehens weltweit und interessanterweise relativ parallel in den USA und Europa ab Beginn des zweiten Halbjahres.

Dabei stellt sich zunächst die Frage: Was unterscheidet den Juni 2022 vom Juni 2020? Einiges ist rasch offensichtlich: Die Nullzinspolitik ist vorbei, Zinsen steigen spürbar, und Kredite werden sehr viel strenger vergeben. Dahinter steht auch die von der Bankaufsicht insbesondere in Europa klar formulierte Befürchtung, dass Kreditausfälle/Non Performing Loans aufgrund der sich abzeichnenden Rezession zunehmen und die Institute zu Vorsicht und Vorsorge gedrängt werden. Konsequent werden Transaktionen insgesamt teurer, als Deal-Killer hinzu kommen die Rezessionsangst, die so jahrzehntelang unbekannte Inflation und nicht zuletzt die aktuelle Energiekrise, die in Deutschland darüber hinaus Parallelen zu den Entwicklungen in den 1970er Jahren aufweist. All dies ist Gift für Unternehmensübernahmen, denn Transaktionen brauchen immer auch etwas Visionäres, Mut und vor allem Zuversicht.

Was heißt dies aber nun für das Deal-Making oder auch Deal-Killing in den nächsten Monaten? Zunächst sind einige Themen, die schon im zweiten Halbjahr 2020 eine Rolle spielten, nunmehr noch stärker im Fokus. Der Verkäufermarkt ist zum Käufermarkt geworden, nur die Verkäufer haben dies oft noch nicht gemerkt – wenn nicht ein Deal-Killer, dann jedenfalls ein Deal-Verzögerer. Die Preise gehen zurück – Viele sagen auf ein vernünftiges Maß –, und sie werden mit Blick auf zukünftige Ungewissheiten stärker angepasst. Dies bedeutet die Rückkehr von Vendor-Loans (Verkäuferdarlehen), Earn-Outs, also Kaufpreisanteile, die zu einem späteren Zeitpunkt erfolgsabhängig gezahlt werden, auch über längere Zeiträume, Staple-Financing, d. h. Finanzierungsangebote des Verkäufers, und Rücktrittsklauseln, im Amerikanischen Material-Adverse-Change-(MAC-)Clauses genannt. Diese spielten bereits bei Beginn der Pandemie eine größere Rolle – Tiffany steht dafür –, ihre besondere Bedeutung hat aber der erst abgesagte und dann durchgeführte Twitter-Deal eindringlich vor Augen geführt.

Die Verkäufer müssen jetzt mehr tun für das Deal-Making, aber dafür gibt es passende Instrumente. Man kann sich derzeit nicht mehr einfach auf eine “Auktion” verlassen, um den besten Preis zu erzielen, sondern muss sich vielmehr aktiv um Kaufinteressenten bemühen. Dies führt zur Rückkehr der Vendor-Due Diligence, von Break-Up-Fees (Auflösungsgebühren) etc., um möglichst viele Kandidaten im Spiel zu halten. Deal-Making erfordert also im Augenblick ein großes Maß an Flexibilität.

Hinzu kommt aber noch ein weiterer Faktor: Mega-Deals sind in einem schwierigeren Zinsumfeld kompliziert, was bedeutet, dass es – genauso wie 2008 – eine Rückkehr zu “small is beautiful” gibt. Small- und Midcap-Deals werden weiter funktionieren, wenn die Verkäufer das veränderte Umfeld bei ihren Preisvorstellungen abbilden. Und da gerade Deutschland ein Markt ist, der klassisch von solchen Transaktionen geprägt ist, gibt es keinen Grund, allzu schwarz zu sehen.

Prof. Dr. Christoph Schalast, RA, Notar, ist Managing Partner der Kanzlei Schalast LAW | TAX in Frankfurt a. M. Schwerpunkte seiner Tätigkeit als Anwalt und Notar sind M&A Real Estate sowie das Bank- und Finanzmarktrecht. An der Frankfurt School of Finance & Management leitet er den Master-Studiengang M&A.

 
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