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BB 2024, I
Löw 

Entgelttransparenz – Höchste Zeit für Unternehmen, mit den Vorbereitungen zu beginnen

Abbildung 1

Viele glauben, die Gruppenbildung könne über die Tarifverträge gelöst werden. Das ist falsch.

Die “Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates zur Stärkung der Anwendung des Grundsatzes des gleichen Entgelts für Männer und Frauen bei gleicher oder gleichwertiger Arbeit durch Entgelttransparenz und Durchsetzungsmechanismen” (Entg-TranspRL) ist bis Juni 2026 in nationales Recht umzusetzen. Tatsächlich ist aus dem federführenden Bundesministerium für Familien, Senioren, Frauen und Jugend zu hören, dass bereits im 2. Quartal 2024 mit einem Referentenentwurf zu rechnen ist. Das Gesetzgebungsverfahren soll noch in dieser Legislaturperiode abgeschlossen sein. Das bedeutet, dass im Spätsommer 2025 das neue Gesetz in Kraft treten wird.

Gegenüber dem aktuellen EntgTranspG bringt die Entg-TranspRL einige grundsätzliche Änderungen mit sich, die alle Unternehmen kennen sollten, um beim Inkrafttreten des neuen Gesetzes keine bösen Überraschungen zu erleben.

Derzeit schreibt § 4 Abs. 4 EntgTranspG vor, dass Entgeltsysteme, wenn sie von Arbeitgebern verwendet werden, als Ganzes und mit Blick auf die einzelnen Entgeltbestandteile diskriminierungsfrei sein müssen. Die Entscheidung, überhaupt ein Entgeltsystem einzuführen, liegt bei jedem einzelnen Arbeitgeber. Das wird sich ändern. Nach Art. 4 Abs. 1 Entg-TranspRL ergreifen die Mitgliedstaaten die notwendigen Maßnahmen, um sicherzustellen, dass Arbeitgeber über Vergütungsstrukturen verfügen, durch die gleiches Entgelt bei gleicher oder gleichwertiger Arbeit gewährleistet wird. Und nach Absatz 4 sind Entgeltstrukturen so beschaffen, dass anhand objektiver, geschlechtsneutraler und mit den Arbeitnehmervertretern vereinbarter Kriterien beurteilt werden kann, ob sich die Arbeitnehmer im Hinblick auf den Wert der Arbeit in einer vergleichbaren Situation befinden.

Aus Satz 1 folgt, dass Unternehmen Entgeltstrukturen haben müssen. Und nach Absatz 4 dürfen die Kriterien weder in unmittelbarem noch in mittelbarem Zusammenhang mit dem Geschlecht der Arbeitnehmer stehen. Sie umfassen Kompetenzen, Belastungen, Verantwortung und Arbeitsbedingungen und gegebenenfalls etwaige weitere Faktoren, die für den konkreten Arbeitsplatz oder die konkrete Position relevant sind. Sie werden auf objektive, geschlechtsneutrale Weise angewandt, wobei jede unmittelbare oder mittelbare Diskriminierung aufgrund des Geschlechts ausgeschlossen wird. Insbesondere dürfen relevante soziale Kompetenzen dabei nicht unterbewertet werden.

Das hat Folgen für Tarifverträge. Zwar mag es bei gleicher Arbeit noch zulässig sein, mit Verweis auf die gleiche Eingruppierung die Angemessenheit und Diskriminierungsfreiheit zu begründen. Mit Blick auf gleichwertige Arbeit lässt sich aber die These von der strukturellen Diskriminierungsfreiheit tarifvertraglicher Entgeltregelungen nicht aufrechterhalten. Und die mangelnde Gleichwertigkeit wird man nicht mit Verweis auf eine unterschiedliche Eingruppierung legitimieren können, wie das derzeit in § 5 Abs. 4 EntgTransG geregelt ist.

Neu ist auch die Verpflichtung des Arbeitgebers, anlasslos allen Beschäftigen Informationen in leicht zugänglicher Weise zur Verfügung zu stellen, welche Kriterien für die Festlegung des Entgelts, ihrer Entgelthöhen und ihrer Entgeltentwicklung verwendet werden. Diese Kriterien müssen objektiv und geschlechtsneutral sein. Der nationale Gesetzgeber kann Arbeitgeber mit weniger als 50 Beschäftigten von der Verpflichtung im Hinblick auf die Entgeltentwicklung, nur diese, ausnehmen.

Besonders weitreichende Vorarbeiten wird die Erfüllung der Berichterstattungspflicht nach Art. 9 erforderlich machen. Arbeitgeber mit mindestens 100 Arbeitnehmern haben das geschlechtsspezifische Entegeltgefälle insgesamt und das mittlere geschlechtsspezifische Entgeltgefälle, jeweils insgesamt und bezogen auf ergänzende oder variable Bestandteile zur Verfügung zu stellen. Außerdem ist über den Anteil der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in jedem Entgeltquartil und das geschlechtsspezifische Entgeltgefälle zwischen Arbeitnehmern bei Gruppen von Arbeitnehmern zu informieren. Gruppen von Arbeitnehmern sind nach Art. 3 Abs. 1 Buchst. h) Arbeitnehmer, die gleiche oder gleichwertige Arbeit verrichten und die auf nicht willkürliche Weise auf der Grundlage nichtdiskriminierender und objektiver, geschlechtsneutraler Kriterien nach Maßgabe von Art. 4 Abs. 4 von ihrem Arbeitgeber und, gegebenenfalls in Zusammenarbeit mit den Arbeitnehmervertretern im Einklang mit nationalen Rechtsvorschriften und/oder Gepflogenheiten, entsprechend eingeteilt werden. Na dann ist ja alles klar!

Die größte Herausforderung bei der betrieblichen Umsetzung der EntgTransp-RL wird die Bildung der Gruppen von Arbeitnehmern sein. Viele glauben, die Gruppenbildung könne über die Tarifverträge gelöst werden. Das ist falsch. Die Methoden zur Analyse und geschlechtsneutralen Arbeitsbewertung, die Art. 4 Abs. 2 verlangt, werden nach Meinung vieler Experten nur durch analytische Arbeitsbewertungsmethoden erfüllt. Die allermeisten Tarifverträge, vom ERA einmal abgesehen, beruhen auf summarischer Arbeitsbewertung. Und die üblichen tariflichen Regelbeispiele sind in diesem Kontext geradezu kontraproduktiv.

Abgesehen davon arbeiten mehr als die Hälfte aller Beschäftigten in Deutschland in Betrieben ohne Tarifbindung, Tendenz steigend. Und für AT-Angestellte gelten die tariflichen Entgeltgruppen ohnehin nicht. Hier haben sich die Arbeitgeber bisher auch mehr Flexibilität ausbedungen. Wieviel davon im Rahmen der erforderlichen Entgeltstrukturen noch übrig bleibt, wird sich zeigen.

Arbeitgeber mit mindestens 150 Beschäftigten müssen diese Verpflichtung erstmals zum 7.6.2027 für das Jahr 2026 erfüllen. Bis dahin müssen alle vorhandenen Stellen in diesem Sinne bewertet und die entsprechenden Gruppen von Arbeitnehmern gebildet sein. Der genauere Blick auf die vorhandenen Entgeltstrukturen wird den meisten Unternehmen verdeutlichen, dass sehr viel Arbeit vor ihnen liegt.

Dr. Hans-Peter Löw, RA, leitet als Senior Counsel gemeinsam mit Nils Grunicke den Fachbereich Financial Services Employment Law innerhalb der Praxisgruppe Arbeitsrecht bei DLA Piper UK LLP. Sein Tätigkeitsschwerpunkt liegt auf der arbeitsrechtlichen Beratung von Finanzinstituten, auch an den Schnittstellen zu Aufsichtsrecht und Datenschutz.

 
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