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BB 2024, I
Stahlschmidt 

Einigung über Paket “Mehrwertsteuer im digitalen Zeitalter”

Abbildung 1

MwSt soll digitaler werden.

Der Rat der Europäischen Union hat am 5.11.2024 eine Einigung erzielt, um die EU-Vorschriften zur Mehrwertsteuer (MwSt) an das digitale Zeitalter anzupassen. Vorgesehen sind neue Vorschriften für elektronische Rechnungen und die Echtzeitmeldung von Daten. Diese betreffen auch über digitale Plattformen abgewickelte Geschäfte. So soll der Steuerbetrug bekämpft werden. Weiteres Ziel ist die Unterstützung und Förderung von Digitalisierung von Unternehmen. Die Verhandlungen haben immerhin zwei Jahre gedauert. Das Gesetzespaket wird als Eckpfeiler des digitalen Wandels angesehen. Der europäische Gesetzgeber geht davon aus, dass auch die Wettbewerbsfähigkeit der EU durch die Vorschriften gestärkt wird. Das Gesetzespaket besteht aus drei Rechtsakten, namentlich aus Richtlinie, Verordnung und Durchführungsverordnung. Die Regelungen sollen folgende Änderungen des MwSt-Systems bewirken:

  • für grenzüberschreitende Umsätze vollständige Digitalisierung der MwSt-Meldepflichten bis 2030,

  • Verpflichtung von Online-Plattformen zur Zahlung von MwSt für Kurzzeitvermietung von Unterkünften und für Personenbeförderung in den meisten Fällen, in denen einzelne Dienstleistungserbringer keine MwSt erheben,

  • Verbesserung und Ausweitung der einzigen Anlaufstellen für die MwSt im Internet, damit Unternehmen nicht in allen Mitgliedstaaten, in denen sie tätig sind, eine kostspielige MwSt-Registrierung vornehmen müssen.

Digitale MwSt-Meldung

Die digitale MwSt-Meldung soll das bisherige System der zusammenfassenden Meldung ersetzen. Durch die Einführung des digitalen Echtzeit-Meldesystems für MwSt-Zwecke durch elektronische Rechnungen soll die derzeitige Lücke für Betrüger geschlossen werden, die dadurch entsteht, dass die Daten unvollständig und nicht in Echtzeit vorliegen. Die Durchführung soll denkbar einfach sein. Die Unternehmen erstellen elektronische Rechnungen für grenzüberschreitende Geschäfte und melden die Daten in Echtzeit an die Finanzverwaltung. Die Mitgliedstaaten haben ein Ausgestaltungsrecht, welches flexibel ausgeübt werden darf, der in die elektronsichen Rechnungen aufzunehmenden Einzelheiten. Das System soll bis 2030 einsatzbereit sein, 2035 soll die Interoperabilität aller nationalen Systeme sichergestellt sein.

Plattformwirtschaft und MwSt

Online-Anbieter von Kurzzeitvermietung von Unterkünften und Personenbeförderung zahlen derzeit keine MwSt. Grund hierfür ist, dass diese nicht registriert sind oder sein müssen, weil die Unternehmensgröße zu klein ist oder die Vorschriften schlicht nicht beachtet werden. Dadurch entgehen dem Staatswesen große Mengen an MwSt. Ferner führt dies zu einem unfairen Wettbewerb zwischen Beherbergungs- und Beförderungsanbietern und jenen, die über Plattformen tätig sind.

In Zukunft sind die Plattformbetreiber für die Erhebung und Abführung der MwSt verantwortlich, wenn der Dienstleistungserbringer selbst keine MwSt bezahlt. Die Plattformbetreiber müssen die Umsatzsteuer beim Kunden erheben und an die Finanzverwaltungen abführen.

Die Mitgliedstaaten haben sowohl bei der Definition der Kurzzeitvermietung von Unterkünften wie auch zur Bestimmung des Personenkreises, für den die Regelung gilt, Flexibilität seitens des Rates zugestanden bekommen.

Anlaufstelle für die MwSt-Registrierung

Ziel der Neuregelung ist, noch mehr Unternehmen zu ermöglichen, ihre MwSt-Pflichten über ein einziges Online-Portal und in einer einzigen Sprache abzuwickeln, sog. erweiterte einzige Anlaufstelle. Diese Möglichkeit ist derzeit den Unternehmen versagt, die Gegenstände an Verbraucher innerhalb eines anderen Mitgliedstaats als ihrem eigenen verkaufen. Diese müssen sich zweimal für MwSt-Zwecke registrieren. Nur bei B2B-Geschäften ist es jetzt schon möglich, die MwSt in einem einzigen Mitgliedstaat zu melden und abzuführen und das auch nur in einer einzigen Sprache.

Der Rat hat ferner entschieden, dass die Zahlung der MwSt bei Geschäften zwischen Unternehmen von dem Lieferer eines Gegenstands oder einer Dienstleistung auf den Käufer verlagert wird, wenn der betreffende Lieferer nicht in dem Mitgliedstaat niedergelassen ist, in dem die MwSt geschuldet wird, sog. umgekehrte Steuerschuldnerschaft.

Dem Vorschlag der Kommission, die Plattformzuständigkeit für die Erhebung der MwSt auf alle von Online-Plattformen gelieferten Gegenstände und nicht unternehmensinterne Verbringungen von Gegenständen auszuweiten, ist der Rat nicht gefolgt. Auch wurden die Vorschriften für Antiquitäten und Kunstgegenstände nicht geändert.

Das Paket “Mehrwertsteuer im digitalen Zeitalter” umfasst

  • einen Vorschlag für eine Richtlinie des Rates zur Änderung der Richtlinie 2006/112/EG in Bezug auf Mehrwertsteuervorschriften für das digitale Zeitalter,

  • einen Vorschlag für eine Verordnung des Rates zur Änderung der Verordnung (EU) Nr. 904/2010 in Bezug auf die für das digitale Zeitalter erforderlichen Regelungen für die Zusammenarbeit der Verwaltungsbehörden auf dem Gebiet der Mehrwertsteuer,

  • einen Vorschlag für eine Durchführungsverordnung des Rates zur Änderung der Durchführungsverordnung (EU) Nr. 282/2011 hinsichtlich der Informationsanforderungen für bestimmte Mehrwertsteuerregelungen.

Für alle drei Rechtsakte ist die Einstimmigkeit im Rat erforderlich. Am 22.11.2023 hat das Europäische Parlament seine Stellungnahme abgegeben. Da der Rat allerdings wesentliche Änderungen an der Richtlinie vorgenommen hat, ist das Europäische Parlament noch einmal zu dem veränderten Text zu hören. Dann muss der Rat den Text förmlich annehmen. Anschließend wird er im Amtsblatt der EU veröffentlicht und tritt in Kraft.

Prof. Dr. iur. Michael Stahlschmidt lehrt an der FHDW Paderborn Steuerrecht, Rechnungswesen, Controlling und Compliance und ist Ressortleiter Steuerrecht des Betriebs-Berater und Chefredakteur Der Steuerberater.

 
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